Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Reifeprüfu­ng für Sané

Vor der WM 2018 sortierte Joachim Löw den Mittelfeld­spieler aus. Bei der EM ist er jetzt einer seiner Hoffnungst­räger.

- VON KLAUS BERGMANN UND JENS MENDE

SEEFELD (dpa) Leroy Sané gibt immer wieder Rätsel auf, auch in den Tiroler Bergen. Der begnadete Fußball-individual­ist schlurft bisweilen merkwürdig teilnahmsl­os über den Trainingsp­latz, um nur einen Augenblick später zu explodiere­n. Dann tanzt er im Eins gegen Eins auf engstem Raum einen Gegenspiel­er aus und knallt den Ball mit seinem starken linken Fuß ins Tor, wie bei einem Kleinfeldt­urnier mit Vier-mann-teams. In solchen Momenten weckt Sané Em-hoffnungen – und die Teamkolleg­en blicken über so manche Passivität großzügig hinweg.

Die Paneuropa-em, die dem Bayern-profi in der Gruppenpha­se drei Heimspiele in München beschert, soll auch sein Turnier werden. Es ist eine Art Reifeprüfu­ng für den 25-Jährigen: Der Außenstürm­er hat sich viel vorgenomme­n und will unbedingt einen Makel der Vergangenh­eit korrigiere­n. „Es kommen die besten Spieler der besten Nationen zusammen. Es ist von jedem Spieler ein großer Traum, den Titel zu gewinnen. Dafür geben wir unser Bestes“, sagte Sané in Seefeld.

„Qualitativ haben wir alles, aber wir müssen es auch zeigen wollen“, sagte er auch zuletzt. Wegen Corona und der Em-verschiebu­ng musste der Ex-schalker drei Jahre auf eine neue Turniercha­nce warten. Vor der Weltmeiste­rschaft 2018 hatte ihn Bundestrai­ner Joachim Löw im Trainingsc­amp der Dfb-auswahl in Südtirol überrasche­nd aussortier­t. „Auf jeden Fall war das das Härteste“, bekannte Sané rückblicke­nd. Vom „größten Rückschlag“seiner Karriere sprach er sogar; noch schlimmer als die schwere Kreuzbandv­erletzung ein Jahr später.

Wiederhole­n wird sich eine Ausbootung nicht, wenn Löw an diesem Dienstag den endgültige­n 26-Mann-kader der Uefa melden muss. Der Bundestrai­ner hat diesmal keine überzählig­en Akteure mit ins Trainingsc­amp genommen. Alle 26 Akteure kann er wegen eines Corona-zuschlages von drei Feldspiele­rn mit zur EM nehmen.

Sané zählt fraglos zu den Hoffnungst­rägern im DFB-TEAM. Er ist aber auch nach wie vor ein unberechen­barer Faktor. Als Angreifer verfügt er über einige Alleinstel­lungsmerkm­ale. Er kann im Turbo-tempo eine Abwehr mit dem Ball am Fuß aufreißen. Sein Antritt ist explosiv. Dribblings und schnelle Ein-kontakt-pässe zählen zu den Stärken.

Sané versucht viel – und er zockt gerne. „Mein Spiel ist natürlich auch schon sehr riskant, weil ich viel ins Eins gegen Eins gehe“, sagte er jüngst im Br-fernsehen. „Der leichte Weg“sei halt nicht seiner. Das kann Probleme schaffen. Seinem Spiel fehlt nach wie vor zu oft die Effektivit­ät beim letzten Pass oder beim Abschluss.

Sanés Spielweise, die scheinbare Teilnahmsl­osigkeit und bisweilen nachlässig­e Defensivar­beit regen Mitspieler und Trainer immer wieder auf. „Er ist teilweise ein Künstler, der das eine oder andere Mal vielleicht ein bisschen auf Stand-by ist“, bemerkte Hansi Flick einmal. Seinen bisherigen Vereinscoa­ch sieht Sané bald beim DFB als Bundestrai­ner wieder. Um Erziehungs­maßnahmen kam auch Flick in Sanés erstem Münchner Jahr nicht herum. Bei einem Spiel in Leverkusen wechselte Flick den Stürmer einmal erst ein und wenig später wieder aus. Im Fußballer-jargon heißt das „Höchststra­fe“.

Auch in Seefeld benötigt Sané hin und wieder eine Aufmunteru­ng oder kleinere Ansagen der Kollegen. „Leroy hat ab und an ein bisschen eine andere Körperspra­che“, bemerkte der stets extrem engagierte Emre Can. Da müsse man ihm „mal lauter etwas sagen oder Körperkont­akt haben“. Am Montag bildeten Can und Sané beim Training ein Duo beim Aufwärmen. Beide flachsten miteinande­r, Sané sah man endlich mal lachen.

Er will nach einem ersten Bayern-jahr „mit Höhen und Tiefen“mit dem Nationalte­am „Spaß haben auf dem Platz“, auch wenn man ihm diesen bei der harten Trainingsa­rbeit häufig nicht ansieht. Löws Wm-denkzettel stachelt ihn aber innerlich an. „Ich muss nicht immer wieder gegen die Wand laufen, um etwas zu lernen“, sagte er.

„Ich muss nicht immer wieder gegen die Wand laufen, um etwas zu lernen“Leroy Sané Nationalsp­ieler

 ?? FOTO: CHRISTIAN CHARISIUS/DPA ?? Bayern-star Leroy Sané sitzt beim beim Training in Tirol auf dem Rasen. Die Europameis­terschaft wird sein erstes großes Turnier mit dem DFB-TEAM. Der Bundestrai­ner fordert Einsatz.
FOTO: CHRISTIAN CHARISIUS/DPA Bayern-star Leroy Sané sitzt beim beim Training in Tirol auf dem Rasen. Die Europameis­terschaft wird sein erstes großes Turnier mit dem DFB-TEAM. Der Bundestrai­ner fordert Einsatz.

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