Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Zurück im Klassenzimmer
Seit Montag ist der Wechselunterricht zu Ende und mit dem Präsenzunterricht kehrt ein Stück Normalität zurück. Ein Besuch am AVG in Wesel.
WESEL (sz) Lange hat es rund ums Andreas-vesalius-gymnasium nicht mehr so viel Leben gegeben: Jugendliche stehen in Gruppen herum, erzählen, lachen. In der Schule das gleiche Bild. Gekicher, volle Gänge, alle haben viel zu erzählen. Der Wechselunterricht ist beendet, seit Montag sind wieder alle da – und die Stimmung ist spürbar gut, das ganze Gebäude scheint zu summen von all der Energie.
Lehrerin Miriam Lenz diskutiert mit der Klasse 6 ein Bild von Paul Klee – abstrakt oder doch nicht? Die Elf- und Zwölfjährigen sind voll bei der Sache, niemand schaut gelangweilt drein. Wie fühlt sich das an, wieder komplett im Präsenzunterricht zu sein, Normalität zu erleben, die seit Monaten nicht mehr normal war? „Jetzt kann ich wieder meine Freundinnen aus den anderen Gruppen sehen“, sagt Helea, auch Elias findet das gut. „Wir sitzen wieder zusammen, vorher war immer ein Platz dazwischen frei“, steuert Lisa bei. Zulal ist zwiegespalten und traut sich auch, das zu sagen. „Als weniger Personen da waren, ist es mir leichter gefallen, etwas vorzutragen“, sagt sie. Lena fand es cool, zu Hause mit digitalen Geräten zu arbeiten, „das haben wir in der Schule nicht so oft gemacht“. Toll fand das Mädchen, als es sein Tablet mitbringen durfte und auch in der Schule damit gearbeitet hat. Lena dagegen ist es schwer gefallen, im Distanzunterricht zu verstehen, was in der Gruppe diskutiert wurde, auch Johann ging es manchmal so. Viele junge Stimmen und verschiedene Aspekte zum gleichen Thema: Es ist doch schön, wieder zusammen die Schulbank zu drücken. Helea und Ylleza war es zu still in der Schule, Romy freut sich, nicht mehr allein zu lernen.
Lehrerin Miriam Lenz geht es irgendwie genauso. „Endlich wieder ein gewohntes Bild. Die Stimmung ist gut“, sagt die Kunstlehrerin. „Wir mussten viel improvisieren, jetzt ist endlich wieder Planung möglich. Spontanität war gefragt in den vergangenen Monaten, als sich die Lehrer immer wieder auf neue Bestimmungen einstellen mussten. „Es kann recht erholsam sein, wenn jetzt alle wieder da sind.“
Eine Neuheit ist noch am vergangenen Freitag vom Schulministerium gekommen: „Wir müssen den Schülern jetzt die Ergebnisse des Selbsttests aushändigen, das kostet noch mehr Zeit“, sagt Sebastian Hense, stellvertretender Schulleiter. Grund dafür ist, dass die Jugendlichen nun teilweise wieder Vereinssport treiben, dafür aber Tests nachweisen müssen. Zwei Mal die Woche wird in der Schule getestet.
Anstrengende Monate liegen hinter Schulleitung, Lehrern und Schülern. Alle Kurse und Klassen waren halbiert, für knapp zwei Wochen gab es zwischenzeitlich auch eine reine Homeschooling-phase, als der Kreis Wesel die Inzidenz von 165 überschritten hatte. Erstmal ist das, wie auch der Wechselunterricht, Geschichte. „Die Schüler sind gut drauf, die Lehrer eigentlich auch“, sagt Hense. Soziale Kontakte, für die Jugendlichen so wichtig, sind endlich wieder möglich. „Auch wir freuen uns, die Schüler zu sehen“, sagt er. „Wechsel-, Hybrid- und Distanzunterricht kann immer nur eine Notlösung sein.“Zwar hatten sich die Sportlehrer einiges einfallen lassen – Projekte beispielsweise und Bewegungstagebücher – aber richtiger Sportunterricht ist etwas anderes. Selbst unter den strengen Hygienemaßnahmen.
Neben all der Freude gibt es aber auch Sorgen. „Es haben noch nicht alle Kollegen ihre zweite Impfung“, sagt Hense, die Mehrheit sei erst einmal geimpft. „Es gibt unter Lehrern, Schülern und Eltern schon noch die Angst vor der Ansteckung.“Auch auf dem Gymnasium gebe es Kinder, die zu Hause nicht gut lernen können, aus den verschiedensten Gründen. Sie konnten auch zum Distanzunterricht in die Schule kommen, sind im Präsenzunterricht aber besser betreut.
Corona hat der Digitalisierung einen Riesenschub gegeben, rund 20 Router wurden im Haus verteilt, enorme Schritte unternommen, so Hense. „Wir müssen herausfinden, was pädagogisch und organisatorisch sinnvoll ist, beizubehalten.“Für ihn steht fest: Ohne Präsenzunterricht geht es nicht. Da sind sich die Sechstklässler und der kommissarische Schulleiter einig.