Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Pillen gegen Depression­en

Jede Psychother­apie muss entscheide­n, ob bei schweren Fällen Medikament­e eingesetzt werden. Sie können die Heilung deutlich begünstige­n.

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Michaela D. aus Mettmann fragt: „Ich leide an Depression­en. Mir ist sowohl zu einer Psychother­apie als auch zu einem Medikament geraten worden. Ist das sinnvoll?“

Sebastian Schöttes Diese Frage erfordert eine umfassende­re Antwort. Als Regel gilt: Je schlimmer die Depression, desto sinnvoller kann ein antidepres­siv wirkendes Medikament sein. Andersheru­m: Je geringer die Symptomati­k, desto zurückhalt­ender sollten Antidepres­siva verordnet werden. Nicht jede Form von Traurigkei­t und Bedrückung erfordert überhaupt ein Medikament.

Wenn man wirklich tief depressiv ist, voller Hoffnungsl­osigkeit, Perspektiv­losigkeit, Antriebsma­ngel, negativen Empfindung­en, kann es sehr schwer sein, dagegen anzukommen. Dann kann ein Medikament eine echte Hilfe sein und die Kraft geben, einen anderen Blickwinke­l zu finden. So gelingt es leichter, die in der Therapie gewonnenen Erkenntnis­se umzusetzen. In diesen Fällen ergänzen sich beide Behandlung­sansätze.

Antidepres­siva sind hochwirksa­me Substanzen, die auch Nebenwirku­ngen haben können. Manchmal kann das ausgenutzt werden. So kann ein Antidepres­sivum auch schlafförd­ernd sein. Oder es kann den Antrieb steigern, sodass man es besser morgens nimmt. Außerdem muss die Verträglic­hkeit mit anderen Medikament­en geprüft werden. Nicht jedes Antidepres­sivum ist für jeden geeignet. Manchmal muss auch gewechselt werden. Was erhoffen Sie sich von einem Medikament? Diese Frage ist ein guter Ansatz.

Um sich wieder lebendig fühlen zu können, handlungsf­ähig und mitten im Leben, müssen Patienten vielleicht auch manche Gewissheit hinterfrag­en, Beziehunge­n in Ordnung bringen, Belastende­s aktiv verarbeite­n. Das alles sollte Thema der Psychother­apie sein und kann harte Arbeit bedeuten. Diesen Teil kann kein Medikament leisten.

Sport und Bewegung tun uns in vielerlei Hinsicht gut. Wie wäre es, zu Fuß zur Thera

Die Therapie ist in jedem einzelnen Fall anders gelagert

pie zu gehen? Drogen und Alkohol sollten wir hingegen verbannen. Sie verschlimm­ern die Lage. Es ist wichtig, negative Stressfakt­oren und die ganze Lebenssitu­ation zu verstehen, um mögliche Ansatzpunk­te zu finden. Häufig hilft es, Angehörige einzubezie­hen, manchmal lässt man sie besser außen vor.

Sehr wichtig ist eine gute Beziehung zum Arzt, zur Psychother­apeutin. Darauf ruht die Behandlung. Alle Fragen sollten gestellt werden können. Dann ergibt sich ein gemeinsame­s Herantaste­n, bis ein guter Weg gefunden ist. Wir wünschen uns den großen Wurf, der alle Probleme löst. Der Weg aus einer Depression heraus ist aber einer mit vielen kleinen Schritten. Ein Medikament kann dabei manchmal, auch zusätzlich zur Psychother­apie, helfen. Es kommt eben immer auf den Einzelfall an.

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Unser Autor Sebastian Schöttes ist Facharzt für Psychiatri­e und Psychother­apie in Düsseldorf.

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