Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Leprakranken neue Hoffnung schenken
In ihrem Buch „Mensch, ich habe Dich so lieb“beschreibt die Dinslakener Ärztin Romana Drabik, wie aus der Idee, den Menschen in Indien und Afrika zu helfen, Projekte für ein besseres Leben wurden.
DINSLAKEN (big) Weltweit meldete 2019 die Weltgesundheitsorganisation ( WHO) 200.000 Lepra-neuinfektionen. Für das Jahr 2020, mutmaßt die WHO, werde die Statistik geringer ausfallen. Nicht, weil sich weniger Patienten angesteckt haben, sondern weil aufgrund der Corona-pandemie die Fallsuche deutlich erschwert sei.
Auch die Dinslakenerin Romana Drabik muss ihre Arbeit vom heimsicheren Computer aus erledigen: Konferenzen, Tagungen und Vorträge hält sie via Internet. „Ich sehe die Ärzte nur über meinen Computer, wir winken uns zu, aber es fehlt mir doch die persönliche Beziehung“, sagt die Lepraexpertin. „Fast alle Ärzte, mit denen ich per Video-konferenz gesprochen habe, waren in den vergangenen Monaten an Covid erkrankt, haben es aber gut überstanden.“
In ihrem Buch „Mensch, ich habe Dich so lieb“, das jetzt während der Pandemie entstand, blickt sie zurück auf die Jahre ihrer Lepraarbeit – es sind über vier Jahrzehnte. „Es ist für mich wie ein kleines Wunder, dass es eine Stadt mit 70.000 Menschen schafft, so vielen Menschen zu helfen, ihnen ein besseres Leben zu ermöglichen“, sagt sie.
Von ihrem letzten Afrikabesuch 1979 zurückgekehrt, stand ihr Entschluss fest: „Ich muss etwas tun.“Zu ihrem Erstaunen erfuhr sie von der WHO, dass es nicht in Afrika die meisten Leprakranken gab, sondern der indische Subkontinent mit rund vier Millionen Erkrankten an der Spitze lag, 35 Prozent davon waren ansteckend. Also auf nach Indien. Wie gut, dass Pater Cyprian, ein Kapuzinermönch, eine Urlaubsvertretung in Voerde übernommen hatte. Der Kontakt zu ihm war sehr schnell hergestellt und er lud sie ein, ins Lepradorf nach Kerala zu kommen. In Bernhard Kösters, Pastor an der Vincentius-kirche, war schnell ein Mitstreiter gefunden. Sie erinnert sich: „Pastor Kösters fragte mich damals, wie viel Spendengelder ich denn schon für meine Lepraarbeit gesammelt hätte. Als er erfuhr, dass 50 Mark in meinem Sparschwein waren, schmunzelte er.“Das Geld hatte Drabik übrigens von Renate Müller, damals Lehrerin an der Grundschule Möllen, erhalten, die ihr den Weg in sämtliche Voerder Kirchengemeinden ebnete.
Als 1980 der erste Lepramarsch ins Leben gerufen wurde, gab es kein Halten mehr. Und so ging es denn auch 1980 nach Kerala zu den Kapuzinern und Pater Cyprian – ihr
Traum wurde wahr. Wie in Afrika, stieß sie auch dort auf Verwunderung der Leprakranken, die es nicht fassen konnten, dass eine weiße Ärztin aus Europa so gar keine Scheu vor ihnen hatte.
Schnell fand Romana Drabik heraus, woran es in Kerala mangelte: an vernünftigen Unterkünften für die Leprakranken, an der Wasserversorgung, der sanitären Hilfe, an einem Gemeinschaftshaus, Arbeitsplatzbeschaffung und medizinischer Versorgung. Eine schier unlösbare Aufgabe – nicht für Romana Drabik.
Mit Hilfe vieler Dinslakener und Voerder schaffte sie es tatsächlich, 40 kleine Häuschen und fünf Brunnen bauen zu lassen. Jede Familie der Leprakranken erhielt ein Haus, das aus zwei Schlafräumen und einer Küche bestand, dazu ein kleines Stück Land zur Selbstversorgung. Für die medizinische Versorgung und die schulische Ausbildung wurde ebenfalls gesorgt und sogar ein kleines Krankenhaus konnte aufgebaut werden. Die feierliche Einweihung des Lepradorfes fand am 6. Februar 1983 statt.
Inzwischen versprach eine neue Antibiotika-kombination eine komplette Heilung der Kranken, über Reha-mittel konnten zwar verstümmelte Gliedmaßen nicht wieder hergestellt, aber zum Teil wieder funktionstüchtig gemacht werden. Dennoch galt es, noch viele Reihenuntersuchungen, Behandlungen und vor allem Aufklärungsarbeit durchzuführen. Romana Drabik reiste nach Nordindien, um dort mit einem neuen Projekt zu starten. Immer wieder stieß sie dabei auf grauenvolle Berichte: Da gab es einen jungen Mann, der, als sie von seiner Krankheit erfuhren, von den Eltern und Geschwistern verstoßen wurde. Nach einigen Tagen fand man ihn tot auf einen Friedhof, auf dem er Schutz gesucht hatte. Im südindischen Nalgonda der 90er Jahre mauerte eine Familie ihre leprakranke Tochter ein, versorgte sie mit dem Lebensnotwendigen durch ein Loch in der Mauer. Dabei gab es damals schon längst Heilung.
In Nalgonda baute schließlich Pater Luigi mit Hilfe aus Dinslaken eine Ambulanz auf, die er nach Bernhard Kösters benannte. Romana Drabik hingegen verschlug es in den Folgejahren nach Bombay, um dort im Zentrum der Seuche zu helfen. Hier war es vor allem das Bombay Leprosy Projekt von Pai, das es zu unterstützen galt und das bis heute noch mit finanziellen Mitteln versorgt wird.