Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
NRW schickt Helfer in Gesundheitsämter
Die Software Sormas sollte bis Ende Februar eingeführt werden, um die Kommunen in der Pandemie zu vernetzen. Derzeit ist sie aber nur in sechs Ämtern vollständig im Einsatz. Das Land will helfen. Unklar ist, wer dafür zahlt.
DÜSSELDORFDIE Vernetzung der Gesundheitsämter in Nordrhein-westfalen kommt weiter kaum voran. Obwohl Bund und Länder sich bereits im Januar darauf verständigt hatten, bis Ende Februar alle Gesundheitsämter in Deutschland über die Software Sormas zu vernetzen, ist diese in NRW aktuell nur in sechs Gesundheitsämtern vollständig im Einsatz. Sechs weitere wollen sie in diesem Monat aktivieren. Das geht aus einer Übersicht des Helmholtz-zentrums für Infektionsforschung (HZI) hervor, die unserer Redaktion vorliegt.
Die Landesregierung will darauf nun reagieren. Am Mittwoch einigte sich der zuständige Beauftragte für Informationstechnik (CIO) der Landesregierung, Andreas MeyerFalcke, mit Vertretern des HZI und weiteren Partnern darauf, bei der Einführung personell zu helfen.
„Nachdem Sormas in nahezu allen Gesundheitsämtern in NRW installiert und Schnittstellen zu anderen Managementsystemen entwickelt wurden, wollen wir die Gesundheitsämter in NRW jetzt mit Rollout-teams unterstützen, die vor Ort bei der Umstellung der Prozesse helfen“, sagt Meyer-falcke. Die Teams seien in anderen Bundesländern schon aktiv und könnten theoretisch sofort loslegen, sobald die Finanzierung geklärt sei. „Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat 50 Millionen Euro für die Digitalisierung der Gesundheitsämter zur Verfügung gestellt“, sagt Meyer-falcke: „Das Geld ist also da.“
Bund und Länder hatten Mitte Januar verlangt, dass die vom HZI entwickelte Software Sormas bis Ende Februar in allen Gesundheitsämtern in Deutschland eingeführt sein soll. Mit ihr lässt sich die Kontaktnachverfolgung organisieren, wobei Daten über Stadt- und Landesgrenzen hinweg ausgetauscht werden können. Doch für die Umsetzung der Pläne sind Städte und Landkreise zuständig. Und dort war man vielerorts wenig begeistert von den Plänen, weil man längst eigene Lösungen im Einsatz hatte.
Von den 53 Gesundheitsämtern in NRW haben 52 Sormas zumindest eingerichtet – nur der Kreis Unna hat bislang nicht einmal einen Nutzungsvertrag mit dem Anbieter unterzeichnet. Man lehne die Software nicht grundsätzlich ab, sagt ein Sprecher, bemängele allerdings die fehlende Transparenz bezüglich Vertrag, aktueller Version und aktuellem Stand der Entwicklung.
Andere Kommunen verwiesen zuletzt auf die hohen Infektionszahlen als Argument dafür, warum man Sormas noch nicht eingeführt habe. Angesichts aktuell niedriger Inzidenzen sticht diese Begründung zwar nicht mehr. Doch aus Sicht von Vertretern von Städten und Landkreisen ist das nicht das einzige Problem.
Martin Klein, Hauptgeschäftsführer des Nrw-landkreistags, sagt: „Wie uns aus der Praxis berichtet wird, wurden angekündigte Weiterentwicklungen mehrfach verschoben, unklare Zeitplanungen und teilweise nicht funktionale Schnittstellen belasten die avisierte Umsetzung in den Gesundheitsämtern.“Ähnlich argumentiert Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Städtetags NRW. „Die meisten Gesundheitsämter haben Sormas mittlerweile installiert und wollen es auch nutzen“, sagt Dedy: „Aber nur weil ein neu entwickeltes Auto jetzt vor der Tür steht, fährt es noch lange nicht. Es fehlen weiterhin relevante Schnittstellen zu anderen
Fachanwendungen, Daten müssten teilweise doppelt eingegeben werden.“Darüber hinaus fehle es an Unterstützung, um Prozesse in den Gesundheitsämtern anzupassen und Personal zu schulen.
Das Problem mangelnder Unterstützung könnte mit den Rollout-teams behoben werden, ist Anke Sax überzeugt. Die It-managerin engagiert sich ehrenamtlich im Netzwerk CIO Corporate Citizens und dringt seit Monaten auf die Einführung solcher Teams. Inzwischen gebe es ein leistungsfähiges Team mit It-fachkräften von Partnern wie KPMG, Deloitte, Accenture und Bridging IT. „So könnten wir im ersten Schritt fünf bis zehn Gesundheitsämter pro Woche anschließen, inklusive der Iris-schnittstelle“, sagt Anke Sax. Über die offene Schnittstelle könnten auch Anbieter von Kontaktdatenerfassungslösungen für Gastronomie & Co. angeschlossen werden. „Ich habe die Hoffnung, dass wir in NRW zeigen können, was möglich ist“, sagt Sax.
Leitartikel