Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Impfpleite mit Ansage
Bund und Länder hatten es gut gemeint: Nach dem Frühjahr des Missvergnügens wollten sie Bürgern endlich mal etwas Gutes bieten und verkündeten das Ende der Impfpriorisierung zum 7. Juni. Doch Worte produzieren keinen Impfstoff – und so kommt es nun, wie es kommen musste: Die Vakzine bleiben knapp, Termine für Erstimpfungen wird es in den Impfzentren von NRW wochenlang nicht geben, in den Arztpraxen beginnt das Hauen und Stechen. Der Ärger ist größer als zuvor. Und darüber darf sich Gesundheitsminister Jens Spahn nicht wundern: Das passiert, wenn man mit Blick auf die schnelle Schlagzeile falsche Erwartungen weckt. Gewiss: Die Minister können nichts für die neuen Lieferprobleme der Hersteller. Doch schon die Gesamtprognosen waren so, dass man realistischerweise nicht vom großen Impfregen Anfang Juni ausgehen konnte. Entsprechend hatten Experten die Minister ja auch vor dem frühen Ende der Priorisierung gewarnt.
Aber auch die Ärzteverbände müssen sich fragen, ob sie auf dem richtigen Weg sind. Sie hatten sich früh für ein Ende der Priorisierung starkgemacht, weil sie in den Praxen mehr Flexibilität wollten. Nun müssen die niedergelassenen Kollegen es ausbaden. Auf dem Papier ist die Priorisierung weg, sie findet jetzt am Tresen der Praxen statt – das ist umso problematischer, weil viele Menschen der Gruppen 2 und 3 noch immer nicht geimpft sind. Die mit großem Tamtam erzeugte Priorisierung ist zum Papiertiger geworden.
Schönreden bringt das Land im Kampf gegen die Pandemie nicht voran, sondern erzeugt nur Frust. Hier ist mehr Ehrlichkeit gefragt. Und auf dem großen Zettel, den sich Spahn unter der Überschrift „Lernen für die nächste Pandemie“angelegt hat, steht eine frühere, breitere Impfstoff-beschaffung ohnehin oben. Die Krise ist noch lange nicht vorbei.
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