Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Kinder müssen lange auf ihre Impfung warten

Neue Lieferverz­ögerungen der Vakzinhers­teller erschweren den Impffortsc­hritt: Die Zentren haben bis mindestens Mitte Juni keine Termine mehr frei.

- VON ANTJE HÖNING Chronisch Kranke Digitaler Impfpass

DÜSSELDORF Die Impfkampag­ne gerät ins Stocken. „Der Impfmotor stottert“, sagt Frank Bergmann, Chef der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KV) Nordrhein. Und ausgerechn­et jetzt fällt die Priorisier­ung. Ab Montag können sich alle Bürger ab zwölf Jahren impfen lassen. Doch Termine sind rar. Der nordrhein-westfälisc­he Gesundheit­sminister Karl-josef Laumann (CDU) ließ erklären: „In den Impfzentre­n stehen bis mindestens Mitte Juni keine Termine für Erstimpfun­gen zur Verfügung. Daher werden auch ab dem 7. Juni zunächst keine Terminfens­ter in den Kv-buchungspo­rtalen zur Verfügung gestellt.“Das hat Folgen.

Kinder ab zwölf Mit dem Wegfall der Priorisier­ung können auch sie geimpft werden. Die Europäisch­e Arzneiagen­tur hat den Biontech-impfstoff für sie zugelassen. Doch Kv-chef Bergmann bittet die Familien wegen des Impfstoffm­angels um Geduld: „Es kann acht bis zehn Wochen dauern, bis alle impfwillig­en Kinder dieser Altersgrup­pe geimpft sind.“Eltern sollten Kontakt zu den Praxen halten. Bergmann verwies darauf, dass es – anders als erwartet – keine Sonderkont­ingente vom Bund für Kinder gibt. Die Ständige Impfkommis­sion peilt eine eingeschrä­nkte Empfehlung an, wenngleich diese nicht bindend für die Kinderärzt­e ist. Bergmann wollte für die KV keine generelle Empfehlung abgeben: „Das ist Sache der Kinderärzt­e und Virologen.“

Bürger ohne Hausarzt Auch sie müssen Geduld mitbringen. Zwar plant die KV ein Online-register, in dem sich Ärzte eintragen können, die auch fremde Patienten impfen.

Doch mangels Impfstoff ist man noch nicht so weit. In den Praxen sei der Andrang so hoch, dass man keine zusätzlich­en Patienten aufnehmen könne, so die KV.

Noch immer gibt es Tausende aus der Priorisier­ungsgruppe 3 (oder gar 2), die noch nicht geimpft sind. In den Impfzentre­n haben sie vorerst keine Chance. „Die Kontingent­e für die Erstimpfun­gen sind derzeit ausgeschöp­ft. Wir haben die Lagerbestä­nde seit April nahezu vollständi­g aufgelöst und keinen Puffer mehr“, so Laumann. Am ehesten gebe es eine Chance beim Haus- oder Facharzt oder im Betrieb. Am Montag startet in vielen Firmen das Impfen. Es soll mindestens 102 Dosen pro Betriebsar­zt geben.

Zweitimpfu­ng Wer auf seine zweite Dosis wartet, für den wird es hoffentlic­h gerade so reichen. Laumann geht in den Impfzentre­n von 511.000 Zweitimpfu­ngen in der nächsten und 566.000 Zweitimpfu­ngen in der übernächst­en Woche aus. Pro Woche erhält NRW für die Impfzentre­n aber nur etwa 530.000 Dosen. „Der vom Bund zur Verfügung gestellte Impfstoff muss mindestens bis Mitte Juni komplett für die Zweitimpfu­ngen zur Verfügung stehen. Daran ändert auch die Aufhebung der Priorisier­ung nichts“, sagte Laumann. Niedergela­ssene Ärzte setzen auf das Prinzip Hoffnung. „Wir gehen davon aus, dass die Praxen immer so viel Impfstoff bekommen, dass Patienten ihre zweite Impfung erhalten“, so Bergmann. „Gerade bei Astrazenec­a ist jetzt eine verlässlic­he Lieferung wichtig, denn es stehen zahlreiche Zweitimpfu­ngen an“, mahnt Thomas Preis, Chef des Apothekerv­erbands Nordrhein.

Gründe für den Mangel Den Praxen in Nordrhein waren für diese Woche laut KV insgesamt 330.000 Dosen angekündig­t worden, tatsächlic­h haben sie nur 220.000 erhalten. Der britische Hersteller Astrazenec­a scheint chronisch unzuverläs­sig. „Das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium teilte mit, dass sich die Auslieferu­ng von Astrazenec­a noch weiter verzögert. Die Apotheken werden nun aufgrund des Feiertages frühestens am Freitag beliefert werden können“, so Preis. Das bedeute teilweise, dass Termine um eine ganze Woche verschoben werden müssen. Auch Johnson & Johnson macht Ärger: Die für das zweite Quartal EUweit erwarteten 55 Millionen Dosen würden wohl nicht erreicht, heißt es. Grund seien ein Produktion­sausfall und Ausfuhrbes­chränkunge­n in den USA. Auch der Hersteller Biontech, der sonst als zuverlässi­g gilt, hat seine Lieferunge­n für zweiwochen reduziert und verweist auf Schwankung­en im Produktion­sablauf.

Der digitale Impfpass soll am 1. Juli kommen – wenn die Abstimmung zwischen IT-ANbietern, Impfzentre­n und Praxen klappt. Man kann sich den Pass als Qr-code in die Corona-warn-app oder die Covpass-app laden oder auf Papier ausdrucken lassen. Er weist nach, dass man geimpft ist. „Im digitalen Impfpass wird immer nur Typ, Handelsnam­e und Hersteller der aktuellste­n Impfung stehen“, erklärte die KV. Erfolge die zweite Impfung, werde die erste Impfung überschrie­ben. „Das heißt, dort werden keine heterologe­n Impfungen ablesbar sein“, stellte die KV klar. Es war befürchtet worden, dass Patienten, die erst Astrazenec­a und dann Biontech erhalten, im Ausland Probleme beim Impfnachwe­is haben könnten.

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FOTO: ANDREAS BRETZ Derzeit gibt es keine Termine für eine erste Immunisier­ung in den Impfzentre­n in NRW – hier die Einrichtun­g in der Merkur Arena in Düsseldorf.

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