Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Leere Hüllen mit hohlen Versprechen
Auf der Suche nach rentablen Investments haben zuletzt leere Börsenhüllen, sogenannte Spacs, einen Boom erlebt. Doch dahinter lauern Gefahren, vor allem für Privatanleger. Sie finden zudem interessantere Alternativen.
Riesige Geldmengen wabern durch die Finanzsysteme auf der Suche nach lukrativen Investments. Das anhaltende Zinstief macht dabei sowohl professionellen Investoren wie auch Privatanlegern zu schaffen. Da steigt die Versuchung, auch Risiken einzugehen. Eine Investmentform erlebt gerade einen Boom: die sogenannten Spacs. „Das Kürzel steht für ‚Special Purpose Acquisition Company‘ und ist eine besondere Art von Börsenmantel“, erklärt Thomas F. Seppi, Vorstand der unabhängigen Vermögensverwaltung FPM Frankfurt Performance Management AG.
Die Company geht an die Börse als Unternehmen ohne operative Tätigkeit, eine leere Hülle eben. „Der einzige Zweck besteht darin, Kapital aufzunehmen, um später mit einem privaten Unternehmen zu fusionieren und dieses auf diesem Weg an die Börse zu bringen“, erläutert Seppi weiter. „Zum Zeitpunkt der Emission dürfen die Initiatoren noch kein konkretes Zielinvestment im Blick haben.“Zweck der Konstruktion: Spacs sollen anderen Unternehmen einen kostengünstigen Zugang zur Börse ermöglichen. Dazu müssen die Hüllen innerhalb von 24 Monaten ein geeignetes Unternehmen finden und mit ihm fusionieren. Das Zielunternehmen ist damit an der Börse notiert.
Klingt nach einem interessanten Investment – doch darin lauern Risiken. Hohe Gebühren und Vergütungen von Sponsoren mindern mögliche Renditen, die zudem geschmälert werden, wenn zu viele Spacs auf der Suche nach geeigneten Investments sind – zu viele Jäger sind der Hasen Tod. Die Gefahr steigt, dass die Zielobjekte zu teuer gekauft werden. Zwar erhalten die Investoren ihr Geld zurück, wenn die Spac kein Übernahmeobjekt findet oder es nicht zur Übernahme kommt, „aber nur in Höhe der Ersteinzahlung abzüglich laufender Kosten“, warnt Seppi. Eine faire Chance hätten dabei die ersten Investoren, die noch die Konditionen des Börsengangs beeinflussen können.
Privatanleger könnten aber nur die womöglich überteuerten Aktien kaufen und stünden „somit am Ende der Nahrungskette“. Seppi zitiert eine Studie der Stanford-universität, nach der die Initiatoren und Erstinvestoren vorneweg häufig sehr hohe Gewinne erzielen, „doch die meisten Anleger mit Aktien von Unternehmen, die über Spac-fusionen an die Börse gingen, erlitten Verluste, obwohl der Aktienmarkt insgesamt kräftig stieg“. Weitere Gefahr: „Einige Spacs könnten in ihrer Verzweiflung versehentlich schlechte oder betrügerische Unternehmen kaufen“, warnt Seppi.
Der Anlagespezialist vergleicht die Beteiligung an Spacs mit dem Erwerb einer Immobilie: Der Interessent will vielleicht in einer ihm fremden Stadt ein Haus kaufen, hat aber keine Zeit, sich darum zu kümmern. Er beauftragt einen Experten mit gutem Ruf, für ihn ein Objekt zu finden, und
„Privatanleger stehen am Ende der Nahrungskette“
nennt ihm die Eckdaten, zum Beispiel fünf Zimmer, mittlere Wohnlage und gute Verkehrsanbindung. Der Experte wird fündig, kann aber keine Angaben zu Bausubstanz oder Altlasten machen. Der Käufer müsse ihm vertrauen. So ähnlich müsse man sich auch die Spacs vorstellen: Anleger in derartige „Blankoscheck-unternehmen“würden „in die Kompetenz und das Geschick des Initiators investieren, der dementsprechend über eine gewisse Bekanntheit verfügen muss.“Wenn die Initiatoren nicht bekannt sind, greifen sie gerne auf andere Prominente, zum Beispiel Fußballspieler oder Schauspieler, zurück. Was natürlich nicht viel über die Qualität der Spac aussagt.
Unterm Strich sieht Seppi die Entwicklung mit Sorgen: „Das so rasant gestiegene Volumen der leeren Hüllen, relativ im Verhältnis zu möglichen Zielunternehmen, wird aus meiner Sicht zu gravierenden Fehlentwicklungen führen.“Da es wohl nicht genug interessante Zielunternehmen gibt, werde das „wahrscheinlich zu vielen Rückgaben von Spacs mit Verlusten für die Börsen-investoren führen“. Außerdem: „Betrügerische Investitionen werden vermehrt ans Tageslicht kommen und damit auch der Aktienkultur schaden. Es werden Fusionen zu schlechten Konditionen abgeschlossen, nur um die bestehenden buchhalterischen Zeitfenster einzuhalten und keine vorzeitigen Verluste zu realisieren.“Seppi hofft, dass die Finanzaufsicht Bafin „in Deutschland den Erwerb von Spacs für zu schützende Marktteilnehmer wie zum Beispiel Privatkunden mit höheren Hürden versieht oder gar Verbote ausspricht“. Seppi hat seine Einschätzung zu den Spacs in einem ausführlichen Kommentar zusammengefasst (www.fpm-ag.de/de/ kommentare).
Für Investoren, die interessante Geldanlagen suchen, sieht der Fondsmanager ohnehin bessere Alternativen: „Wir investieren ebenfalls in Unternehmen, aber auf Basis fundamentaler Bewertung, inklusive direkter Gespräche mit dem Management. In den letzten zwölf Monaten haben wir viele neue Geschäftsideen, insbesondere aus dem Bereich der technologischen Co2-reduzierung, als Zielinvestments zum Beispiel für unseren Fonds ‚FPM Funds Ladon‘ untersucht.“Dort gebe es ebenfalls viele Börsengänge, aber von Gesellschaften, die die hohen Hürden der Regulierung nicht gescheut haben und über sehr attraktive Geschäftsmodelle verfügen. „Wir haben nicht in Spacs investiert, und trotzdem haben unsere Investmententscheidungen für die Investoren eine sehr gute Performance erzielt“, sagt Seppi.