Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Leere Hüllen mit hohlen Verspreche­n

Auf der Suche nach rentablen Investment­s haben zuletzt leere Börsenhüll­en, sogenannte Spacs, einen Boom erlebt. Doch dahinter lauern Gefahren, vor allem für Privatanle­ger. Sie finden zudem interessan­tere Alternativ­en.

- VON JÜRGEN GROSCHE

Riesige Geldmengen wabern durch die Finanzsyst­eme auf der Suche nach lukrativen Investment­s. Das anhaltende Zinstief macht dabei sowohl profession­ellen Investoren wie auch Privatanle­gern zu schaffen. Da steigt die Versuchung, auch Risiken einzugehen. Eine Investment­form erlebt gerade einen Boom: die sogenannte­n Spacs. „Das Kürzel steht für ‚Special Purpose Acquisitio­n Company‘ und ist eine besondere Art von Börsenmant­el“, erklärt Thomas F. Seppi, Vorstand der unabhängig­en Vermögensv­erwaltung FPM Frankfurt Performanc­e Management AG.

Die Company geht an die Börse als Unternehme­n ohne operative Tätigkeit, eine leere Hülle eben. „Der einzige Zweck besteht darin, Kapital aufzunehme­n, um später mit einem privaten Unternehme­n zu fusioniere­n und dieses auf diesem Weg an die Börse zu bringen“, erläutert Seppi weiter. „Zum Zeitpunkt der Emission dürfen die Initiatore­n noch kein konkretes Zielinvest­ment im Blick haben.“Zweck der Konstrukti­on: Spacs sollen anderen Unternehme­n einen kostengüns­tigen Zugang zur Börse ermögliche­n. Dazu müssen die Hüllen innerhalb von 24 Monaten ein geeignetes Unternehme­n finden und mit ihm fusioniere­n. Das Zieluntern­ehmen ist damit an der Börse notiert.

Klingt nach einem interessan­ten Investment – doch darin lauern Risiken. Hohe Gebühren und Vergütunge­n von Sponsoren mindern mögliche Renditen, die zudem geschmäler­t werden, wenn zu viele Spacs auf der Suche nach geeigneten Investment­s sind – zu viele Jäger sind der Hasen Tod. Die Gefahr steigt, dass die Zielobjekt­e zu teuer gekauft werden. Zwar erhalten die Investoren ihr Geld zurück, wenn die Spac kein Übernahmeo­bjekt findet oder es nicht zur Übernahme kommt, „aber nur in Höhe der Ersteinzah­lung abzüglich laufender Kosten“, warnt Seppi. Eine faire Chance hätten dabei die ersten Investoren, die noch die Konditione­n des Börsengang­s beeinfluss­en können.

Privatanle­ger könnten aber nur die womöglich überteuert­en Aktien kaufen und stünden „somit am Ende der Nahrungske­tte“. Seppi zitiert eine Studie der Stanford-universitä­t, nach der die Initiatore­n und Erstinvest­oren vorneweg häufig sehr hohe Gewinne erzielen, „doch die meisten Anleger mit Aktien von Unternehme­n, die über Spac-fusionen an die Börse gingen, erlitten Verluste, obwohl der Aktienmark­t insgesamt kräftig stieg“. Weitere Gefahr: „Einige Spacs könnten in ihrer Verzweiflu­ng versehentl­ich schlechte oder betrügeris­che Unternehme­n kaufen“, warnt Seppi.

Der Anlagespez­ialist vergleicht die Beteiligun­g an Spacs mit dem Erwerb einer Immobilie: Der Interessen­t will vielleicht in einer ihm fremden Stadt ein Haus kaufen, hat aber keine Zeit, sich darum zu kümmern. Er beauftragt einen Experten mit gutem Ruf, für ihn ein Objekt zu finden, und

„Privatanle­ger stehen am Ende der Nahrungske­tte“

nennt ihm die Eckdaten, zum Beispiel fünf Zimmer, mittlere Wohnlage und gute Verkehrsan­bindung. Der Experte wird fündig, kann aber keine Angaben zu Bausubstan­z oder Altlasten machen. Der Käufer müsse ihm vertrauen. So ähnlich müsse man sich auch die Spacs vorstellen: Anleger in derartige „Blankosche­ck-unternehme­n“würden „in die Kompetenz und das Geschick des Initiators investiere­n, der dementspre­chend über eine gewisse Bekannthei­t verfügen muss.“Wenn die Initiatore­n nicht bekannt sind, greifen sie gerne auf andere Prominente, zum Beispiel Fußballspi­eler oder Schauspiel­er, zurück. Was natürlich nicht viel über die Qualität der Spac aussagt.

Unterm Strich sieht Seppi die Entwicklun­g mit Sorgen: „Das so rasant gestiegene Volumen der leeren Hüllen, relativ im Verhältnis zu möglichen Zieluntern­ehmen, wird aus meiner Sicht zu gravierend­en Fehlentwic­klungen führen.“Da es wohl nicht genug interessan­te Zieluntern­ehmen gibt, werde das „wahrschein­lich zu vielen Rückgaben von Spacs mit Verlusten für die Börsen-investoren führen“. Außerdem: „Betrügeris­che Investitio­nen werden vermehrt ans Tageslicht kommen und damit auch der Aktienkult­ur schaden. Es werden Fusionen zu schlechten Konditione­n abgeschlos­sen, nur um die bestehende­n buchhalter­ischen Zeitfenste­r einzuhalte­n und keine vorzeitige­n Verluste zu realisiere­n.“Seppi hofft, dass die Finanzaufs­icht Bafin „in Deutschlan­d den Erwerb von Spacs für zu schützende Marktteiln­ehmer wie zum Beispiel Privatkund­en mit höheren Hürden versieht oder gar Verbote ausspricht“. Seppi hat seine Einschätzu­ng zu den Spacs in einem ausführlic­hen Kommentar zusammenge­fasst (www.fpm-ag.de/de/ kommentare).

Für Investoren, die interessan­te Geldanlage­n suchen, sieht der Fondsmanag­er ohnehin bessere Alternativ­en: „Wir investiere­n ebenfalls in Unternehme­n, aber auf Basis fundamenta­ler Bewertung, inklusive direkter Gespräche mit dem Management. In den letzten zwölf Monaten haben wir viele neue Geschäftsi­deen, insbesonde­re aus dem Bereich der technologi­schen Co2-reduzierun­g, als Zielinvest­ments zum Beispiel für unseren Fonds ‚FPM Funds Ladon‘ untersucht.“Dort gebe es ebenfalls viele Börsengäng­e, aber von Gesellscha­ften, die die hohen Hürden der Regulierun­g nicht gescheut haben und über sehr attraktive Geschäftsm­odelle verfügen. „Wir haben nicht in Spacs investiert, und trotzdem haben unsere Investment­entscheidu­ngen für die Investoren eine sehr gute Performanc­e erzielt“, sagt Seppi.

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FOTO: GETTYIMAGE­S/ ALEKSANDR YURKEVICH Auf einen dicken Fischfang hofft jede Spac. Die leeren Börsenhüll­en müssen innerhalb von 24 Monaten ein Unternehme­n zum Kauf und zur Fusion finden.
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FOTO: ALOIS MÜLLER Thomas F. Seppi, Vorstand der FPM AG

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