Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
So gelingt der Börseneinstieg
Während die junge Generation beim Börseneinstieg auf modernste digitale Technik setzt, bevorzugen reifere Anleger meist den Rat unabhängiger Vermögensverwalter. Dabei ist der erste Schritt überaus einfach.
Deutschland befindet sich im Aktienfieber. Nach einer Studie der ING investierten 2020 Anleger hierzulande Rekordbeträge neu in Aktien, und auch Fonds-investments haben mit plus 32 Prozent im Vergleich zum Vorjahr deutlich zugelegt. Seit Beginn der Corona-pandemie haben inzwischen 9,6 Prozent der deutschen Bevölkerung erstmals den Schritt an die Börse gewagt, wie es von der Postbank heißt. Besonders groß ist das Interesse bei der jungen Generation, die sich ganz offensichtlich auch von der zunehmenden Digitalisierung der Geldanlage angezogen fühlt. Vermeintlich kostenlose Angebote sogenannter Neobroker verleiten zum hektischen Hin- und Hertraden mit niedrigen Euro-beträgen und schaffen so in Zeiten mangelnder Freizeitangebote zumindest einen gewissen Nervenkitzel. Dabei dürften die Ergebnisse insgesamt sogar recht gut ausgefallen sein, was allerdings weniger auf die Fähigkeiten der Neu-börsianer als vielmehr die außergewöhnlich gute Entwicklung der globalen Aktienmärkte in den vergangenen zwölf Monaten zurückzuführen ist.
Eine andere Motivation, sich erstmals etwas intensiver dem Börsengeschehen zu widmen, sieht Marcus Weeres, Leiter der Niederlassung Neuss bei der I.C.M. Independent Capital Management Gmbh, bei Sparern mit mittleren und größeren Vermögen, die sich von ihren Banken oft nicht mehr gut betreut fühlen. „So erheben inzwischen über 400 Kreditinstitute Negativzinsen von privaten Kunden. Gleichzeitig wird das Personal immer weiter reduziert und es werden damit Beratungskapazitäten abgebaut.“Um die Kunden dennoch zu halten und gleichzeitig die Profitabilität zu steigern, bietet man diesen laut Weeres häufig hauseigene Fondsprodukte an, für die die Geschäftsleitung bestimmte Vertriebsziele ausgerufen hat. „Entsprechend unstrukturiert und wenig auf die individuellen Bedürfnisse des einzelnen Anlegers abgestimmt sehen die jeweiligen Wertpapierdepots aus. Gleiches gilt auch für viele Portfolios, die bei geringer Erfahrung auf eigene Faust zusammengekauft wurden.“Nun mag bei jungen Leuten mit sehr kleinen Einsätzen das Sammeln erster Börsenerfahrungen im Vordergrund stehen, und über anfängliche Fehler kann deshalb hinweggesehen werden. Für größere Anlagebeträge, die möglicherweise noch dazu dem späteren Erwerb einer Immobilie, der Ausbildungsfinanzierung der Kinder oder gar der Absicherung des Ruhestands dienen sollen, gilt dies natürlich nicht; eine unabhängige Depotanalyse, die Überprüfung der persönlichen Risikoneigung und das Bewusstwerden der eigenen Anlageziele sind in diesen Fällen unabdingbar. Helfen kann hierbei der kostenlose Vermögens-check der V-bank, bei dem Leser der Rheinischen Post die Möglichkeit haben, ihre Wertpapierdepots von ausgewählten unabhängigen Vermögensverwaltern auf Herz und Nieren überprüfen zu lassen (siehe Infokasten). Diesem ersten, vollkommen unverbindlichen Schritt, sollte bei Bedarf die Ausarbeitung eines fundierten Anlagekonzepts folgen. Sehr viel wichtiger als die Gewinnmaximierung in guten Zeiten sei dabei die Verlustbegrenzung in schwachen Börsenphasen, erklärt Weeres. Offenkundig wird dies allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich wenn es an den Märkten auch mal wieder bergab geht. „Dann wird sich zeigen, dass das Risikomanagement bei der Geldanlage viel wichtiger ist als die Gewinnmaximierung. Das hört sich zwar nicht spannend an, hat aber schon vielen Anlegern das Vermögen gerettet.“Eine Grundvoraussetzung ist dabei die breite Diversifikation über verschiedene Anlagesegmente, was sich mit drei oder vier Fonds der Hausbank im Depot naturgemäß nicht darstellen lässt.
Gleichzeitig ist unbedingt auf die Kostenstruktur der angebotenen Finanzprodukte zu achten, so der Vermögensverwalter weiter. „Da sich große Bereiche inzwischen mit kostengünstigen ETFS abdecken lassen, dürften aktiv gemanagte Fonds in den meisten Fällen nur zweite Wahl sein. Je nach Depotgröße können dann ausgewählte Einzelaktien hinzugemischt werden. Gerade im aktuellen post-pandemischen Umfeld mit steigenden Inflationsraten setzt Weeres ergänzend zu Aktien derzeit auf weitere Sachwerte, wie etwa Edel- und Industriemetalle. „Während sich Gold in monetären Krisen besonders bewährt, dürfte die in den kommenden Monaten anstehende Befriedigung von Nachholbedürfnissen sowie die weltweit ausgerufene Energiewende unweigerlich zu weiter steigenden Preisen bei Aluminium, Kupfer, Nickel usw. führen.“