Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Der Kampf gegen die Lepra geht weiter
Seit 45 Jahren engagiert die Dinslakenerin Romana Drabik sich gegen Aussatz in der Welt. In ihrem Buch berichtet sie von ihren Reisen.
DINSLAKEN (big) „Wenn Sie Leprakranke suchen, sind Sie falsch. Diese Krankheit existiert bei uns nicht.“1990 war der damalige Gesundheitsminister von Lettland noch felsenfest überzeugt: In Europa und schon gar nicht in seinem Land würde es diese Krankheit geben. Weit gefehlt, wie er kurz darauf zugeben musste. In der Sowjetunion hatte es offiziell keine Lepra zu geben, Meldungen an die Weltgesundheitsorganisation ( WHO) waren verboten. Und so gab es keine wirklichen Erkenntnisse über die Anzahl der Leprakranken. Das änderte sich auch nach dem Zerfall des sowjetischen Großreiches nicht. Allerdings machte es der Verlauf der Geschichte nach dem Mauerfall Romana Drabik leichter, Kontakte in die ehemaligen Sowjetrepubliken zu knüpfen.
Es passierte im indischen Madras, statt wie andere nach dem aufreibenden Praxisalltag in Dinslaken den Urlaub zu genießen, arbeitete die Ärztin unentgeltlich in einer indischen Klinik. Doch die Anstrengung forderte ihren Tribut: Romana Drabik brach zusammen und bekam die Anweisung: „Du machst drei Tage Pause und erholst Dich am Strand.“Gesagt, getan – nur dass sie am Strand auf russische Wissenschaftler aus Riga traf, sie ins Gespräch kamen und es für Romana Drabik nichts Wichtigeres zu erfahren gab als: „Gibt es in Lettland und im übrigen Baltikum noch Leprakranke?“Ihre Frage wurde mit einem klaren „Ja“beantwortet.
Der erste Weg in die ehemaligen Sowjetrepubliken führte sie 1992 ins Baltikum, mit einem Lkw voller Sachspenden und der Aufschrift „Lepra“in mehreren Sprachen auf dem Transporter. Auf diese Weise kamen sie leichter durch jeden Zoll. „Bis zu unserer Ankunft in Tallin hatte die dortige Lepraärztin es nicht für möglich gehalten, dass wir aus eigener Initiative eine so abenteuerliche Reise auf uns genommen hatten, nur um Leprakranken zu helfen“, schreibt Romana Drabik in ihrem Buch „Mensch, ich habe Dich so lieb“. Selbst die Kranken, die sie mit der estnischen Ärztin besuchte, seien anfangs mehr als zurückhaltend gewesen. Romana Drabik erinnert sich: „Das typische Löwengesicht hatte ich zuvor bei einer Europäerin noch nie gesehen. Dies war ein Zeichen einer ansteckenden Form der Lepra. Auch ihre Hände und Füße waren stark verkrüppelt.“
„16 Länder der ehemaligen Sowjetunion habe ich über viele Jahre bereist und vielerorts ist es uns gelungen, die Lepra zu heilen“, berichtet Romana Drabik. „Heute gibt es im Baltikum keine Lepra mehr.“Armenien, Kasachstan, Usbekistan, Karakalpakstan, Tadschikistan, den Kaukasus, Georgien, Turkmenistan, Aserbaidschan, Kirgisien – in all diesen Ländern hat sie nach der Lepra gesucht, sie gefunden und erfolgreich bekämpft. Manchmal unter Lebensgefahr.
Die heute 85-Jährige erinnert sich an die Reise nach Samarkand 1996. Total erschöpft in einem Hotel angekommen, hatte man dort kein Zimmer mehr für Romana, Arkadius und Sohn Attyla Drabik. Nur eine Abstellkammer im hintersten Winkel konnte man ihnen anbieten. Da alle drei zu matt waren, um weiterzufahren, nahmen sie das Angebot an. Am anderen Morgen herrschte unnatürliche Stille im Hotel, überall standen die Zimmertüren offen, waren Blutspuren zu sehen. In der Nacht waren Tadschiken ins Hotel eingedrungen und hatten die Menschen getötet, nur die Drabiks in der Abstellkammer blieben verschont.
In Aserbaidschan besuchten sie ein Lepradorf in der Wüste, das abends von unzähligen Schlangen heimgesucht wurde, die auch in die halb zerfallenen Häuser der Leprakranken eindrangen. Viele dieser Geschichten erzählt Romana Drabik in ihrem Buch.
Da geht es um die abenteuerliche Reise an die Grenze zu Afghanistan, an der sie leprakranke Grenzgänger aufsuchten, dann berichtet sie über die schrecklichen Umstände, unter denen die Leprakranken unterge
bracht waren und zeigt auf, welche Hilfe Dinslaken leistete. Ihre Arbeit wurde zur Erfolgsgeschichte. Die Lepra taucht dort nur noch verschwindend gering auf, auch dank der von ihr organisierten Ausbildungen neuer Ärzte, der zahlreichen Konferenzen in Astrachan, der gegenseitigen Hilfen in den Ländern. Nicht zuletzt hat sie der WHO eine Datengrundlage geliefert, die diese sonst nie bekommen hätte.
Und wie geht es weiter? „Das Bombay Leprosory Project wird nicht ohne die Hilfe aus Dinslaken überleben, es kommen Anfragen an andere Hilfsprojekte und dann gibt es da noch Nepal mit seiner sehr hohen Leprarate.“Dort war Romana Drabik noch nicht.