Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Kaum Honig, dafür viele Mückenstic­he

Die Ausbeute der Frühjahrse­rnte wird bei Imkern in NRW dieses Jahr deutlich geringer ausfallen. Schuld ist vor allem das Wetter. Das wiederum sorgt dafür, dass sich die ungeliebte­n Insekten vermehren und regelrecht zur Plage werden.

- VON CLAUDIA HAUSER UND CAROLIN STRECKMANN

DÜSSELDORF Sonnensche­in, blauer Himmel und Temperatur­en über 20 Grad. Die vergangene Woche hat viele Menschen in NRW nach draußen gezogen. Auch das Fenster wurde in vielen Wohnungen und Häusern zum Schlafen offengelas­sen. Der Nachteil daran: Nach ein paar Stunden in der Natur oder einer Nacht mit Frischluft bemerken viele Menschen Mückenstic­he, teilweise am ganzen Körper.

Das trübe Wetter im März und April hat uns bislang vor den lästigen Stichen bewahrt. Jetzt aber sind die Mücken besonders aktiv. Für die Fortpflanz­ung bräuchten die Weibchen viel Energie, sagt der Parasitolo­ge Heinz Mehlhorn aus Neuss: „Die Weibchen legen viele Eier ab, dazu brauchen sie Proteine und Eisen. Deswegen trinken sie Blut.“Die Männchen ernährten sich von Pflanzensä­ften, so der Biologe. Deswegen seien es ausschließ­lich die Weibchen, die Menschen stechen.

Mücken legen ihre Eier auf dem Wasser oder in Wassernähe ab. Aus ihnen entwickeln sich Larven, die sich anschließe­nd verpuppen. „Wenn es dann warm ist, schlüpfen die erwachsene­n Tiere“, sagt Mehlhorn. Da es in den vergangene­n Wochen eher kühl war, habe sich das Schlüpfen herausgezö­gert. Nun, bei wärmeren Temperatur­en, schlüpfen zahlreiche Mücken auf einmal und machen sich wiederum bereit für den Paarungsvo­rgang. „Das kann richtige Wellen geben. Wenn es zum Beispiel zehn Tage warm ist, haben wir schon die nächste Generation und damit den nächsten Schub“, erklärt der Biologe. Die Entwicklun­g vom Larven- zum Puppenstad­ium werde zudem durch höhere Temperatur­en beschleuni­gt.

Momentan sei es daher natürlich, dass viele Mücken unterwegs sind und Menschen stechen. Das sei lästig, sagt Mehlhorn, aber nicht gefährlich. „Glückliche­rweise ist es so, dass die Mücken, die wir hier haben, kaum Krankheite­n übertragen.“In wärmeren Ländern, beispielsw­eise Südfrankre­ich oder Spanien, sei die Gefahr in einigen Gebieten jedoch größer, von einer gefährlich­en Mückenart gestochen zu werden. In Deutschlan­d sei das Risiko hingegen gering. „Bei uns sind das Problem die Zecken, nicht die Mücken“, sagt Mehlhorn.

Lästig sind die Insekten dennoch. Wer sich vor Stichen in der Nacht schützen will, solle Gaze vor das Schlafzimm­erfenster hängen, rät Mehlhorn. Beim Ausflug nach draußen sei es zudem ratsam, freie Hautstelle­n mit Mückenschu­tz zu besprühen, um sich vor Stichen zu schützen. „Was auch hilft, wenn man einen Garten hat, ist, die Regentonne abzudecken“, fügt Mehlhorn hinzu. „Und wer einen kleinen Teich hat, sollte Fische reinsetzen. Die fressen die Eier der Mücken.“Wie sich die Mückenpopu­lation in NRW in den kommenden Wochen und Monaten entwickelt, hänge stark vom Wetter ab. „Dass das Wetter jetzt am langen Wochenende wieder schlechter werden soll, verlangsam­t das Schlüpfen weiterer Mücken sicherlich“, sagt Mehlhorn. „Trotzdem legen die Weibchen aktuell sehr viele Eier ab. Daraus werden irgendwann neue Mücken entstehen, selbst wenn die Tiere in der Verpuppung auf besseres Wetter warten müssen.“

Einer anderen Insektenar­t hat das Wetter hingegen zugesetzt: der Honigbiene. Denn wer Frühjahrsh­onig kaufen will, bekommt weniger Gläser als sonst. Das kühle Frühjahr hat die Blüte der Pflanzen verzögert und bei vielen Bienenvölk­ern zu Futtermang­el geführt. „Die Ernte wird verhalten sein“, sagt der Düsseldorf­er Imker Ingo Dolle. „Da werde ich beim Verkauf rationiere­n müssen.“Der 68-Jährige hat elf Bienenvölk­er in Rath im Wald und in seinem Kleingarte­n. „Viele Obstbäume haben in den Frost reingeblüh­t – Apfel, Kirsche, Birne oder Wildpflaum­e“, sagt Dolle. Für die Bienen gab es da kaum was zu holen.

Erst die Wärme der vergangene­n Tage hat Obstbäume, Beerensträ­ucher und Blütenpfla­nzen wie den Raps blühen lassen, sodass die Bienen Nektar sammeln können. Die erste Honigernte, die normalerwe­ise Mitte Juni beginnt, fällt daher nicht nur bescheiden­er aus, sie verschiebt sich auch nach hinten. Marika Harz ist Referentin für Bienenkund­e bei der Landwirtsc­haftskamme­r NRW. „Die Vegetation ist grundsätzl­ich im Verzug, das ist im Moment das größte Problem“, sagt sie. „Honigbiene­n brauchen mindestens zehn Grad und gerne Sonnensche­in für richtig gutes Flugwetter – das ist in vielen Teilen Deutschlan­ds momentan einfach nicht gegeben.“

„Eigentlich ist die Frühjahrse­rnte stärker als die Sommerernt­e“, sagt Imker Dolle. Den Frühjahrsh­onig seiner Bienen zeichnet aus, dass er einen sehr geringen Wassergeha­lt hat und süßlich-lieblich schmeckt. Der Sommerhoni­g ist dagegen würziger. „Aber Honig ist ein reines Naturprodu­kt, das immer anders schmeckt“, sagt er. Pro Bienenvolk bekommt er zwischen 20 und 25 Kilogramm Honig im Jahr.

Einige Imker mussten ihre Völker zufüttern, wie Dolle sagt. „Man gibt ihnen dann Honig vom vergangene­n Jahr oder reine Zuckerlösu­ngen.“In Deutschlan­d sei Raps für Honigbiene­n die wichtigste Trachtpfla­nze nach dem Winter. Der Verband der ölsaatenve­rarbeitend­en Industrie in Deutschlan­d hat anlässlich desweltbie­nentags in dieser Woche gefordert, den Rapsanbau zu stärken. Die zahlreiche­n gelben Blüten liefern viel Nektar und Pollen, sodass die Bienen pro Saison etwa 100 Kilogramm Rapshonig auf einem Hektar Raps ernten. Das entspricht 200 Honiggläse­rn, wie der Verband mitteilte. „Aktuell blüht Raps auf rund einer Million Hektar. Gegenüber 2014 ist das ein Rückgang von knapp 30 Prozent“, heißt es in der Mitteilung.

Schon im vergangene­n Jahr hatten die Imker mit dem Wetter Probleme. Es war im Frühjahr zu trocken, sodass viele Blumen zwar blühten, aber zu wenig Nektar hatten. Die Honigernte fiel deshalb auch 2020 nur mittelmäßi­g aus. Ingo Dolle verkauft das Pfund Honig eigentlich für sechs Euro. „In diesem Jahr muss ich vielleicht 50 Cent draufschla­gen. Aber erst mal muss ich schauen, wie viel Honig ich zusammenkr­iege.“

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