Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Kaum Honig, dafür viele Mückenstiche
Die Ausbeute der Frühjahrsernte wird bei Imkern in NRW dieses Jahr deutlich geringer ausfallen. Schuld ist vor allem das Wetter. Das wiederum sorgt dafür, dass sich die ungeliebten Insekten vermehren und regelrecht zur Plage werden.
DÜSSELDORF Sonnenschein, blauer Himmel und Temperaturen über 20 Grad. Die vergangene Woche hat viele Menschen in NRW nach draußen gezogen. Auch das Fenster wurde in vielen Wohnungen und Häusern zum Schlafen offengelassen. Der Nachteil daran: Nach ein paar Stunden in der Natur oder einer Nacht mit Frischluft bemerken viele Menschen Mückenstiche, teilweise am ganzen Körper.
Das trübe Wetter im März und April hat uns bislang vor den lästigen Stichen bewahrt. Jetzt aber sind die Mücken besonders aktiv. Für die Fortpflanzung bräuchten die Weibchen viel Energie, sagt der Parasitologe Heinz Mehlhorn aus Neuss: „Die Weibchen legen viele Eier ab, dazu brauchen sie Proteine und Eisen. Deswegen trinken sie Blut.“Die Männchen ernährten sich von Pflanzensäften, so der Biologe. Deswegen seien es ausschließlich die Weibchen, die Menschen stechen.
Mücken legen ihre Eier auf dem Wasser oder in Wassernähe ab. Aus ihnen entwickeln sich Larven, die sich anschließend verpuppen. „Wenn es dann warm ist, schlüpfen die erwachsenen Tiere“, sagt Mehlhorn. Da es in den vergangenen Wochen eher kühl war, habe sich das Schlüpfen herausgezögert. Nun, bei wärmeren Temperaturen, schlüpfen zahlreiche Mücken auf einmal und machen sich wiederum bereit für den Paarungsvorgang. „Das kann richtige Wellen geben. Wenn es zum Beispiel zehn Tage warm ist, haben wir schon die nächste Generation und damit den nächsten Schub“, erklärt der Biologe. Die Entwicklung vom Larven- zum Puppenstadium werde zudem durch höhere Temperaturen beschleunigt.
Momentan sei es daher natürlich, dass viele Mücken unterwegs sind und Menschen stechen. Das sei lästig, sagt Mehlhorn, aber nicht gefährlich. „Glücklicherweise ist es so, dass die Mücken, die wir hier haben, kaum Krankheiten übertragen.“In wärmeren Ländern, beispielsweise Südfrankreich oder Spanien, sei die Gefahr in einigen Gebieten jedoch größer, von einer gefährlichen Mückenart gestochen zu werden. In Deutschland sei das Risiko hingegen gering. „Bei uns sind das Problem die Zecken, nicht die Mücken“, sagt Mehlhorn.
Lästig sind die Insekten dennoch. Wer sich vor Stichen in der Nacht schützen will, solle Gaze vor das Schlafzimmerfenster hängen, rät Mehlhorn. Beim Ausflug nach draußen sei es zudem ratsam, freie Hautstellen mit Mückenschutz zu besprühen, um sich vor Stichen zu schützen. „Was auch hilft, wenn man einen Garten hat, ist, die Regentonne abzudecken“, fügt Mehlhorn hinzu. „Und wer einen kleinen Teich hat, sollte Fische reinsetzen. Die fressen die Eier der Mücken.“Wie sich die Mückenpopulation in NRW in den kommenden Wochen und Monaten entwickelt, hänge stark vom Wetter ab. „Dass das Wetter jetzt am langen Wochenende wieder schlechter werden soll, verlangsamt das Schlüpfen weiterer Mücken sicherlich“, sagt Mehlhorn. „Trotzdem legen die Weibchen aktuell sehr viele Eier ab. Daraus werden irgendwann neue Mücken entstehen, selbst wenn die Tiere in der Verpuppung auf besseres Wetter warten müssen.“
Einer anderen Insektenart hat das Wetter hingegen zugesetzt: der Honigbiene. Denn wer Frühjahrshonig kaufen will, bekommt weniger Gläser als sonst. Das kühle Frühjahr hat die Blüte der Pflanzen verzögert und bei vielen Bienenvölkern zu Futtermangel geführt. „Die Ernte wird verhalten sein“, sagt der Düsseldorfer Imker Ingo Dolle. „Da werde ich beim Verkauf rationieren müssen.“Der 68-Jährige hat elf Bienenvölker in Rath im Wald und in seinem Kleingarten. „Viele Obstbäume haben in den Frost reingeblüht – Apfel, Kirsche, Birne oder Wildpflaume“, sagt Dolle. Für die Bienen gab es da kaum was zu holen.
Erst die Wärme der vergangenen Tage hat Obstbäume, Beerensträucher und Blütenpflanzen wie den Raps blühen lassen, sodass die Bienen Nektar sammeln können. Die erste Honigernte, die normalerweise Mitte Juni beginnt, fällt daher nicht nur bescheidener aus, sie verschiebt sich auch nach hinten. Marika Harz ist Referentin für Bienenkunde bei der Landwirtschaftskammer NRW. „Die Vegetation ist grundsätzlich im Verzug, das ist im Moment das größte Problem“, sagt sie. „Honigbienen brauchen mindestens zehn Grad und gerne Sonnenschein für richtig gutes Flugwetter – das ist in vielen Teilen Deutschlands momentan einfach nicht gegeben.“
„Eigentlich ist die Frühjahrsernte stärker als die Sommerernte“, sagt Imker Dolle. Den Frühjahrshonig seiner Bienen zeichnet aus, dass er einen sehr geringen Wassergehalt hat und süßlich-lieblich schmeckt. Der Sommerhonig ist dagegen würziger. „Aber Honig ist ein reines Naturprodukt, das immer anders schmeckt“, sagt er. Pro Bienenvolk bekommt er zwischen 20 und 25 Kilogramm Honig im Jahr.
Einige Imker mussten ihre Völker zufüttern, wie Dolle sagt. „Man gibt ihnen dann Honig vom vergangenen Jahr oder reine Zuckerlösungen.“In Deutschland sei Raps für Honigbienen die wichtigste Trachtpflanze nach dem Winter. Der Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland hat anlässlich desweltbienentags in dieser Woche gefordert, den Rapsanbau zu stärken. Die zahlreichen gelben Blüten liefern viel Nektar und Pollen, sodass die Bienen pro Saison etwa 100 Kilogramm Rapshonig auf einem Hektar Raps ernten. Das entspricht 200 Honiggläsern, wie der Verband mitteilte. „Aktuell blüht Raps auf rund einer Million Hektar. Gegenüber 2014 ist das ein Rückgang von knapp 30 Prozent“, heißt es in der Mitteilung.
Schon im vergangenen Jahr hatten die Imker mit dem Wetter Probleme. Es war im Frühjahr zu trocken, sodass viele Blumen zwar blühten, aber zu wenig Nektar hatten. Die Honigernte fiel deshalb auch 2020 nur mittelmäßig aus. Ingo Dolle verkauft das Pfund Honig eigentlich für sechs Euro. „In diesem Jahr muss ich vielleicht 50 Cent draufschlagen. Aber erst mal muss ich schauen, wie viel Honig ich zusammenkriege.“