Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Zehn Jahre Haft für Brandstiftung in Moria
MORIA Wie kein anderer Ort stand das Camp auf der Ägäisinsel Lesbos für die elenden, menschenunwürdigen Lebensbedingungen Zehntausender Migranten in Griechenland. Bis zu 20.000 Schutzsuchende hausten hier in Unterkünften, die nur für 2800 Personen ausgelegt waren. Hilfsorganisationen sprachen von Moria als der „Schande Europas“, Bewohner nannten es die „Hölle“. In der Nacht zum 9. September 2020 zerstörte ein Brand die Wohncontainer, Zelte und Hütten. Wie durch ein Wunder konnten sich alle der damals rund 13.000 Lagerbewohner unverletzt vor dem Feuersturm retten. Viele von ihnen haben inzwischen Asyl bekommen und sind aufs griechische Festland oder in andere Länder gezogen. Etwa 5500 leben heute noch aus Lesbos im provisorischen Zeltlager Mavrovouni/kara Tepe.
Schon unmittelbar nach der Feuerkatastrophe gab es Hinweise auf Brandstiftung. Handy-videos zeigten, wie mehrere junge Männer mit Benzinkanistern und brennenden Lunten durch das Lager liefen, Zelte und Container in Brand steckten. Sechs Verdächtige wurden aufgrund von Zeugenaussagen festgenommen. Nachdem ein Gericht in der Inselhauptstadt Mytilini bereits im März zwei 17-jährige Afghanen wegen Brandstiftung nach dem Jugendstrafrecht zu jeweils fünf Jahren Haft verurteilte, standen jetzt auf der Nachbarinsel Chios die übrigen vier jungen Männer vor Gericht. Gegen die Afghanen im Alter von 19 und 20 Jahren wurde als Erwachsene verhandelt. Am Samstag sprach das Gericht die Urteile: jeweils zehn Jahre Haft wegen vorsätzlicher Brandstiftung. Die jungen Männer sollen das Feuer gelegt haben, um so ihre Übersiedlung auf das Festland zu erzwingen.
Aber das Urteil ist umstritten. Wegen der Corona-beschränkungen fand der zweitägige Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit und der Medien statt. Die Verteidiger der vier Angeklagten kündigten Berufung an. Ihre Mandaten hätten kein faires Verfahren bekommen, kritisieren sie. So konnte der Hauptbelastungszeuge, ebenfalls ein Afghane, nicht gehört werden, weil er angeblich nicht mehr auffindbar war.
Auch seien drei der vier Angeklagten zur Tatzeit noch minderjährig gewesen und hätten deshalb nicht als Erwachsene verurteilt werden dürfen, argumentieren die Anwälte. Ob und wann der Prozess neu aufgerollt wird, ist ungewiss.