Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Erinnerung­en an wunderbare Schule

Das Ende einer Ära: Heute wird der letzte Jahrgang der 1960 gegründete­n Realschule Wesel Mitte verabschie­det. Der Rat hatte 2015 das Auslaufen der Schule zugunsten einer Gesamtschu­le beschlosse­n.

- VON KLAUS NIKOLEI

Das Ende einer Ära: Am heutigen Mittwoch wird der letzte Jahrgang der 1960 gegründete­n Realschule Wesel-mitte verabschie­det.

Irgendwann am späten Mittwochna­chmittag wird die Realschule Wesel Mitte Geschichte sein. Und zwar genau dann, wenn die 60 Zehntkläss­ler im Bühnenhaus ihre Abschlussz­eugnisse erhalten haben, alle Reden gehalten sind und der Bühnenhaus-hausmeiste­r das Licht gelöscht hat.

Der 23. Juni 2021 wird vor allem für Manfred Mölder (84) und Uwe Steidle (58), die der Abschlussf­eier als geladene Gäste beiwohnen, ein trauriger Tag sein. Denn der ehemalige Direktor (Anfang 1984 bis Mitte 2001) und der Vorsitzend­e des 1985 gegründete­n Ehemaligen­vereins können sich bis heute nur schwer damit abfinden, dass eine Mehrheit im Weseler Stadtrat im Sommer 2015 gegen die Stimmen von CDU und FDP das Auslaufen der Realschule Mitte (und der Martini-hauptschul­e) zugunsten einer Innenstadt-dependance der Gesamtschu­le Am Lauerhaas beschlosse­n hatten. Die höchst umstritten­e Entscheidu­ng war damals von Protesten begleitet, unter anderem vom Stadtelter­nrat.

„Das war damals rein ideologisc­he Entscheidu­ng. Ich darf zu Hause bei meiner Frau das Wort Realschule nicht erwähnen. Dann meint sie immer, ich solle mich nicht so aufregen.“Manfred Mölder bleibt allerdings ruhig, während er das sagt. Der Wahl-hamminkeln­er hat der Interviewa­nfrage unserer Redaktion kürzlich sofort zugestimmt. Auch dass Uwe Steidle mit am Tisch sitzt, freut ihn sehr. Die beiden kennen und schätzen sich seit langem. Und sie eint eine ganz besondere Liebe zur ihrer Realschule.

1966, Uwe Steidle war gerade mal drei Jahre alt, kam Mölder als Lehrer zur 1960 gegründete­n Städtische­n Realschule Wesel für Jungen und Mädchen, wie sie damals noch hieß. Mölders Chef damals war Paul Bernds, den er 18 Jahre später beerben sollte. Erfahrunge­n in der Schulleitu­ng sammelte er ab 1979 als stellvertr­etender Leiter der Konrad-duden-realschule in der Feldmark. Dorthin war Mölder 1972 gewechselt.

„Unsere Realschule war eine große Schule mit teilweise mehr als 800 Schülern, die auch aus Brünen, aus Schermbeck-bricht und -Damm zu uns kamen. Und fast aus allen ist etwas geworden“, sagt Mölder. Uwe Steidle (Abschlussj­ahrgang 1979) nickt. „Die meisten haben erfolgreic­h eine Ausbildung absolviert und Karriere gemacht. Einige haben das Abi nachgemach­t, sind vereinzelt sogar als Lehrer an die Schule zurückgeko­mmen. Einer ist sogar Professor geworden, andere sind in der Politik gelandet.“Steidle, selbst Unternehme­r in Wesel und Vater von drei Kindern („Unsere Jüngste war in Mitte, die beiden anderen in der Duden-realschule, weil wir in Lackhausen wohnen“), blättert in einem Fotoalbum des Ehemaligen­vereins. Dann zeigt er auf eine junge Frau mit Locken und Brille. Das Bild stammt aus den frühen 90er Jahren. „Das ist Ulla Hornemann, die ehemalige stellvertr­etende Bürgermeis­terin. Die war bei uns. Und natürlich auch unsere Bürgermeis­terin Ulrike Westkamp.“

Ja, die guten alten Zeiten. Die beiden Männer geraten ins Schwärmen. „Vor allem im Sport waren wir damals Spitze“, sagt Uwe Steidle, seit Jahren Übungsleit­er einer Altherren-truppe beim Weseler Turnverein ( WTV) und bei der GSW. Bei den Vergleichs­kämpfen der Nordrheini­schen Realschule­n habe man mehrfach den Emmi-pokal gewonnen. „Wir hatten aber auch zwei tolle Sportlehre­r: Georg Motnik und später Hans Bosserhoff“, ergänzt Manfred Mölder. Hans Bosserhoff sieht er regelmäßig beim Pensionärt­reffen. „Wir sind eine verschwore­ne Gemeinscha­ft von 15 bis 20 ehemaligen Lehrern im Alter von 65 bis 89 und haben uns vor Corona gut drei Mal im Jahr gesehen.“Ende Juli steht das erste Treffen seit langer Zeit auf dem Programm.

Doch nicht nur sportlich war die Realschule Wesel Mitte top. Auch auf Geselligke­it (unter anderem Schulfeste und die legendären Adventsbas­are im Dezember) und kulturelle Veranstalt­ungen wurde stets großen Wert gelegt. Für den früheren Schulleite­r war die mehrfach ausverkauf­te Aufführung „Der kleine Prinz“im Bühnenhaus 1985 ein Höhepunkt. Nicht zu vergessen die Auftritte des von Cornelia Sauer geleiteten Chors und der Band Season ’84, die Musiklehre­r Dieter Hemmerle unter seine Fittiche genommen hatte. Stolz ist Manfred Mölder auch darauf, dass die Schule Mitte der 80er Jahren einen Technikrau­m bekam, Musik und Technik (auch für Mädchen) als Leistungsk­urse angeboten wurden. Uwe Steidle erinnert sich noch daran, dass es zu seiner Zeit Mofa-kurse gab und er in der Hauswirtsc­hafts-ag das Kochen gelernt hat. „Davon profitiere ich bis heute.“Außerdem gehörte die Realschule Mitte zu den ersten Schulen in NRW, in denen ein Sprachlabo­r eingericht­et wurde.

Auch wenn das alles nun Geschichte ist, der Fördervere­in schon lange aufgelöst ist, das Schulschil­d demnächst abgeschrau­bt wird, Stempel und Briefbögen vernichtet werden, wird eines bleiben. „Und das sind“, sagt Uwe Steidle, „die Menschen, die hier gelehrt, und die Menschen, die hier gelernt haben.“Genauso hat er es formuliert in seiner Rede, die er heute Nachmittag im Bühnenhaus als Vorsitzend­er des Ehemaligen­vereins hält. Er wird den Entlasssch­ülern deutlich machen, „dass eure Erinnerung­en, euer Wissen und die Geschichte­n, die ihr euch irgendwann mal bei einem Klassentre­ffen erzählt, für immer bleiben“. Und bei dieser Gelegenhei­t wird Uwe Steidle dafür werben, sich irgendwann dem aktuell gut 200 Mitglieder starken Ehemaligen­verein anzuschlie­ßen. Gegründet unmittelba­r nach Ende der 25-Jahr-feier in der Weseler Niederrhei­nhalle am 27. April 1985, lädt der Verein ein bis zwei Mal im Jahr zum geselligen Zusammense­in. Klar, dass auch Manfred Mölder Mitglied ist und bei den Treffen mit ehemaligen Kollegen und Schüler in Erinnerung­en schwelgt. „Es waren ja auch wirklich tolle Jahre in einer wunderbare­n Schule“, sagt er. Uwe Steidle nickt und lächelt. Er denkt genauso.

 ??  ??
 ??  ?? Ohne Parka lief 1977 modisch gar nichts. Uwe Steidle, mittlerwei­le 58, fotografie­rte damals einige seiner Klassenkam­eraden der 8b.
Ohne Parka lief 1977 modisch gar nichts. Uwe Steidle, mittlerwei­le 58, fotografie­rte damals einige seiner Klassenkam­eraden der 8b.
 ?? REPROS (4): STEIDLE ?? Bis zu 50 Lehrerinne­n und Lehrer gehörten in Hochzeiten dem Kollegium der Städtische­n Realschule Wesel Mitte an. Dieses Foto entstand 1980. Damals war Paul Bernds noch Direktor.
REPROS (4): STEIDLE Bis zu 50 Lehrerinne­n und Lehrer gehörten in Hochzeiten dem Kollegium der Städtische­n Realschule Wesel Mitte an. Dieses Foto entstand 1980. Damals war Paul Bernds noch Direktor.
 ?? RP-FOTO: NIKOLEI ?? Schwelgen auf Einladung unserer Redaktion in Erinnerung­en: der frühere Realschul-leiter Manfred Mölder (r.) und Uwe Steidle, Vorsitzend­er des Ehemaligen­vereins.
RP-FOTO: NIKOLEI Schwelgen auf Einladung unserer Redaktion in Erinnerung­en: der frühere Realschul-leiter Manfred Mölder (r.) und Uwe Steidle, Vorsitzend­er des Ehemaligen­vereins.
 ??  ?? Wie die Zeit vergeht: Vor fast genau 13 Jahren, am 25. Juni 2008, wurde Realschull­ehrer und RP-MITarbeite­r Helmut Scheffler (l.) zum Abschied von Uwe Steidle in einem Oldtimer abgeholt.
Wie die Zeit vergeht: Vor fast genau 13 Jahren, am 25. Juni 2008, wurde Realschull­ehrer und RP-MITarbeite­r Helmut Scheffler (l.) zum Abschied von Uwe Steidle in einem Oldtimer abgeholt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany