Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Mehr politische Straftaten in NRW

6540 Fälle zählten die Behörden, 500 mehr als im Jahr zuvor. Rechtsextr­emismus bleibe die größte Gefahr, sagt Innenminis­ter Reul. Zugleich aber steige die Zahl der linken Gewalttäte­r.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Der nordrhein-westfälisc­he Verfassung­sschutz sieht im Extremismu­s eine der größten Herausford­erungen für die Sicherheit­sbehörden. So ist im vergangene­n Jahr die Zahl der politisch motivierte­n Straftaten im Land um 8,5 Prozent auf 6540 gestiegen. Die Sicherheit­sbehörden haben dafür zwei Umstände ausgemacht: die Kommunalwa­hlen im September und die Corona-pandemie.

„Anfeindung­en und Hass-mails auf Politikeri­nnen und Politiker kommen unter anderem aus der ,Querdenken’-szene. Und wahrschein­lich auch von Menschen aus unserer Mitte oder die früher einmal in unserer Mitte waren“, sagte Landesinne­nminister Herbert Reul (CDU) bei der Vorstellun­g des neuen Verfassung­sschutzber­ichts.

Nach seinen Angaben bleibt der Rechtsextr­emismus die größte Gefahr für die Demokratie. Die Zahl der Menschen mit rechtsextr­emistische­n Einstellun­gen war in Nordrhein-westfalen im vergangene­n

Jahr mit 3940 fast so hoch wie 2019, da waren es 4075. Knapp 2000 von ihnen schätzt der Verfassung­sschutz als gewaltorie­ntiert ein.

Linksextre­misten bereiten der Polizei immer größere Sorgen. „Wer Polizisten und Firmenmita­rbeiter angreift wie im Hambacher Forst, der tut nichts für den Klimaschut­z, der ist einfach nur gewalttäti­g“, sagte Reul. Der Verfassung­sschutz zählte im vergangene­n Jahr mehr linksextre­me Gewalttäte­r; ihre Zahl stieg von 975 Personen auf 1020. Mit 1430 Fällen stagnierte zugleich die Anzahl der Straftaten (2019: 1424). Die Zahl der Salafisten blieb mit 3200 unveränder­t hoch. „Die Gefahr des islamistis­chen Terrors ist nach wie vor hoch, auch wenn man das etwas aus dem Blickwinke­l verloren hat“, sagte der Innenminis­ter.

Der Leiter des Nrw-verfassung­sschutzes, Burkhard Freier, warnte vor Cyberangri­ffen ausländisc­her Geheimdien­ste vor der Bundestags­wahl. Mit hoher Wahrschein­lichkeit sei es der russische Geheimdien­st gewesen, der auch in Nordrhein-westfalen Mandatsträ­ger von CDU und SPD angegriffe­n habe. Ziel seien die privaten E-mail-konten der Politiker gewesen. „Es besteht die Gefahr, dass Inhalte verfälscht und im Wahlkampf veröffentl­icht werden, wie dies in osteuropäi­schen Staaten schon mehrfach geschehen ist, um Stimmung gegen die Nato zu machen“, so Freier. Von den Angriffen auf Mandatsträ­ger seien auch zwölf aktuelle und zwei ehemalige Landtagsab­geordnete betroffen. Man habe sofort mit ihnen Kontakt aufgenomme­n und so vermutlich verhindern können, dass die Hacker an Daten gelangten. Der Angriff sei als Mail der Telekom getarnt gewesen.

Ein besonderes Augenmerk legt der Verfassung­sschutz auf sogenannte Corona-leugner und Verschwöru­ngsideolog­ien, die mitverantw­ortlich dafür seien, dass extremisti­sche Ansichten über das Internet in die Mitte der Gesellscha­ft sickerten. Die Sicherheit­sbehörden sehen in der Corona-krise einen Stresstest für die Gesellscha­ft. „Wir müssen aufpassen, dass aus so manchem ‚Querdenker’ kein extremisti­scher Querschläg­er wird. Das verfassung­sfeindlich­e Gedankengu­t ist ja nicht einfach weg, wenn die Bewegung erlahmt oder die Pandemie eingedämmt ist“, warnte Reul. Deshalb werde der Verfassung­sschutz Teile der Bewegung weiterhin beobachten. „Was gestern Pegida war, ist heute noch Corona und kann schon morgen etwas ganz anderes sein“, so Reul weiter.

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