Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Mehr politische Straftaten in NRW
6540 Fälle zählten die Behörden, 500 mehr als im Jahr zuvor. Rechtsextremismus bleibe die größte Gefahr, sagt Innenminister Reul. Zugleich aber steige die Zahl der linken Gewalttäter.
DÜSSELDORF Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz sieht im Extremismus eine der größten Herausforderungen für die Sicherheitsbehörden. So ist im vergangenen Jahr die Zahl der politisch motivierten Straftaten im Land um 8,5 Prozent auf 6540 gestiegen. Die Sicherheitsbehörden haben dafür zwei Umstände ausgemacht: die Kommunalwahlen im September und die Corona-pandemie.
„Anfeindungen und Hass-mails auf Politikerinnen und Politiker kommen unter anderem aus der ,Querdenken’-szene. Und wahrscheinlich auch von Menschen aus unserer Mitte oder die früher einmal in unserer Mitte waren“, sagte Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) bei der Vorstellung des neuen Verfassungsschutzberichts.
Nach seinen Angaben bleibt der Rechtsextremismus die größte Gefahr für die Demokratie. Die Zahl der Menschen mit rechtsextremistischen Einstellungen war in Nordrhein-westfalen im vergangenen
Jahr mit 3940 fast so hoch wie 2019, da waren es 4075. Knapp 2000 von ihnen schätzt der Verfassungsschutz als gewaltorientiert ein.
Linksextremisten bereiten der Polizei immer größere Sorgen. „Wer Polizisten und Firmenmitarbeiter angreift wie im Hambacher Forst, der tut nichts für den Klimaschutz, der ist einfach nur gewalttätig“, sagte Reul. Der Verfassungsschutz zählte im vergangenen Jahr mehr linksextreme Gewalttäter; ihre Zahl stieg von 975 Personen auf 1020. Mit 1430 Fällen stagnierte zugleich die Anzahl der Straftaten (2019: 1424). Die Zahl der Salafisten blieb mit 3200 unverändert hoch. „Die Gefahr des islamistischen Terrors ist nach wie vor hoch, auch wenn man das etwas aus dem Blickwinkel verloren hat“, sagte der Innenminister.
Der Leiter des Nrw-verfassungsschutzes, Burkhard Freier, warnte vor Cyberangriffen ausländischer Geheimdienste vor der Bundestagswahl. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei es der russische Geheimdienst gewesen, der auch in Nordrhein-westfalen Mandatsträger von CDU und SPD angegriffen habe. Ziel seien die privaten E-mail-konten der Politiker gewesen. „Es besteht die Gefahr, dass Inhalte verfälscht und im Wahlkampf veröffentlicht werden, wie dies in osteuropäischen Staaten schon mehrfach geschehen ist, um Stimmung gegen die Nato zu machen“, so Freier. Von den Angriffen auf Mandatsträger seien auch zwölf aktuelle und zwei ehemalige Landtagsabgeordnete betroffen. Man habe sofort mit ihnen Kontakt aufgenommen und so vermutlich verhindern können, dass die Hacker an Daten gelangten. Der Angriff sei als Mail der Telekom getarnt gewesen.
Ein besonderes Augenmerk legt der Verfassungsschutz auf sogenannte Corona-leugner und Verschwörungsideologien, die mitverantwortlich dafür seien, dass extremistische Ansichten über das Internet in die Mitte der Gesellschaft sickerten. Die Sicherheitsbehörden sehen in der Corona-krise einen Stresstest für die Gesellschaft. „Wir müssen aufpassen, dass aus so manchem ‚Querdenker’ kein extremistischer Querschläger wird. Das verfassungsfeindliche Gedankengut ist ja nicht einfach weg, wenn die Bewegung erlahmt oder die Pandemie eingedämmt ist“, warnte Reul. Deshalb werde der Verfassungsschutz Teile der Bewegung weiterhin beobachten. „Was gestern Pegida war, ist heute noch Corona und kann schon morgen etwas ganz anderes sein“, so Reul weiter.