Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Den Wirecard-skandal einfach weggelächelt
Es gibt zwar ein Sondervotum der Oppositionsparteien, aber im Grunde sind sich alle Fraktionen einig, auch die der großen Koalition: Der Wirecard-untersuchungsausschuss des Bundestags hat in monatelanger guter Arbeit eine unerträgliche, absurde und merkwürdige Häufung von Versagen und Fehlern der Aufsichtsbehörden und der Bilanzprüfer des einstigen Dax-konzerns zutage gefördert. Drei Milliarden Euro oder mehr wurden veruntreut, erfunden oder verbrannt, den Schaden tragen die Anleger, die teils hohe Summen verloren haben. Auch der Finanz- und Wirtschaftsstandort Deutschland hat gelitten und viel internationales Ansehen verloren. Doch die politischen Konsequenzen blieben weitgehend aus.
Die SPD habe sich schützend vor ihren Kanzlerkandidaten, Finanzminister Olaf Scholz, gestellt, beklagt die Union. Aber sie sagt es erst jetzt laut und deutlich, mitten im Wahlkampf. Tatsächlich sollte Scholz eigentlich die politische Hauptverantwortung tragen, doch er lächelt sich bisher erfolgreich durch diesen Skandal hindurch. Über seinen Finanzstaatssekretär Jörg Kukies, der über das aus heutiger Sicht unfassbare Verhalten der Finanzaufsicht Bafin stets informiert war, hält Scholz bis heute seine schützende Hand. Der Minister rettete sich zudem mit einem gesetzgeberischen Aktionsplan in die Offensive. Die Finanzaufsicht soll etwa mehr Rechte und Personal erhalten. Nun kann Scholz stets auf seinen Aktionsplan verweisen.
Der Skandal bleibt also am Ende weniger an Scholz hängen, als eigentlich zu erwarten gewesen war. Daran trägt auch die Union Mitschuld, die aus Gründen des Koalitionsfriedens allzu zahm mit dem Vizekanzler umgegangen ist. Vertrauen in die parlamentarische Aufklärung und den Sinn von Untersuchungsausschüssen fördert man so aber nicht.