Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Leuchtturm in der Krise
Der 19. Bundestag beginnt seine letzte Sitzungswoche. Es waren herausfordernde Jahre.
Am Ende dieser Woche werden die Saaldiener die Türen des Plenarsaals schließen: Die parlamentarische Sommerpause beginnt, die letzte vor der Wahl. Es waren herausfordernde vier Jahre für das Parlament. Der 19. Deutsche Bundestag war der größte, den es je gab: 709 Abgeordnete, sechs Fraktionen. Die FDP kehrte zurück. Die AFD zog erstmals ein – eine Partei, die verächtlich macht, für was das Parlament in der Demokratie steht. Und die dennoch beharrlich parlamentarische Rechte für sich einfordert. Dass es der AFD bis zum Schluss nicht gelungen ist, einen Vizepräsidenten des Deutschen Bundestags zu stellen, weil ihn die anderen Parlamentarier schlicht nicht wählen wollten, ist die Folge.
An einem denkwürdigen Tag im August stand der ehrwürdige Reichstag kurz vor einer Stürmung – auch etwas, dass man sich vor der vergangenen Wahl nicht hätte ausmalen können. Lediglich drei Polizisten sicherten die Glastüren des Parlaments. Im Herbst dann schleusten Afd-politiker Gegner der staatlichen Corona-maßnahmen ins Parlament – die unter anderem Regierungsmitglieder wie Wirtschaftsminister Peter Altmaier auf das Heftigste beschimpften. Bundestagsabgeordnete, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundestages fürchteten um ihre Sicherheit, schlossen ihre Bürotüren ab. Es hat sich etwas verändert, und das nicht nur aufgrund der Pandemie. Die wiederum brachte emotionsgeladene Debatten und dramatische Ansprachen mit sich. Freiheitsrechte wurden eingeschränkt und beschnitten, Notlagen festgestellt, Notbremsen verabschiedet. Handlungsfähig blieb das Parlament trotzdem jederzeit – keine Sitzungswoche fiel aus, die eine oder andere wurde allerdings verkürzt. In die Geschichte eingehen wird die Sitzung vom 25. März 2020, als der Bundestag binnen weniger Stunden milliardenschwere Rettungsschirme beriet und beschloss. In Krisen ist zwar die Exekutive besonders gefordert. Aber: Die parlamentarische Demokratie wurde trotz allem nicht außer Kraft gesetzt.
Unsere Autorin ist Leiterin des Berliner Parlamentsbüros. Sie wechselt sich hier mit ihrem Stellvertreter Jan Drebes und Elisabeth Niejahr, der Geschäftsführerin der Hertie-stiftung, ab.