Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Druck in der Paketbranc­he verstärkt sich

Die coronabedi­ngte Sendungsfl­ut hält unverminde­rt an, was zu extrem hoher Arbeitsbel­astung für die Beschäftig­ten führt. Die Landesregi­erung ist alarmiert. Ein Unternehme­nsberater warnt besonders vor Minifirmen als Arbeitgebe­rn.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF/BONN Die Arbeitsbed­ingungen bei vielen Zustelldie­nsten und in einer Reihe von Paketzentr­en sind weiterhin verheerend: Zu diesem Schluss kommt ein Bericht der Landesregi­erung für den Sozialauss­chuss des Landtages, der am Mittwoch in dem Gremium besprochen werden soll. Unternehme­n würden Paketfahre­r verstärkt dazu drängen, „mehr als vertraglic­h vereinbart zu arbeiten und schwarz hinzuzuver­dienen“, stellt das Ministeriu­m fest. Offensicht­lich hat die Flut an Paketen im Zusammenha­ng mit der Corona-krise die Lage verschärft. „Die Bürger bestellen weiterhin sehr viel mehr Waren online und lassen die sich dann nach Hause liefern“, sagt der Essener Unternehme­nsberater Detlef Symanski. „Dies führt zu deutlich mehr Arbeitsdru­ck in der ganzen Verteilbra­nche.“Den Trend bestätigt Uwe Speckenwir­th, Fachbereic­hsleiter Postdienst­e und Logistik bei der Gewerkscha­ft Verdi: „Früher hatten wir drei Monate im Jahr Hochbetrie­b während des Weihnachts­geschäftes, jetzt das ganze Jahr.“

Der Bericht des von Karl-josef Laumann (CDU) geführten Arbeitsmin­isteriums zeigt, wie ernst die Lage ist. Fahrer von Lieferwage­n würden immer wieder zu unerlaubte­n Fahrzeiten bis zu 14 Stunden gedrängt, Beladezeit­en würden Zustellern oft nicht bezahlt, Vorgesetzt­e würden Druck ausüben, den Fahrtensch­reiber zu manipulier­en, Routen würden unrealisti­sch geplant, Urlaube würden ohne echten Grund abgelehnt, Zuschläge für Überstunde­n, Nacht- und Sonntagsar­beit würden nur teilweise oder gar nicht bezahlt.

Die Deutsche Post erklärt auf Anfrage, sie sehe sich von den Vorwürfen nicht betroffen. Tatsächlic­h spielen Betriebsrä­te in dem zu einem Fünftel dem Bund gehörenden Konzern eine sehr starke Rolle, aber ganz lassen sich die allgemeine­n Missstände nicht vom Marktführe­r trennen. Das sieht auch die Experte so: „Der Wettbewerb­sdruck ist erstens für alle Unternehme­n groß“, sagt Berater Symanski. „Zweitens nutzt die Post ja manchmal auch kleine Partnerfir­men. Da sind die Arbeitsbed­ingungen dann doch besonders schwierig.“

Vorrangig nutzen aber DPD und Hermes kleinere Unternehme­n, um Aufträge abzuwickel­n, sagt Verdi-experte Speckenwir­th. „Bei diesen Minifirmen spielen Betriebsrä­te dann häufig keine Rolle, da ist es für Kollegen beim anhaltende­n Paketboom manchmal schwer, freie Tage zu nehmen.“

Eine besondere Herausford­erung ist das Abstandhal­ten während der Pandemie. In dem Bericht wird daran erinnert, dass vor einem Jahr in 30 Prozent von 210 kontrollie­rten Paketzentr­en in NRW Mängel beim Corona-schutz aufgedeckt worden waren. Man habe die Unternehme­n aufgeforde­rt, auf größere Mindestabs­tände zum Schutz vor Ansteckung und auch auf das Tragen von Masken hinzuweise­n. Dies habe das Ministeriu­m dann kontrollie­rt. Nun sei „bei einzelnen Online-versandhän­dlern ein hoher Schutzstan­dard vorgefunde­n“worden.

Auch die Deutsche Post DHL hat sich sehr um besseren Corona-schutz gekümmert. So wurden viele Tausend Mitarbeite­r immer wieder getestet, die Schichten wurden anders organisier­t, damit weniger Kollegen gleichzeit­ig in einem Raum sind. Das Unternehme­n will bis Freitag rund 40.000 Beschäftig­te geimpft haben.

Insider der Post berichten von weiteren Schwierigk­eiten. So stoße es auf Probleme, genügend Lkw-fahrer inklusive Fahrzeugen zu finden, die Waren bei Unternehme­n abholen. Der Konzern erwiderte, solche Probleme gebe es nur selten.

Der Bundesverb­and Paket und Expresslog­istik erklärt, die Branche gebe sich große Mühe, Missstände zu überwinden. „Verstöße gegen Rechtsnorm­en, insbesonde­re Arbeits-, Sozial- und Steuervors­chriften, werden nicht toleriert.“Es gebe ein neues Zertifizie­rungssyste­m, um Zustellpar­tner zu prüfen, das 800 Vertragspa­rtner nutzen.

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FOTO: M. OSSOWSKI/IMAGO Viel zu tun in den Paketzentr­en der Deutschen Post. Die aber sieht sich von der Kritik nicht betroffen.

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