Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Druck in der Paketbranche verstärkt sich
Die coronabedingte Sendungsflut hält unvermindert an, was zu extrem hoher Arbeitsbelastung für die Beschäftigten führt. Die Landesregierung ist alarmiert. Ein Unternehmensberater warnt besonders vor Minifirmen als Arbeitgebern.
DÜSSELDORF/BONN Die Arbeitsbedingungen bei vielen Zustelldiensten und in einer Reihe von Paketzentren sind weiterhin verheerend: Zu diesem Schluss kommt ein Bericht der Landesregierung für den Sozialausschuss des Landtages, der am Mittwoch in dem Gremium besprochen werden soll. Unternehmen würden Paketfahrer verstärkt dazu drängen, „mehr als vertraglich vereinbart zu arbeiten und schwarz hinzuzuverdienen“, stellt das Ministerium fest. Offensichtlich hat die Flut an Paketen im Zusammenhang mit der Corona-krise die Lage verschärft. „Die Bürger bestellen weiterhin sehr viel mehr Waren online und lassen die sich dann nach Hause liefern“, sagt der Essener Unternehmensberater Detlef Symanski. „Dies führt zu deutlich mehr Arbeitsdruck in der ganzen Verteilbranche.“Den Trend bestätigt Uwe Speckenwirth, Fachbereichsleiter Postdienste und Logistik bei der Gewerkschaft Verdi: „Früher hatten wir drei Monate im Jahr Hochbetrieb während des Weihnachtsgeschäftes, jetzt das ganze Jahr.“
Der Bericht des von Karl-josef Laumann (CDU) geführten Arbeitsministeriums zeigt, wie ernst die Lage ist. Fahrer von Lieferwagen würden immer wieder zu unerlaubten Fahrzeiten bis zu 14 Stunden gedrängt, Beladezeiten würden Zustellern oft nicht bezahlt, Vorgesetzte würden Druck ausüben, den Fahrtenschreiber zu manipulieren, Routen würden unrealistisch geplant, Urlaube würden ohne echten Grund abgelehnt, Zuschläge für Überstunden, Nacht- und Sonntagsarbeit würden nur teilweise oder gar nicht bezahlt.
Die Deutsche Post erklärt auf Anfrage, sie sehe sich von den Vorwürfen nicht betroffen. Tatsächlich spielen Betriebsräte in dem zu einem Fünftel dem Bund gehörenden Konzern eine sehr starke Rolle, aber ganz lassen sich die allgemeinen Missstände nicht vom Marktführer trennen. Das sieht auch die Experte so: „Der Wettbewerbsdruck ist erstens für alle Unternehmen groß“, sagt Berater Symanski. „Zweitens nutzt die Post ja manchmal auch kleine Partnerfirmen. Da sind die Arbeitsbedingungen dann doch besonders schwierig.“
Vorrangig nutzen aber DPD und Hermes kleinere Unternehmen, um Aufträge abzuwickeln, sagt Verdi-experte Speckenwirth. „Bei diesen Minifirmen spielen Betriebsräte dann häufig keine Rolle, da ist es für Kollegen beim anhaltenden Paketboom manchmal schwer, freie Tage zu nehmen.“
Eine besondere Herausforderung ist das Abstandhalten während der Pandemie. In dem Bericht wird daran erinnert, dass vor einem Jahr in 30 Prozent von 210 kontrollierten Paketzentren in NRW Mängel beim Corona-schutz aufgedeckt worden waren. Man habe die Unternehmen aufgefordert, auf größere Mindestabstände zum Schutz vor Ansteckung und auch auf das Tragen von Masken hinzuweisen. Dies habe das Ministerium dann kontrolliert. Nun sei „bei einzelnen Online-versandhändlern ein hoher Schutzstandard vorgefunden“worden.
Auch die Deutsche Post DHL hat sich sehr um besseren Corona-schutz gekümmert. So wurden viele Tausend Mitarbeiter immer wieder getestet, die Schichten wurden anders organisiert, damit weniger Kollegen gleichzeitig in einem Raum sind. Das Unternehmen will bis Freitag rund 40.000 Beschäftigte geimpft haben.
Insider der Post berichten von weiteren Schwierigkeiten. So stoße es auf Probleme, genügend Lkw-fahrer inklusive Fahrzeugen zu finden, die Waren bei Unternehmen abholen. Der Konzern erwiderte, solche Probleme gebe es nur selten.
Der Bundesverband Paket und Expresslogistik erklärt, die Branche gebe sich große Mühe, Missstände zu überwinden. „Verstöße gegen Rechtsnormen, insbesondere Arbeits-, Sozial- und Steuervorschriften, werden nicht toleriert.“Es gebe ein neues Zertifizierungssystem, um Zustellpartner zu prüfen, das 800 Vertragspartner nutzen.