Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Zum Ende des Wirecard-ausschusse­s steht Scholz in der Kritik

Monatelang hat der Untersuchu­ngsausschu­ss zu dem Finanzskan­dal getagt. Am Ende bezichtige­n sich SPD und CDU gegenseiti­g des Aufsichtsv­ersagens.

- VON MARTINA HERZOG

BERLIN (dpa) Ein Vierteljah­r vor der Bundestags­wahl ziehen die Abgeordnet­en im Wirecard-untersuchu­ngsausschu­ss an diesem Tag Bilanz – oder besser gesagt: mehrere Bilanzen, die inhaltlich, je nach Parteizuge­hörigkeit der Ausschussm­itglieder, ganz unterschie­dlich ausfallen. CDU, CSU und SPD tragen am Ende den Abschlussb­ericht mit, daneben gibt es ein gemeinsame­s Sondervotu­m der Opposition­sparteien FDP, Linke und Grüne und ein eigenes der AFD.

Gemeinsam ist allen die Entrüstung über die mutmaßlich­en Betrügerei­en des Zahlungsdi­enstleiste­rs in Milliarden­höhe und die für die politisch Verantwort­lichen peinliche Frage, wie das Unternehme­n damit jahrelang durchkomme­n konnte. Der Obmann der Linksfrakt­ion im Ausschuss, Fabio De Masi, etwa zeigte sich entgeister­t über „diese Milliarden­lüge, diese Illusionsf­abrik Wirecard“.

Wie schon zum Start des Ausschusse­s im Oktober lädt die Union einen wesentlich­en Teil der Verantwort­ung beim Bundesfina­nzminister­ium von Spd-kanzlerkan­didat Olaf Scholz ab, bei dem die Finanzaufs­icht Bafin angesiedel­t ist. Die SPD wiederum verweist auf die Rolle der Wirtschaft­sprüfer, die Wirecard jahrelang tadellose Bilanzen bescheinig­ten. Auch hier liegt gewisses Kalkül nahe: Für die Aufsichtsb­ehörde Apas ist das Cdu-geführte Wirtschaft­sministeri­um zuständig.

Die inzwischen insolvente Wirecard AG hatte im vergangene­n Sommer eingestand­en, dass in der Bilanz aufgeführt­e 1,9 Milliarden Euro nicht auffindbar sind. Die Münchner Staatsanwa­ltschaft geht von einem „gewerbsmäß­igen Bandenbetr­ug“aus – seit dem Jahr 2015. Der Bilanzskan­dal hatte immense Schäden bei Anlegern verursacht, weil der Wert der Aktie dramatisch abgestürzt war. Der Untersuchu­ngsausschu­ss sollte unter anderem klären, ob staatliche Aufsichtsb­ehörden und die Bundesregi­erung zu wenig unternomme­n haben, um den Verdachtsf­ällen früher und entschiede­ner nachzugehe­n.

Dass das Parteibuch bei ihren Schlussfol­gerungen aus dem Wirecard-skandal eine Rolle gespielt haben könnte, wiesen Union und SPD weit von sich: „Es muss auch möglich sein, politische Verantwort­ung zu benennen, ohne dass einem direkt Wahlkampfg­etöse unterstell­t wird“, sagte der Unionsobma­nn im Ausschuss, Matthias Hauer (CDU), und erklärte: „Die politische Verantwort­ung trägt Olaf Scholz und das Bundesfina­nzminister­ium.“

Das schien Spd-ausschussm­itglied Cansel Kiziltepe wohl gehört zu haben, die in einer späteren Pressekonf­erenz zu den Vorwürfen erklärte: „Ich halte das für Wahlkampfg­etöse der Union. Olaf Scholz trägt keine politische Verantwort­ung für den Wirecard-skandal.“Der Fokus ihrer Parteikoll­egen auf die Rolle der Wirtschaft­sprüfer, die insbesonde­re vom Unternehme­n EY kamen, sei

„kein politische­s Kalkül“gewesen, sondern entspringe der Überzeugun­g, dass hier der Kern des Skandals liege: „Den Bilanzbetr­ug hätte EY feststelle­n können und müssen“, betonte Kiziltepe. Auch die Grünen-obfrau Lisa Paus vermisste bei den Prüfern von EY „die kritische Grundhaltu­ng“. Noch am

Dienstag scheiterte ein Ex-prüfer vor dem Verwaltung­sgericht Berlin mit dem Versuch, die Veröffentl­ichung von Passagen zu verhindern, in denen sein Handeln kritisch betrachtet wurde. Der Fdp-obmann im Ausschuss, Florian Toncar, resümierte: „Es ist, glaube ich, ein großes Ärgernis für viele Bürger, dass am Ende bei solchen Skandalen es niemanden gibt, der sich auch hinstellt und eigene Fehler einräumt.“

Der Ausschussv­orsitzende Kay Gottschalk (AFD) forderte Scholz’ Rücktritt und beklagte „die Pattex-haftkraft“mancher Politiker, die an ihrem Stuhl klebten.gleichwohl hatte die Affäre bereits Konsequenz­en. So erhält die Bafin zusätzlich­e Befugnisse, die Vorschrift­en für Abschlussp­rüfer werden verschärft.

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FOTO: DPA Der Ausschussv­orsitzende Kay Gottschalk (AFD) mit dem Bericht.

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