Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
„Robin ist ein tolles Vorbild“
2013 machte Robin Gosens am Berufskolleg in Wesel sein Abitur, heute spielt er mit der Nationalmannschaft um den Einzug ins Achtelfinale der EM. Seine Vita zeigt, wie prägend die Jahre in Wesel für den heute 26-Jährigen waren.
WESEL Spätestens seit seinem fulminanten Auftritt gegen Portugal am vergangenen Samstag ist Robin Gosens in aller Munde. Mit zwei Vorlagen und einem Treffer war der gebürtige Emmericher der Garant für den wichtigen 4:2-Erfolg der deutschen Mannschaft im zweiten Vorrundenspiel dieser Europameisterschaft. Aber es ist nicht nur seine Leistung, sondern auch diese erfrischende und lockere Art in Interviews, die ihn über Nacht zum Publikumsliebling einer ganzen Fußballnation gemacht hat.
Vermutlich wird der Außenverteidiger auch heute für die Partie gegen Ungarn wieder in der Startelf stehen – die Unterstützung des Weseler Berufskollegs, das er von 2010 bis 2013 besuchte, hat er in jedem Fall sicher: „Die gesamte Schulgemeinde drückt unserem ehemaligen Schüler Robin Gosens und der deutschen Nationalmannschaft fest die Daumen“, sagt Schulleiter Christian Drummer-lempert. Nicht erst seit er für die Nationalmannschaft kickt, hängen Zeitungsartikel über ihn am Schulleitungsbrett. „Wir haben seine Karriere immer schon verfolgt, seit er in Arnheim gespielt hat.“
Gosens, der bei Atalanta Bergamo in der italienischen Serie A schnell zur Stammkraft avancierte, hat kein typisches Nachwuchsleistungszentrum eines Bundesligisten durchlaufen. Während ein Großteil der heutigen Fußballer in Internaten zu Profis heranwuchsen, verlief Gosens Weg über Jugendmannschaften in den Niederlanden – und dem Berufskolleg in Wesel.
In seiner Biografie „Träumen lohnt sich“schreibt der Nationalspieler ausführlich über seine Zeit in Wesel. 2010 war er von der Realschule aus Emmerich ans Berufskolleg gewechselt, um dort sein Abitur zu machen. Damals spielte er noch in der Jugendmannschaft des VFL Rhede. Als 2012 ein niederländischer Nachwuchs-scout von Vitesse Arnheim auf Gosens aufmerksam wurde, versuchte er Schule und Fußballkarriere unter einen Hut zu bekommen. „Die Schule wollte mir den Weg zum Profifußball nicht verbauen, auf der anderen Seite konnte ich im Abiturjahr nicht pausenlos Unterricht sausen lassen“, schreibt Gosens über diese turbulente Zeit. Leiter des Berufskollegs war seinerzeit Günter Kohls, der Vorgänger von Christian Drummer-lempert.
Gemeinsam mit seinem Vater und Kohls trafen sie eine Regelung, dass der aufstrebende Fußballer in Teilen von seiner Anwesenheitspflicht entbunden wurde, um pünktlich beim Training in Arnheim zu sein. Den fehlenden Unterrichtsstoff sollte Gosens eigenständig nachholen. Das geschah meistens auf dem Rückweg aus Arnheim – im Stau auf der A3, wie er in seinem Buch schreibt. Wenig begeistert zeigte sich seine Mutter: „Willst du dein Abitur aufs Spiel setzen, damit du irgendwo in der A-jugend spielen kannst?“, zitiert Gosens sie. Auch Schulleiter Kohls kündigte an, man würde das Experiment beenden, wenn die Noten darunter leiden würden.
Doch es klappte – und das sogar mit besseren Noten als zuvor. Mit den beiden Leistungskursen Sport und Biologie sowie den zwei weiteren Abiturfächern Deutsch und Pädagogik schloss Gosens 2013 sein Abitur am Weseler Berufskolleg mit 2,0 ab. Seine ehemalige Psychologie-lehrerin Marion Speitmann freut sich, dass er neben seiner Zielstrebigkeit auch seine Bodenhaftung nicht verloren hat: „Er ist sicherlich ein tolles Vorbild, dass mit dieser Einstellung Träume tatsächlich wahr werden können“.
Dirk Besser, Leiter des Bildungsgangs Freizeitsportleiter am Berufskolleg erklärt, dass es in Wesel immer wieder aufstrebende Sporttalente gibt, die zum Glück um die Wichtigkeit eines guten Schulabschlusses wissen: „Mal schauen, vielleicht kann sich das Berufskolleg Wesel noch über weitere zukünftige Sportprominente freuen, die unsere Schule erfolgreich besucht haben“, sagt er.
Neben einer guten Bildung, die der 26-Jährige übrigens dafür nutzt, um neben der Fußballkarriere Psychologie zu studieren, hat seine Schulzeit in Wesel eine weitere prägende Auswirkung auf sein Leben gehabt. Damals lernte er seine Freundin Rabea kennen, mit der er seit mittlerweile acht Jahren zusammen ist.