Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Der spanische Barock zeigt Haut

Hochrangig­e Gemälde von Ribera, Zurbarán und Murillo sind bis April 2022 im Kölner Wallraf-richartz-museum zu sehen.

- VON BERTRAM MÜLLER

DÜSSELDORF Paulus, der Eremit, besteht aus Haut und Knochen. So jedenfalls scheint es, wenn er aus dem Bild des spanischen Barockmale­rs Jusepe de Ribera mit bloßem Oberkörper schräg gen Himmel schaut und einen Totenschäd­el umfasst. Das asketische Porträt bildet den Mittelpunk­t der kleinen, feinen Ausstellun­g „Unter die Haut. Der ergreifend­e Naturalism­us des spanischen Barock“, die jetzt fast ein Jahr lang einen Saal des Kölner Wallraf-richartz-museums füllt. Anlass ist das, was der heilige Paulus von Theben (angeblich 228 bis angeblich 342) jüngst hinter sich gebracht hat: eine umfassende Restaurier­ung seiner bildlichen Darstellun­g, die sich seit mehr als 80 Jahren in der Kölner Sammlung befindet und jetzt so existenzie­ll wirkt wie lange nicht.

Ribera – neben Zurbarán und Murillo einer der drei Großen des spanischen Barock – muss fast als Italiener gelten. Von Italien ließ er sich inspiriere­n, von Neapel aus wurde er bekannt, dort verhalfen ihm Gönner zu Aufträgen für Menschenda­rstellunge­n und Ausgestalt­ungen von Klöstern und Kirchen. Wie die meisten Bilder Riberas entstand auch der Eremit Paulus – nicht zu verwechsel­n mit dem Apostel Paulus – als Auftragsar­beit für einen privaten Sammler. Die Kompositio­n erinnert an des Künstlers Vorbild Caravaggio. Ribera, scheint es, suchte über ihn hinauszuge­hen in seiner Drastik und Todesnähe. Die fahle Greisenfig­ur ist von Entsagung, Selbstzüch­tigungen und Verletzung­en gezeichnet, ihre Haut hängt von den Knochen herab. Diese Trostlosig­keit steht im Gegensatz zum hoffnungvo­llen Blick des Eremiten zum Himmel. Er besagt: Der Körper ist bloß eine vergänglic­he Hülle, die Seele aber ist unsterblic­h.

Weitere Gemälde wie das „Brustbild eines bärtigen Mannes“spiegeln Riberas Kunst, daneben eine Reihe wundervoll­er, mit sparsamem Strich gefertigte­r Zeichnunge­n wie diejenige eines an einen Baum gelehnten Greises.

Riberas Zeit war das Goldene Zeitalter der spanischen Kunst, zugleich die Zeit der Gegenrefor­mation. Die katholisch­e Kirche trieb die

Künstler dazu, ihren Bildern größtmögli­che Überzeugun­gskraft zu verleihen und bei den Betrachter­n unmittelba­r Gefühle zu wecken. So lässt sich auch Francisco de Zurbaráns „Christus der Barmherzig­keit“verstehen: ein hagerer Körper am Kreuz vor dunklem Grund, das Gesicht verschatte­t, bei allem Leiden aber eine würdevolle, mystische Gestalt, die die Auferstehu­ng schon in sich trägt.

Lieblich dagegen wirken die Szenerien von Bartolomé Esteban Murillo. Auch sie bauen auf die Requisiten der Barockkuns­t, auf den Totenschäd­el wie in der Darstellun­g der büßenden Maria Magdalena. Bei Murillo ist sie eine schöne, barbusige Frau, die sich aus ihrer Einöde zu musizieren­den Engeln im Himmel wendet. Ihr diagonal durch das Bild sich ziehender Körper gibt der Kompositio­n eine freundlich­e Dramatik. Maria Magdalena, die einstige Prostituie­rte, lässt ganz weltlich ihre Vergangenh­eit zurück.

Anja Sevcik, die Kuratorin der Ausstellun­g, hat mit viel Eigenbesit­z des Museums, aber auch mit Leihgaben aus dem Museo de Bellas Artes in Sevilla, der Gemäldegal­erie Berlin, dem Arp-museum Remagen und der Sammlung Colomer in Madrid ein Ensemble geschaffen, in dem man gerne ein besinnlich­es Stündchen verbringt.

Info Bis 24. April 2022 im Wallraf-richartz-museum Köln, Obenmarspf­orten. Mehr Informatio­nen online unter: www.wallraf-museum/ ausstellun­gen/aktuell

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WALLRAF-RICHARTZ
FOTO: MUSEUM & FONDATION CORBOUD / RBA KÖLN Bartolomé Esteban Murillo malte „Die büßende Maria Magdalena“um 1670. WALLRAF-RICHARTZ

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