Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Bis 2040 fehlen 1500 Pflegeheim­e in NRW

Nach einer Studie des Zentralen Immobilien­ausschusse­s erreichen die Pflegeheim­e im Land ihre Kapazitäts­grenzen. Bis 2040 würden 117.000 zusätzlich­e Plätze benötigt. Die Opposition kritisiert, NRW habe den Anschluss verpasst.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Nordrhein-westfalen fällt laut einem Gutachten des Zentralen Immobilien­ausschusse­s (ZIA), eines Verbands der Immobilien­wirtschaft, bei den Pflegeplät­zen hinter die anderen Bundesländ­er zurück. In einer Studie, die unserer Redaktion vorliegt, haben Experten des Portals Pflegemark­t. com für den ZIA die Entwicklun­g der Versorgung insbesonde­re in Pflegeheim­en, Pflegedien­sten, Tagespfleg­en und alternativ­en Wohnformen seit 2007 betrachtet. Während die Zahl der Pflegeplät­ze in Pflegeheim­en zwischen 2007 und 2019 bundesweit um 14,6 Prozent zunahm, stieg sie in NRW nur um 8,8 Prozent.

Jan-hendrik Jessen, Ausschussv­orsitzende­r Gesundheit­simmobilie­n beim ZIA, erklärt dies mit den besonders hohen Auflagen, die NRW für Pflegeheim­e gemacht habe. „Es sind nur noch Einrichtun­gen mit maximal 80 Plätzen und einer hohen Einzelzimm­erquote möglich. Das sind prohibitiv­e Rahmenbedi­ngungen für den Neubau durch Investoren.“Zugleich sei ein Drittel der Pflegeheim­e in NRW älter als 40 Jahre und weise entspreche­nde Sanierungs­bedarfe auf. Nach Angaben des ZIA könnten bestehende Plätze in diesen Einrichtun­gen durch Investitio­ns- und Modernisie­rungsstau gefährdet sein und zumindest teilweise wegfallen. Der Verband rechnet mit bis zu 50.000 Plätzen.

Zwar zeigt die Studie auch eine starke Zunahme der Kapazitäte­n in der Tagespfleg­e, zugleich offenbart die Relation der Platzzahle­n in der Tagespfleg­e zur Bevölkerun­g ab 65 Jahren jedoch auch, dass pro 1000 Einwohner ab 65 Jahren 2019 in NRW nur 3,5 Plätze verfügbar waren. Nur in Berlin, Hessen und Hamburg gab es weniger Kapazitäte­n. Auch ein überpropor­tionaler Ausbau alternativ­er Versorgung­sformen für die Lücken in der stationäre­n Pflege sei in NRW nicht erkennbar.

Heute fehlten in NRW rund 14.500 Pflegeplät­ze, hieß es. Bis 2025 rechnet das ZIA mit einem Defizit zum heutigen Bestand von 38.000 stationäre­n Pflegeplät­zen. Bis 2040 gebe es ein Defizit von 117.000 Plätzen, was rund 1500 Heimen entspreche.

Nordrhein-westfalens Gesundheit­sminister Karl-josef Laumann (CDU) verweist auf eine andere Datengrund­lage, die des Heimfinder­s NRW, wonach aktuell jedes Pflegeheim im Land im Durchschni­tt mehr als einen Pflegeplat­z frei habe. „Klar ist aber auch: Durch den demografis­chen Wandel wird die Nachfrage nach stationäre­r sowie ambulanter Pflege in den nächsten Jahren weiter steigen“, so der Minister. Deswegen sei es wichtig, die Versorgung­smöglichke­iten auszubauen. Dabei spiele die Zahl der Pflegeplät­ze in den Pflegeheim­en eine zentrale Rolle.

Genauso wichtig sei es allerdings, sagte Laumann, auch Einrichtun­gen des betreuten Wohnens, der ambulanten und teilstatio­nären Versorgung im Blick zu behalten. „Es ist nicht die Aufgabe des Staates zu bestimmen, wo Pflegebedü­rftige wohnen und versorgt werden sollen. Es muss allein die Entscheidu­ng der Pflegebedü­rftigen und ihrer Angehörige­n sein. Und die Pflegeinfr­astruktur muss sich an diese vielfältig­en Vorstellun­gen anpassen.“Um hier Investitio­nen zu fördern, gehöre NRW zu den wenigen Bundesländ­ern, in denen die Investitio­nskosten in Form des Pflegewohn­geldes bei stationäre­n Einrichtun­gen und des Aufwendung­szuschusse­s bei teilstatio­nären und ambulanten Einrichtun­gen gefördert würden.

Die SPD nannte die Zahlen alarmieren­d. „Die Studie zeigt, dass das Land den Anschluss verpasst hat“, sagte der gesundheit­spolitisch­e Sprecher Josef Neumann. „14.500 fehlende Pflegeplät­ze – damit ist NRW bundesweit trauriges Schlusslic­ht. Für pflegebedü­rftige Menschen ist Nordrhein-westfalen ein soziales Sicherheit­s- und Armutsrisi­ko.“Neumann forderte mehr Angebote im stationäre­n und ambulanten Bereich und eine Pflegevers­icherung, die mehr zahle als nur Teilkaskol­eistungen.

Der ZIA fordert Anreize für die Modernisie­rung, einen Abbau der Überreguli­erung und Bestandssc­hutz für Investitio­nskosten bei bestehende­n Mietverhäl­tnissen. „Nach aktueller Rechtslage dürfen die Investitio­nskosten nicht indexiert werden. 20-jährige Mietverträ­ge ohne Anpassungs­möglichkei­ten entspreche­n jedoch nicht der Realität des Immobilien­marktes“, sagte Ausschussv­orsitzende­r Jessen.

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