Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Was Laschet mit Gosens verbindet
Der scheidende Ministerpräsident absolviert einen letzten großen Auftritt vor der Landespressekonferenz. Zur Sprache kommen dabei das „Grill-gate“, der Nationalspieler vom Niederrhein und die Auflösung seines Expertenrats.
DÜSSELDORF Es ist fast schon das Ende der großen Sommerpressekonferenz von Nordrhein-westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), da wird der Kanzlerkandidat der Union von einem Landeshauptstadt-korrespondenten auf seinen Tipp für den Titel des Europameisters angesprochen. Fußballfan Laschet lacht. Eine Fangfrage, ist doch weithin bekannt, dass der Nrw-regierungschef gerne Unentschieden tippt, in der EM-K.O.-RUNde ist das keine Option. Er wünsche sich, dass es Deutschland werde; die Leistung beim Portugal-spiel sei ja beeindruckend gewesen, sagt er und fügt mit Blick auf Robin Gosens hinzu: „Mit einem Nordrhein-westfalen als Neuentdeckung. Der auch eine Spätentdeckung war, im Leben oft unterschätzt wurde und jetzt Deutschland rettet.“
Die Rettung der Republik, das ist also die Agenda, die der Aachener verfolgt. Dass er seiner Meinung nach das Rüstzeug dafür mitbringt, hat Laschet in der knappen Stunde zuvor schon mal durchdekliniert. Und damit ja kein Zweifel entsteht, hat er es den Journalisten schriftlich austeilen lassen, in Form einer 67 Seiten starken, einseitig bedruckten Hochglanzbroschüre mit dem Titel „Arbeitsbericht – vier Jahre Landesregierung NRW“.
Coronatechnisch ist die augenblickliche Lage tatsächlich ansehnlich: Eine landesweite Inzidenz von gerade noch 7,4, eine Erstimpfquote höher als in den USA, bis September 80 Prozent der Nordrhein-westfalen durchgeimpft, dazu die Wirtschaft, die zusehends Tritt fasst. „Stand heute ist das Virus eingedämmt, wir müssen aber trotzdem vorsichtig bleiben“, sagt Laschet.
Diese Vorsicht geht aber nicht so weit, dass der Ministerpräsident seinen Expertenrat Corona mit Prominenten wie dem Virologen Hendrik Streeck, dem Ökonomen Michael Hüther und Verfassungsrechtler Udo Di Fabio am Leben halten will. Der Rat tagte am Mittwoch ein letztes Mal, nach Vorlage des Abschlussberichts wird dieser „wichtige Ratgeber“(O-ton Laschet) aufgelöst.
Hörbar gereizt wird Laschet bei der Frage einer Journalistin, ob angesichts der hochansteckenden Delta-variante und drohender Schulschließungen im Herbst die Öffnung der Innengastronomie oder Veranstaltungen mit Hunderten Teilnehmern zu vertreten seien. „Alles, was wir tun, muss verhältnismäßig sein. Man kann nicht sagen: Wir liegen bei null, es gibt keine Inzidenzen und keine Verbreitung mehr, aber wir halten mal alle Beschränkungen aufrecht, weil möglicherweise doch irgendwann etwas kommen könnte.“Das halte vor keinem Gericht Stand und sei verfassungswidrig.
So ganz verabschieden will sich Laschet von Grundrechtseinschränkungen jedoch nicht. Anders als in Bayern werde man in den Innenräumen der Schulen an der Maskenpflicht festhalten, um keine Unruhe so kurz vor den Ferien in den Schulen zu erzeugen. Für die Zeit nach den Sommerferien verspricht er Unterricht in Präsenz. Auf die Frage, ob das Impfen der Schüler dafür eine Voraussetzung sei, verteidigt er die Entscheidung der Ständigen Impfkommission, die Impfungen nicht grundsätzlich für die Zwölfbis 15-Jährigen freizugeben. „Ich finde, die haben da gute Argumente“, sagt er und fügt hinzu: „Es wird keine Impfpflicht für Schüler geben und keine Impfungen in den Schulen.“
Zur Sprache kommt auch das für Freitag geplante Grillfest auf den Rheinwiesen, mit dem CDU und FDP an die Unterzeichnung des Koalitionsvertrags erinnern wollen. Die SPD nutzte diese aus ihrer Sicht „autosuggestive Wurstparty“, um zu einer Gegenveranstaltung einzuladen. Grünen-chefin Mona Neubaur sagte: „Wenn es sonst nichts zu feiern gibt, dann feiert man sich halt selbst.“Laschet bleibt angesichts des von ihm so bezeichneten „Grill-gates“entspannt. Ob ein Signal von der Feier ausgehen solle? „Wir trinken ein Bier zusammen“, sagt er trocken.
Signale zuhauf senden könnte der Kanzlerkandidat am heutigen Donnerstag in seiner Rede vor dem Bundestag. Sein Umfeld hatte mit seinem Rederecht im Bundestag immer seine ablehnende Haltung zu einem vorzeitigen Rückzug vom Amt des Ministerpräsidenten begründet. Es sei nicht ungewöhnlich, dass Ministerpräsidenten im Bundestag redeten, sagte Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann (CDU). „Ich wundere mich daher, was alles in die morgige Rede von Armin Laschet reininterpretiert wird.“Laschet führe mit seiner Rede fort, was er am Montag mit der Vorstellung des Wahlprogramms begonnen habe. Darin spielten europa- und außenpolitische Themen eine zentrale Rolle.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sprach von einem richtigen Schritt zum richtigen Zeitpunkt. „Es ist klug von Armin Laschet, dass er jetzt die Chance nutzt, mit einer großen europapolitischen Rede im Bundestag die bundespolitische Bühne zu betreten.“