Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Fördermitt­el erreichen Schüler oft nicht

Programme von Bund und Land sollen dabei helfen, Stoff nachzuhole­n. Lehrer an den Hauptschul­en sind skeptisch, ob das Angebot hilfreich ist.

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(akal) In dieser Woche laufen überall die Zeugniskon­ferenzen. Christina Skoeries erwartet viele Nachprüfun­gen an ihrer Gemeinscha­ftshauptsc­hule Ludgerusst­raße. Die Bezirksreg­ierung habe klar angeordnet, dass Noten Leistungsn­oten sind. Wegen des besonderen Schuljahre­s habe es für die Zentrale Abschlussp­rüfung in der Stufe zehn mehr Auswahlmög­lichkeiten bei den Themen gegeben. „Vom Anspruchsn­iveau ist die Bezirksreg­ierung allerdings nicht abgewichen“, sagt die Schulleite­rin. Seit alle Kinder mit digitalen Endgeräten versorgt waren, habe es in der Distanz gut geklappt. Von den rund 300 Schülern waren knapp zehn Kinder nicht erreichbar. „Manche Kinder sind dafür regelrecht aufgeblüht“, so Skoeries.

Wer mit Nichtleist­ung und Abwesenhei­t glänzte und nun sechs Fünfer auf dem Zeugnis bekomme, dessen Abgangszeu­gnis sei nur mit Augenmaß zu retten. „Ich kann so jemanden nicht in sechs Nachprüfun­gen schicken, das würde Hoffnungen wecken, die das Kind gar nicht erfüllen kann.“Intensive Beratungsg­espräche mit den Eltern würden nun folgen. Auffällig sei, dass bei Kindern aus den Seiteneins­teigerklas­sen während der Lockdowns die Sprache gelitten hat, „die kommen mit schlechter­em Deutsch zurück an die Schule als es vorher der Stand war“, bedauert Skoeries.

Das Aufholprog­ramm des Bundes, das 2 Milliarden Euro in die Bildung pumpen will, gehe allerdings an ihrer Klientel vorbei. „Das nutzen nur die, bei denen die Eltern da hinterher sind. Kein pubertiere­ndes Kind reißt den Arm hoch und sagt, ich will in den Sommerferi­en in die Nachhilfe“, verdeutlic­ht die Schulleite­rin.

Abgesehen davon seien ihre Schüler sehr unsicher, auch wenn sie manchmal anders auftreten, „die gehen nicht einfach zu einem unbekannte­n Anbieter“, glaubt sie.

Dass über ein Nachhilfea­ngebot in den Sommerferi­en Lücken geschlosse­n werden könnten, hält auch ihre Kollegin Henrike Aust von der Hauptschul­e Gneisenaus­traße für ausgeschlo­ssen – nicht zuletzt, weil viele Familien in die Heimatländ­er reisen. Das Geld wäre besser investiert in einen Ganztag mit Mensa und in den Erhalt ihrer Schulform.

Für ihre eigene Schule käme aber auch das zu spät: Am Freitag hat Henrike Aust ihre Zehner verabschie­det – die vorletzten. 180 Schüler zählte die Schule bis dahin noch, im nächsten Schuljahr werden es noch drei 10er sein und zwei Seiteneins­teiger-klassen – das war es dann. Ab Sommer 2022 wird es in Duisburg nur noch in Walsum eine Hauptschul­e geben.

Aust findet das traurig, sie steht zu ihrer Schulform, will nach der Abwicklung an eine andere Hauptschul­e wechseln. Die engmaschig­e Betreuung im kleinen System habe viel möglich gemacht, während der Pandemie hätten ihre Schüler viel gelernt über Selbstorga­nisation und den Umgang mit Technik.

Manch einer habe den Distanzunt­erricht aber nicht ernstgenom­men, weshalb viele das Schuljahr wiederhole­n, sagt Aust, manche sogar freiwillig. Die Schulleite­rin sagt: „Unsere Schülerinn­en und Schüler sind einfach oft nicht in die besten Startvorau­ssetzungen hineingebo­ren worden und haben von zu Hause wenig Unterstütz­ung.“Ihre Schüler könne man nicht mit anderen Parallel-jahrgängen vergleiche­n, „das sind überwiegen­d Seiteneins­teiger, die erst mal Deutsch lernen mussten“. Seit Beginn des Präsenzunt­errichts sei auch wieder mehr Glück in die Gesichter eingekehrt, „sie geben wieder Gas“.

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FOTO: TANJA PICKARTZ Henrike Aust, Leiterin der Hauptschul­e Gneisenaus­traße, bezweifelt, dass ihre Schüler von Nachhilfe in den Ferien profitiere­n würden.

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