Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Vatikan protestiert gegen italienisches Gesetz
ROMAN eine derartige Einflussnahme des Vatikans auf die italienische Politik der jüngeren Geschichte kann man sich nicht erinnern. Stein des Anstoßes ist ein Gesetz gegen Homo- und Transphobie, das nach dem Abgeordneten Alessandro Zan benannte Zan-gesetz.
Der Vatikan hat die italienische Regierung zur Änderung des Gesetzesentwurfs aufgefordert. Das Zan-gesetz verletze das Konkordat, also den 1929 von Benito Mussolini unterschriebenen und 1984 aktualisierten Pakt über die Koexistenz zwischen Italien und dem Vatikan. Auch in der Koalition von Premier Mario Draghi selbst ist das Gesetz umstritten, so lehnt die rechte Lega den Entwurf in seiner jetzigen Form ab.
Erstmals soll mit dem neuen Gesetz in Italien die Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Transgender, Bisexuellen und Intersexuellen unter Strafe gestellt werden. Das Abgeordnetenhaus verabschiedete das Gesetz im vergangenen November, derzeit beschäftigt sich der Senat mit dem Projekt. Vorgesehen sind unter anderem bis zu vier Jahre Haft für Gewaltakte oder Anstachelung zur Gewalt, etwa aufgrund der sexuellen Orientierung des Opfers. Auch die Diskriminierung soll unter Strafe gestellt werden.
Ein Protestbrief aus dem Vatikan erreichte vor einigen Tagen den italienischen Botschafter. „Einige Inhalte des Gesetzesvorschlags hätten negativen Effekt auf die der Kirche und ihren Gläubigen garantierten Freiheiten“, zitiert die Zeitung „Corriere della Sera“aus dem Brief. Auch die im Gesetz vorgesehene Einrichtung eines nationalen Feiertags gegen Homo-, Bi-, Inter-, und Transphobie steht im Fokus der Kritik des Vatikans.
In der Vergangenheit hatte sich die katholische Kirche immer wieder in die italienische Politik eingemischt, etwa mit heftigen Protesten gegen Volksabstimmungen über Scheidung und Abtreibung. Auch diesmal hatte die italienische Bischofskonferenz offenbar über diplomatische Kanäle Einfluss zu nehmen versucht, ohne Erfolg. Dann trat der Vatikan in Erscheinung.
Die Einflussnahme ist auch deshalb Aufsehen erregend, weil Papst Franziskus normalerweise eine milde Haltung in diesen Fragen verfolgt. Immer wieder empfing der seit 2013 amtierende Papst Mitglieder aus der Lgbtiq-gemeinde im Vatikan. Auf der Rückreise vom Weltjugendtag 2013 sagte Franziskus auf die Frage nach dem Umgang der Kirche mit Homosexualität: „Wer bin ich, zu urteilen?“In einem 2020 veröffentlichten Interview forderte der Papst „ein Gesetz des zivilen Zusammenlebens“für Homosexuelle, die „rechtlich geschützt“sein müssten. Traditionalisten hingegen fordern von Franziskus, ein Machtwort zu sprechen. Bei der Generalaudienz am Mittwoch auf dem Petersplatz behielt Franziskus seine Linie bei. Er sagte kein Wort zum Thema.