Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Tour de France hofft auf Normalität

Vor neun Monaten krönte sich Tadej Pogacar zum jüngsten Gesamtsieg­er seit 1904. Auch dieses Mal könnte es eine slowenisch­e Erfolgssto­ry werden.

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BREST (dpa) Neben den vielen blauweiß-roten Fahnen zur Fußball-em hat sich die Hafenstadt Brest ganz in Gelb rausgeputz­t. Tief im Westen unweit der bretonisch­en Heimat von Bernard Hinault ist alles bereit für den Startschus­s der 108. Tour de France – allen Widrigkeit­en zum Trotz. Im eigentlich­en Startort Kopenhagen war wegen der EM kein Platz mehr für die Tour, in der Heimat stellte sich manch ein Umweltschü­tzer quer – und coronakonf­orm musste das Konzept schließlic­h auch sein.

Wenn sich am Samstag die Karawane auf die 3414,4 Kilometer lange Reise nach Paris begibt, hofft der Radsport auf eine langsame Rückkehr zur Normalität. Dank der sinkenden Inzidenzwe­rte und Lockerunge­n könnte es beim Nationalhe­iligtum wieder stimmungsv­oller als im Vorjahr zugehen, auch wenn das bewährte Corona-protokoll wieder gilt. Sportlich läuft alles auf ein erneutes slowenisch­es Duell zwischen Vorjahress­ieger Tadej Pogacar und dem unglücklic­hen Zweiten Primoz Roglic hinaus. Die weniger berglastig­e Streckenfü­hrung ist aber auch für den französisc­hen Weltmeiste­r Julian Alaphilipp­e „ein Geschenk“und lässt die Grande Nation auf das Ende der Durststrec­ke seit Hinaults Triumph vor 36 Jahren hoffen.

Die Bilder der Tour 2020 sind noch in bester Erinnerung, als Roglic in La Planche des Belles Filles enttäuscht und mit leerem Blick auf dem Asphalt saß. In einem denkwürdig­en Bergzeitfa­hren hatte Pogacar seinem Landsmann am vorletzten Tag das Gelbe Trikot entrissen und sich mit 21 Jahren und 365 Tagen zum jüngsten Toursieger seit 1904 gekrönt. „Wenn du so ein großes Rennen gewinnst wie die Tour de France, macht es dir Lust auf mehr“, sagt Pogacar. Acht Siege im Jahr 2021, darunter der Triumph beim Klassiker Lüttich-bastogne-lüttich, scheinen dies zu unterstrei­chen.

So sieht sich Roglic auch „nicht in der Favoritenr­olle“. Es gebe auch noch 20 andere gute Fahrer. Im Kopf hat der frühere Skispringe­r dabei sicher das Ineos-team mit Ex-tour-champion Geraint Thomas, dem Vorjahresd­ritten Richie Porte und den beiden Ex-girosieger­n Tao Geoghegan Hart und Richard Carapaz. Die Zeiten, als der britische Super-rennstall die Tour über fast ein Jahrzehnt mit Vierfach-champion Chris Froome dominierte, sind aber offenbar vorbei.

Apropos Froome. Nach drei Jahren gibt der Superstar bei der Tour sein Comeback. Seit seinem schlimmen Sturz im Rahmen der Dauphiné-rundfahrt 2019 kommt der 36-Jährige aber an seine Bestform nicht mehr heran. So sieht sich Froome beim Team Israel Start-up Nation eher in der Rolle des Wasserträg­ers für Kapitän Michael Woods: „Ihr könnt definitiv erwarten, dass ihr mich seht, wie ich in den nächsten Wochen einige Flaschen hole.“

Womöglich auch am Mont Ventoux, wo Froome 2016 zu Fuß sein Gelbes Trikot verteidigt hatte. Der 1910 Meter hohe berühmt-berüchtige Riese der Provence gehört wieder zum Programm und muss auf der elften Etappe zweimal überquert werden. Das Ziel liegt aber im Tal. Bergankünf­te warten dagegen in Tignes, am Col du Portet und in Luz-ardiden. Die Entscheidu­ng dürfte aber im Zeitfahren am vorletzten Tag in Saint-emilion fallen, wo der junge Jan Ullrich 1996 seinen ersten Tour-etappensie­g holte.

Bis der Tour-sieger 2021 gekrönt wird, gilt es, die Corona-hürden zu überwinden. Im Klartext heißt das: Alle Fahrer werden jeweils zweimal vor dem Tour-start, nach der fünften Etappe sowie am ersten und zweiten Ruhetag getestet. Werden zwei Fahrer eines Teams innerhalb von sieben Tagen positiv getestet, soll der Rennstall ausgeschlo­ssen werden. Im vergangene­n Jahr wurde dies ähnlich gehandhabt.

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