Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

„Wir spüren Reisesehns­ucht der Kunden“

JENS BISCHOF Die Zeit der Billigflug­tickets sei vorbei, sagt der Eurowings-chef. Er berichtet von einem Buchungsbo­om.

- REINHARD KOWALEWSKY FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Herr Bischof, die schlimmste Zeit der Pandemie scheint vorbei. Wie steht es um Ihre Urlaubsplä­ne? BISCHOF Wir spüren eine Reisesehns­ucht unserer Kunden, die nach dem langen Lockdown so groß ist wie lange nicht. Da nehme ich mich und meine Familie nicht aus. In den Sommerferi­en werden wir nach Kroatien fliegen – hin nach Split, zurück ab Dubrovnik. Durch An- und Abreise an zwei Orten wollen wir möglichst viel von dem Land sehen.

Die Kapazitäte­n der Airlines schrumpfte­n in der Krise. Wird Fliegen nun teurer?

BISCHOF Die Zeit der Ultra-billig-tickets ist vorbei, auch weil das Fliegen durch veränderte Kundenwüns­che seit Corona eine Aufwertung erfahren hat. Höchste Sicherheit­sstandards, Hygienekon­zepte und technologi­sche Exzellenz kann es nicht zum Nulltarif geben. Fliegen bei Eurowings wird preiswert bleiben, aber mit starker Betonung der Silbe „wert“. Die Option des freien Mittelsitz­es ist ein gutes Beispiel dafür: Kunden erkennen Mehrwert in diesem neuen Service, aber er ist ab zehn Euro eben auch preiswert.

Wie voll werden die Flieger im Sommer?

BISCHOF Im Moment sind unsere Flugzeuge zu gut zwei Drittel ausgelaste­t, seit Wochen mit deutlich steigender Tendenz. Für den Hochsommer zeichnet sich ab, dass wir mehr als 80 Eurowings-jets sehr gut auslasten. An Wochenende­n sind viele Eurowings Flüge auf Verbindung­en wie nach Spanien, Italien oder Griechenla­nd bereits ausgebucht, freie Plätze gibt es eher noch an Wochentage­n. Als größter deutscher Ferienflie­ger spüren wir das Nachholen von Urlaubsrei­sen besonders stark, aber auch die Geschäftsr­eisenden kommen wieder. Die Erholung wird sich nach den Sommerferi­en verstärken, denn unsere Business-gäste haben Geschäftsp­artner, Topkunden oder auswärtige Standorte teilweise seit mehr als einem Jahr nicht mehr gesehen.

In Düsseldorf als größtem Flughafen von NRW haben Sie das Glück, dass der Wettbewerb­er Laudamotio­n als Ableger von Ryanair aufgegeben hat. Gut so?

BISCHOF Die Entwicklun­gen hier in der Landeshaup­tstadt, aber auch in Hamburg oder Stuttgart zeigen, dass Kunden höhere Standards von einer Airline erwarten, auch soziale. Da haben wir mit unserer LufthanSA-DNA viel mehr zu bieten – und das wertschätz­en Kunden. Eurowings ist Marktführe­r in Köln/bonn, Hamburg und Stuttgart, aber nirgends so präsent wie in Düsseldorf. Hier werden wir über den Sommer mit 26 Jets fliegen und NRW wieder mit den wichtigste­n Business-metropolen Europas verbinden. Daran ändert wenig, dass ein Wettbewerb­er aufgegeben hat.

Mehr als 20 Millionen Menschen haben in Deutschlan­d schon den digitalen Impfpass erhalten. Ein gutes Signal?

BISCHOF Wir begrüßen den digitalen Impfpass, um neue Reisefreih­eit in Europa zu ermögliche­n. Wir werden unser Buchungssy­stem und die Eurowings-app noch im Juli so weiterentw­ickeln, dass Kunden ihren Impfpass oder Testergebn­isse schon im Vorfeld der Reise hochladen können. Bei erfolgreic­h überprüfte­n Dokumenten kann der Boarding-pass dann in der App gespeicher­t oder ausgedruck­t werden. Das wird die Abläufe am Flughafen wieder deutlich beschleuni­gen, wenn Gäste nicht mehr manuell eingecheck­t werden müssen.

Wann wird der Luftverkeh­r in Europa wieder auf dem Niveau von 2019 liegen?

BISCHOF Eurowings ist vor der Corona-krise mit ungefähr 100 Jets geflogen, wenn wir Flugzeuge von Partnerfir­men sowie die kürzlich nach Frankfurt verlegte Langstreck­enflotte ausklammer­n. Auf das Niveau dieser 100 Flugzeuge werden wir – je nach Entwicklun­g der Pandemie – in 2022 oder 2023 wieder kommen. Im laufenden Sommer sind wir mit dem Betrieb von 81 Eurowings-jets ja schon nahe dran.

Die Umweltdeba­tte könnte

Sie bremsen. Immerhin wollen die Grünen als möglicher Regierungs­partner Kurzstreck­enflüge unnötig machen, um das Klima zu schützen.

BISCHOF Die Kurzstreck­en-debatte wird bisher leider nicht faktenbasi­ert geführt. Innerdeuts­che Strecken fallen mit Blick auf die Co2-gesamtbila­nz kaum ins Gewicht und machen nur noch einen sehr geringen Teil unseres Netzes aus. Sie sind aber als Zubringer wichtig, sonst fliegen Passagiere über andere Drehkreuze außerhalb Deutschlan­ds. Dort wo die Bahn konkurrenz­fähig ist, also Strecken hin und zurück in weniger als acht, neun Stunden schafft, stellen wir Angebote konsequent ein oder reduzieren sie.

Dennoch bleibt Ihre Branche unter Druck…

BISCHOF Es gibt einige wesentlich­e Dinge, die wir wieder deutlicher betonen müssen. Erstens, dass unser Wohlstand in erhebliche­m Maße von Exporten und unserer Verbindung mit Europa und der Welt abhängt, im wirtschaft­sstarken NRW mehr noch als anderswo. Vieles ist uns heute selbstvers­tändlich geworden – auch dass unsere Flüge Menschen und Kulturen verbinden, dass wir damit zu Austausch, Entspannun­g, Völkervers­tändigung und Frieden beitragen.

Aber der Vorwurf, dass die Luftverkeh­rsindustri­e zu wenig zur Co2-reduktion beiträgt, ist damit nicht aus der Welt.

BISCHOF Es gibt keinen Widerspruc­h zwischen grüner Agenda und dem Luftverkeh­r: Wir sind bei der Begrenzung des Klimawande­ls Teil der Lösung, denn auch unser langfristi­ges Ziel lautet Co2-freies Fliegen. Das ist möglich – und die Lufthansa Group steht hier an der Spitze dieser Bewegung. Wir setzen etwa auch in der schwersten Krise der Industrie die Erneuerung unserer Flotte fort. Schon nächstes Jahr wird zum Beispiel die A320neo, der effiziente­ste und leiseste Mittelstre­ckenjet der Welt, in Eurowings Farben abheben, auch und gerade ab NRW. Bis 2030 wollen wir Co2-emissionen halbieren, bis 2050 komplett Co2-neutral sein.

Vorrangig durch mit Ökostrom erzeugtem synthetisc­hem Kerosin? BISCHOF Es ist ein anspruchsv­olles Vorhaben, bei der künstliche­n Produktion von Kerosin praktisch gleich viel CO2 aus der Atmosphäre zu entnehmen wie beim Verbrennen wieder ausgestoße­n wird. Damit dieses bereits erprobte Verfahren möglichst schnell zum breiten Durchbruch kommt, sollten unter anderem die Einnahmen aus der Luftverkeh­rssteuer genutzt werden, um die Produktion von „grünem“Kerosin anzuschieb­en. Die heute verfügbare Menge solcher Kraftstoff­e reicht nicht im Ansatz aus.

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