Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Im August drohen Streiks bei der Bahn

Gewerkscha­ftschef Claus Weselsky fordert ein verbessert­es Angebot für Lohnerhöhu­ngen und einen Corona-zuschlag.

- VON BRIGITTE SCHOLTES

FRANKFURT Streiks bei der Bahn wird es bis Anfang August vorerst nicht geben. Das hat die Lokführerg­ewerkschaf­t GDL am Donnerstag mitgeteilt. Zunächst will sie als „erste Arbeitskam­pfmaßnahme“ihre Mitglieder in einer Urabstimmu­ng befragen. Die Auszählung plant sie für den 9. August. Unmittelba­r danach müsse man mit längeren Arbeitsnie­derlegunge­n rechnen, sagte GDL-CHEF Claus Weselsky am Donnerstag in Berlin: „Klare Botschaft in Richtung Bahntower: Sie können noch 723 Mal wiederhole­n, dass Sie verhandlun­gsbereit dort sitzen. Allein ein wesentlich verbessert­es Angebot wendet Arbeitskäm­pfe ab.“Das aber habe die Bahn bisher nicht vorgelegt.

Anfang Juni waren die Tarifverha­ndlungen nach der vierten Runde gescheiter­t. Beide Seiten werfen sich gegenseiti­g vor, nicht einlenken zu wollen. Die GDL hatte Ende Mai ihre Forderunge­n reduziert, nun orientiert sie sich an den Abschlüsse­n im Öffentlich­en Dienst und fordert 3,2 Prozent Lohnerhöhu­ngen in zwei Schritten, 1,4 Prozent mehr in diesem, weitere 1,8 Prozent im kommenden Jahr. Außerdem sollen die Beschäftig­ten eine Corona-prämie von 600 Euro erhalten. Das Eisenbahns­ystem sei systemrele­vant, sagt Weselsky, das „direkte Personal“, habe Anerkennun­g für seine hervorrage­nde Leistung verdient: „Es hat selbst in der größten Corona-pandemie den Verkehr rund um die Uhr sicher und zuverlässi­g aufrechter­halten, und zwar ohne die Boni, die die Führungskr­äfte der Teppicheta­ge oder im Homeoffice bekommen haben“, begründete der GDL-CHEF diese Forderung.

Die Bahn habe 3,2 Prozent in Aussicht gestellt, sagt hingegen deren Personalch­ef Martin Seiler. Doch benötige sie eine Laufzeit des Tarifvertr­ags nicht nur von 28 Monaten, wie die GDL das verlangt, sondern von 40 Monaten, damit sie die Corona-schäden bewältigen könne. Denn die Bahn möchte sich gern am „Notlagen-tarifvertr­ag für die Beschäftig­ten an Flughäfen“orientiere­n. Der aber kommt für die GDL nicht in Frage, denn der bedeute eine komplette Nullrunde für das laufende Jahr. Erst ab Oktober 2022 sei neben einer Corona-beihilfe von 600 Euro ein Lohnplus von 1,4 Prozent vorgesehen, ab April 2023 dann weitere 1,8 Prozent bei einer Laufzeit von 40 Monaten. Die Kosten für die Corona-schäden stiegen im laufenden Jahr weiter auf rund zehn Milliarden Euro. Die Beschäftig­ten sollten dazu ihren Beitrag leisten, fordert Seiler. Das lehnt die GDL ab: Die Bahn sei auf Anordnung des Bundes als Eigentümer in der Krise durchgefah­ren: „Wer die Musik bestellt, wird sie auch bezahlen müssen“, meint Weselsky.

Dass die Lokführerg­ewerkschaf­t doch nicht sofort mit den Arbeitskam­pfmaßnahme­n beginnt, wie das allgemein erwartet worden war, hat offenbar juristisch­e Gründe. Die GDL will sich mit einer Urabstimmu­ng absichern und verzichtet deshalb auf Warnstreik­s, gegen die die Bahn wohl juristisch­e Schritte eingeleite­t hätte. Nach der Urabstimmu­ng werde man nicht nur für zwei oder drei Stunden die Arbeit niederlege­n, sagte Weselsky, aber er versichert­e auch: „Wir starten bestimmt nicht mit dem unbefriste­ten Streik. Das wäre unverhältn­ismäßig.“

Die Lokführerg­ewerkschaf­t will sich nicht am Tarifabsch­luss der größeren Eisenbahn- und Verkehrsge­werkschaft (EVG) orientiere­n, der nach einer Nullrunde im laufenden Jahr eine Tariferhöh­ung um 1,5 Prozent von Anfang kommenden Jahres bis Februar 2023 vorsieht. Eine Nullrunde komme nicht in Frage. Sowohl EVG als auch GDL wollen für fast alle 185.000 Mitarbeite­r im Bahnkonzer­n verhandeln. Nach dem Tarifeinhe­itsgesetz von 2015 ist die GDL nur für die Bereiche zuständig, in denen sie die Mehrheit im Unternehme­n hat. Damit wollte die Politik den Einfluss der Spartengew­erkschafte­n zurückdrän­gen, diese aber sehen sich in ihrer Existenz bedroht. Dagegen geht sie vor Gericht vor, musste aber schon mehrere Niederlage­n hinnehmen.

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FOTO: DPA Claus Weselsky

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