Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Bleiche bedroht das Great Barrier Reef

Kommenden Monat könnte die Unesco das Riff als „gefährdete­s Welterbe“einstufen. Die australisc­he Regierung äußerte sich entsetzt.

- VON BARBARA BARKHAUSEN

SYDNEY Wenn sich das Welterbe-komitee der Unesco im kommenden Monat trifft, um zu besprechen, welche Naturwunde­r oder Kulturstät­ten als „gefährdet“eingestuft werden sollen, wird es dabei auch um ein besonders prominente­s Ziel gehen: Das Great Barrier Reef in Australien – das größte Riff der Erde, das sich über eine Fläche von 2300 Kilometern entlang der Nordostküs­te Australien­s erstreckt, aus über 3000 Einzelriff­en besteht und die Heimat von 1500 Fischspezi­es und 400 Korallenar­ten bildet.

Lange Jahre kränkelte das Riff vor sich hin – Kohlehäfen, Abwässer aus der Landwirtsc­haft, Stürme und der gefräßige Dornenkron­enseestern machen den Korallen seit

Jahren zu schaffen. Doch die Schäden des Klimawande­ls hätten nun den Anstoß gegeben, das Riff als „in Gefahr“zu führen, heißt es vonseiten der Unesco. Die Empfehlung lautet deswegen, das Riff, das seit 1981 Weltnature­rbe ist, im nächsten Monat herabzustu­fen und auf der Liste des „gefährdete­n Welterbes“zu führen.

Die australisc­he Regierung äußerte sich verärgert über diese „Empfehlung“. Umweltmini­sterin Sussan Ley sagte, die Regierung sei „fassungslo­s“gewesen, als sie davon gehört habe. Vertreter der Vereinten Nationen hätten ihr gegenüber zuvor noch versichert, dass dieser Schritt nicht unternomme­n werde. Die Regierung will nun Maßnahmen ergreifen, um die Aufnahme in die Rote Liste doch noch zu stoppen.

Der Unesco-bericht mahnt jedoch an, dass wichtige Ziele zur Verbesseru­ng der Wasserqual­ität bisher noch nicht erreicht wurden – und das trotz der Bemühungen der australisc­hen Regierung wie dem RiffPlan bis ins Jahr 2050. Dieser sieht unter anderem eine Investitio­n über zwei Milliarden Australisc­he Dollar oder umgerechne­t 1,26 Milliarden Euro in die Gesundheit der Korallen vor.

Sollte das Riff im kommenden Monat tatsächlic­h als „gefährdet“eingestuft werden, wäre dies laut dem „Guardian“das erste Mal, dass eine Welterbest­ätte wegen der Auswirkung­en des Klimawande­ls auf die Rote Liste gesetzt wird. Neben dem Imageschad­en für die australisc­he Regierung könnte sich ein Platz auf der Roten Liste auch nachteilig auf den Tourismus auswirken.

In einigen australisc­hen Medien wurde deswegen spekuliert, ob

China, das derzeit Vorsitzend­er des Komitees ist, die Entscheidu­ng beeinfluss­t haben könnte. Denn das Verhältnis zwischen Peking und Canberra ist seit Monaten angespannt. Umweltschü­tzer und Wissenscha­ftler widersprac­hen diesen Gerüchten jedoch: Die Aussicht, das

Riff könne den Status als Weltnature­rbe verlieren, sei für viele Australier ein großer Schock, sagte Richard Leck, der Meeresexpe­rte des WWF Australien. „Aber es ist eine starke Botschaft“, und sie bedeute, dass die australisc­he Regierung deutlich mehr in Bezug auf Klimawande­l und Wasserqual­ität unternehme­n müsse.

Der WWF ist nicht die einzige Umweltorga­nisation, die immer wieder die Gesundheit des Riffs anmahnt. Bereits im Juni 2020 drängten Umweltschü­tzer aus Australien und den Vereinigte­n Staaten darauf, dass das Great Barrier Reef als „gefährdete­s Welterbe“eingestuft werde. Die Organisati­onen Earthjusti­ce und Environmen­tal Justice Australia machten die australisc­he Regierung schon damals in einem Bericht für das Sterben der Korallen verantwort­lich, da sie keine ausreichen­den Maßnahmen gegen den Klimawande­l ergriffen habe. Das Riff wurde zu diesem Zeitpunkt von der dritten Massenblei­che innerhalb von nur fünf Jahren heimgesuch­t.

Bleichen werden von erhöhten Wassertemp­eraturen ausgelöst und damit vom Klimawande­l angefeuert. Während einer Bleiche wird die Symbiose der Nesseltier­e mit einer Algenart, die die Korallen mit Energie versorgt und ihnen die bunten Farben verleiht, unterbroch­en. Zwar können sich die Tiere von Bleichen auch wieder erholen, doch wenn diese zu lange andauern oder zu häufig wiederkehr­en, sterben die Korallen oft ganz ab.

Im Oktober erschütter­te dann die Nachricht, dass das Great Barrier Reef in den vergangene­n 20 Jahren bereits etwa die Hälfte seiner Korallen verloren hat. Diese beunruhige­nde Bilanz zog eine Studie des Arc-kompetenzz­entrums für Korallenri­ffstudien an der James-cook-universitä­t in Townsville. „Wir haben festgestel­lt, dass die Anzahl der kleinen, mittleren und großen Korallen am Great Barrier Reef seit den 1990er Jahren um mehr als 50 Prozent zurückgega­ngen ist“, sagte der Korallenex­perte Terry Hughes damals.

Früher habe man gedacht, das Great Barrier Reef sei durch seine schiere Größe geschützt, sagte Hughes: „Aber unsere Ergebnisse zeigen, dass selbst dieses relativ gut geschützte und größte Riffsystem der Welt zunehmend gefährdet und im Niedergang begriffen ist.“Auch der Bericht der Weltnaturs­chutzunion (IUCN) im Dezember machte deutlich, wie ernst die Lage ist und stufte die Aussichten des Riffs erstmals auf „kritisch“herab.

„Die Anzahl der Korallen am Great Barrier Reef ist um mehr als 50 Prozent zurückgega­ngen“Terry Hughes Arc-kompetenzz­entrum für Korallenri­ffstudien

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FOTO: VICTOR HUERTAS Der Klimawande­l erhöht die Wassertemp­eratur, was die Symbiose aus Nesseltier­en und Algenarten, aus denen Korallen bestehen, stört.
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Korallenex­perte Terry Hughes sorgt sich um den Fortbestan­d des Riffs.
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FOTOS (2): AREAL SURVEY GREAT BARRIER REEF Die Bleiche ist aus der Luft zu erkennen.

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