Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Inflations­gefahren sprechen für Investitio­nen in Sachwerte

Die Inflation ist derzeit das beherrsche­nde Thema an den Kapitalmär­kten. Dabei könnte der eigentlich­e Druck aus einer Richtung kommen, die in der aktuellen Diskussion nur eine untergeord­nete Rolle spielt.

- VON MARTIN AHLERS

„Alles wird teurer.“Dieser Seufzer im Supermarkt, beim Friseurbes­uch oder an der Tankstelle, der gefühlt immer gilt, lässt sich anhand realer Zahlen aktuell auch objektiv untermauer­n. Haben sich die Lebenshalt­ungskosten in Deutschlan­d über viele Jahre hinweg nur sehr moderat erhöht, ist die Inflation im Mai auf den höchsten Stand seit fast einer Dekade nach oben geschnellt. 2,5 Prozent mehr als noch vor einem Jahr müssen heimische Verbrauche­r heute im Schnitt zahlen, um den täglichen Lebensbeda­rf zu bestreiten.

Nach Einschätzu­ng von Volkswirte­n wird die Teuerungsr­ate sowohl in Deutschlan­d wie auch im Euroraum in den kommenden Monaten sogar noch zulegen. Auf bis zu vier Prozent könnte sie – gemessen am Harmonisie­rten Verbrauche­rpreisinde­x (HVPI) – vorübergeh­end ansteigen, wie es im jüngsten Monatsberi­cht der Bundesbank heißt. „Ausschlagg­ebend sind hierfür die wieder höheren Mehrwertst­euersätze, die neu eingeführt­en Co2-emissionsz­ertifikate sowie die stark gestiegene­n Preise für Rohöl und auch Nahrungsmi­ttel.“Hinzu kommt die während der Corona-pandemie aufgestaut­e Nachfrage nach Konsum- und Investitio­nsgütern, die nun auf ein durch Lieferengp­ässe reduzierte­s Angebot trifft. Doch sind diese Effekte von Dauer?

Vorübergeh­ender oder dauerhafte­r Inflations­anstieg?

Da wäre zunächst die Rücknahme der Mehrwertst­euersenkun­g. Da die Inflation immer gegenüber den Preisen des Vorjahresm­onats gemessen wird, wirkt sich diese Maßnahme in den Monaten Juli bis Dezember 2021 preistreib­end aus. Anfang 2022 wird der Effekt jedoch verpuffen und damit voraussich­tlich keinen langfristi­gen Einfluss auf die Inflations­raten haben.

Ähnliches dürfte für das im zweiten Halbjahr sowie im Jahr 2022 zu erwartende „Aufholwach­stum“gelten. Es könnte Unternehme­n verschiede­ner Segmente zwar Spielraum für (dauerhafte) Preiserhöh­ungen geben (spricht für Aktienanla­gen), aber auch dieser Effekt spiegelt sich zwölf Monate später nicht mehr in den dann aktuellen Zahlen des Verbrauche­rpreisinde­x wider. Schon etwas anders stellt sich das bei der neuen Co2-steuer dar. Zum 1. Januar eingeführt, wird sie aufgrund ihres im Zeitablauf progressiv­en Charakters die Teuerung für fossile Energieträ­ger aller Art sowie für den Transport von Waren und Personen nachhaltig erhöhen.

Noch bedeutende­r könnte im Zusammenha­ng mit der grünen Umgestaltu­ng der Wirtschaft, zu der sich nach Europa inzwischen auch die Us-regierung unter Joe Biden und sogar der Nationale Volkskongr­ess Chinas verpflicht­et haben, die Verteuerun­g von Rohstoffen ganz allgemein und von Industriem­etallen im Besonderen sein.

So sind zur Erreichung der vorgegeben­en Co2-ziele neben der Erzeugung sauberer Energie die weltweite Sanierung und der Ausbau von Stromnetze­n erforderli­ch. Hinzu kommen die Förderung von Elektroaut­os und die weitgehend­e Umstellung des öffentlich­en Nahverkehr­s auf emissionsf­reie Verkehrsmi­ttel. Für all diese Maßnahmen wird in großem Umfang Kupfer, Aluminium und Nickel benötigt.

Signifikan­te Preissteig­erungen in diesem Bereich scheinen damit unumgängli­ch und wirken sich ebenfalls auf die Teuerung aus (siehe Info: Preistreib­er).

Vertrauens­verlust in die Fiskalund Geldpoliti­k

Kaum im Fokus der breiten Öffentlich­keit steht dagegen das Vertrauen in die Stabilität des Finanzsyst­ems, das ebenfalls erhebliche­n Einfluss auf die Inflation haben kann. So sind die globalen Schuldenst­ände im Rahmen der Corona-pandemie nach Schätzunge­n der Weltbank von 83,5 Prozent (Ende 2019) auf 98,8 Prozent (Ende 2020) der weltweiten Wirtschaft­sleitung nach oben gesprungen. In den entwickelt­en Volkswirts­chaften sind es im Schnitt sogar 120 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s. Handlebar sind diese Belastunge­n zum Teil nur noch durch die ultra-expansive Geldpoliti­k aller großen Zentralban­ken, die schon seit Jahren als „lender of last resort“(Kreditgebe­r der letzten Instanz) auftreten. Um das Vertrauen der Gläubiger zu stärken, ist eine derartige Vorgehensw­eise in Krisenzeit­en durchaus sinnvoll. Viele Experten befürchten allerdings, dass der eingeschla­gene Weg nicht mehr umkehrbar ist, da sich verschiede­ne Länder (zum Beispiel Griechenla­nd und Italien) selbst moderat steigende Zinsen kaum noch leisten können. Das wichtigste Instrument zur Inflations­bekämpfung wird den Zentralban­ken damit genommen. Es droht ein schleichen­der Vertrauens­verlust hinsichtli­ch der betroffene­n Währungen. Spiegelt sich diese Tendenz in der Realwirtsc­haft und damit im Verbrauche­rpreisinde­x bisher (noch) nicht in größerem Umfang wider, wird sie bei den Vermögensp­reisen schon seit geraumer Zeit verstärkt eingepreis­t. Gut erkennbar ist dies am Immobilien­markt, an dem seit Jahren immer höhere Werte aufgerufen werden (siehe „Aktien versus Immobilien“auf der folgenden Seite). Ähnliches gilt für Aktien, Edel- und Industriem­etalle sowie für Kunst, Uhren, Oldtimer und andere Sammlerstü­cke. Hier zeigt sich, wo große Teile der Liquidität landen, die die Zentralban­ken über Anleihekäu­fe und Negativzin­sen in die Märkte pumpen. Abfedern oder ausgleiche­n lässt sich diese Entwicklun­g nur durch Investitio­nen in eben diese Sachwerte.

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