Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Inflationsgefahren sprechen für Investitionen in Sachwerte
Die Inflation ist derzeit das beherrschende Thema an den Kapitalmärkten. Dabei könnte der eigentliche Druck aus einer Richtung kommen, die in der aktuellen Diskussion nur eine untergeordnete Rolle spielt.
„Alles wird teurer.“Dieser Seufzer im Supermarkt, beim Friseurbesuch oder an der Tankstelle, der gefühlt immer gilt, lässt sich anhand realer Zahlen aktuell auch objektiv untermauern. Haben sich die Lebenshaltungskosten in Deutschland über viele Jahre hinweg nur sehr moderat erhöht, ist die Inflation im Mai auf den höchsten Stand seit fast einer Dekade nach oben geschnellt. 2,5 Prozent mehr als noch vor einem Jahr müssen heimische Verbraucher heute im Schnitt zahlen, um den täglichen Lebensbedarf zu bestreiten.
Nach Einschätzung von Volkswirten wird die Teuerungsrate sowohl in Deutschland wie auch im Euroraum in den kommenden Monaten sogar noch zulegen. Auf bis zu vier Prozent könnte sie – gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) – vorübergehend ansteigen, wie es im jüngsten Monatsbericht der Bundesbank heißt. „Ausschlaggebend sind hierfür die wieder höheren Mehrwertsteuersätze, die neu eingeführten Co2-emissionszertifikate sowie die stark gestiegenen Preise für Rohöl und auch Nahrungsmittel.“Hinzu kommt die während der Corona-pandemie aufgestaute Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern, die nun auf ein durch Lieferengpässe reduziertes Angebot trifft. Doch sind diese Effekte von Dauer?
Vorübergehender oder dauerhafter Inflationsanstieg?
Da wäre zunächst die Rücknahme der Mehrwertsteuersenkung. Da die Inflation immer gegenüber den Preisen des Vorjahresmonats gemessen wird, wirkt sich diese Maßnahme in den Monaten Juli bis Dezember 2021 preistreibend aus. Anfang 2022 wird der Effekt jedoch verpuffen und damit voraussichtlich keinen langfristigen Einfluss auf die Inflationsraten haben.
Ähnliches dürfte für das im zweiten Halbjahr sowie im Jahr 2022 zu erwartende „Aufholwachstum“gelten. Es könnte Unternehmen verschiedener Segmente zwar Spielraum für (dauerhafte) Preiserhöhungen geben (spricht für Aktienanlagen), aber auch dieser Effekt spiegelt sich zwölf Monate später nicht mehr in den dann aktuellen Zahlen des Verbraucherpreisindex wider. Schon etwas anders stellt sich das bei der neuen Co2-steuer dar. Zum 1. Januar eingeführt, wird sie aufgrund ihres im Zeitablauf progressiven Charakters die Teuerung für fossile Energieträger aller Art sowie für den Transport von Waren und Personen nachhaltig erhöhen.
Noch bedeutender könnte im Zusammenhang mit der grünen Umgestaltung der Wirtschaft, zu der sich nach Europa inzwischen auch die Us-regierung unter Joe Biden und sogar der Nationale Volkskongress Chinas verpflichtet haben, die Verteuerung von Rohstoffen ganz allgemein und von Industriemetallen im Besonderen sein.
So sind zur Erreichung der vorgegebenen Co2-ziele neben der Erzeugung sauberer Energie die weltweite Sanierung und der Ausbau von Stromnetzen erforderlich. Hinzu kommen die Förderung von Elektroautos und die weitgehende Umstellung des öffentlichen Nahverkehrs auf emissionsfreie Verkehrsmittel. Für all diese Maßnahmen wird in großem Umfang Kupfer, Aluminium und Nickel benötigt.
Signifikante Preissteigerungen in diesem Bereich scheinen damit unumgänglich und wirken sich ebenfalls auf die Teuerung aus (siehe Info: Preistreiber).
Vertrauensverlust in die Fiskalund Geldpolitik
Kaum im Fokus der breiten Öffentlichkeit steht dagegen das Vertrauen in die Stabilität des Finanzsystems, das ebenfalls erheblichen Einfluss auf die Inflation haben kann. So sind die globalen Schuldenstände im Rahmen der Corona-pandemie nach Schätzungen der Weltbank von 83,5 Prozent (Ende 2019) auf 98,8 Prozent (Ende 2020) der weltweiten Wirtschaftsleitung nach oben gesprungen. In den entwickelten Volkswirtschaften sind es im Schnitt sogar 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Handlebar sind diese Belastungen zum Teil nur noch durch die ultra-expansive Geldpolitik aller großen Zentralbanken, die schon seit Jahren als „lender of last resort“(Kreditgeber der letzten Instanz) auftreten. Um das Vertrauen der Gläubiger zu stärken, ist eine derartige Vorgehensweise in Krisenzeiten durchaus sinnvoll. Viele Experten befürchten allerdings, dass der eingeschlagene Weg nicht mehr umkehrbar ist, da sich verschiedene Länder (zum Beispiel Griechenland und Italien) selbst moderat steigende Zinsen kaum noch leisten können. Das wichtigste Instrument zur Inflationsbekämpfung wird den Zentralbanken damit genommen. Es droht ein schleichender Vertrauensverlust hinsichtlich der betroffenen Währungen. Spiegelt sich diese Tendenz in der Realwirtschaft und damit im Verbraucherpreisindex bisher (noch) nicht in größerem Umfang wider, wird sie bei den Vermögenspreisen schon seit geraumer Zeit verstärkt eingepreist. Gut erkennbar ist dies am Immobilienmarkt, an dem seit Jahren immer höhere Werte aufgerufen werden (siehe „Aktien versus Immobilien“auf der folgenden Seite). Ähnliches gilt für Aktien, Edel- und Industriemetalle sowie für Kunst, Uhren, Oldtimer und andere Sammlerstücke. Hier zeigt sich, wo große Teile der Liquidität landen, die die Zentralbanken über Anleihekäufe und Negativzinsen in die Märkte pumpen. Abfedern oder ausgleichen lässt sich diese Entwicklung nur durch Investitionen in eben diese Sachwerte.