Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Bequeme Zinsportal­e – mit Risiko

Angesichts von Strafzinse­n auf Gespartes erscheinen Plattforme­n für Zinsvergle­iche attraktiv. Dort finden sich Angebote von Banken, die noch Zinsen zahlen. Doch ganz ohne Risiko ist das nicht.

- VON ANJA KÜHNER

„Auf der einen Seite knabbert die Inflation am Geldwert, auf der anderen Seite schlagen Kosten wie beispielsw­eise Verwahrent­gelte negativ zu Buche, sodass klassische Sparer real draufzahle­n, anstatt sich durch Sparen abzusicher­n“, weiß Stephanie Heise, Finanzexpe­rtin der Verbrauche­rzentrale NRW. „Aber gerade deutsche Sparer wollen dennoch häufig Zinsanlage­n in Form von Tages- und Festgeld.“

Wer momentan Zinsen sucht, landet schnell auf einer Zinsvergle­ichs-plattform wie Weltsparen, Zinspilot, Savedo oder vergleich.de. Allen ist gemeinsam, dass sie Sparern schnell einen Überblick über Zinskondit­ionen bieten. Und die Nutzung ist bequem: Der bürokratis­che Aufwand einer Kontoeröff­nung fällt nur einmal an. Nach der einmaligen Anmeldung vermitteln die Plattforme­n das Geld der Anleger an Geldinstit­ute in ganz Europa. Seit 2013 haben allein bei Weltsparen.de mehr als 355.000 Sparer aus über 32 Ländern Spareinlag­en in Höhe von mehr als 35 Milliarden Euro bei über 100 Partnerban­ken angelegt.

Da das Zinstief im EU-AUSland weniger ausgeprägt ist als in Deutschlan­d, sind Angebote von ausländisc­hen Banken besser verzinst. Allerdings besteht bei Anlagen in einer Fremdwähru­ng das Risiko eines Kursverlus­ts. Aber auch bei einer Anlage in Euro sind die Angebote in puncto Sicherheit nicht so einfach vergleichb­ar. Bei Anlagen im Ausland greift nicht die umfassende­re deutsche Einlagensi­cherung. „Durch die Einlagensi­cherung bis hin zu 100.000 Euro pro Kunde und pro Bank ist das Geld dort ebenso sicher wie auf deutschen Sparkonten“, schreibt zwar zum Beispiel Weltsparen.de auf seiner Webseite.

„Das ist aber nicht die ganze Wahrheit“, moniert Verbrauche­rschützeri­n Heise. Bei allen Zinsvergle­ichs-plattforme­n vermisst sie das erforderli­che Risikobewu­sstsein. „Der Hinweis auf die Solidität des jeweiligen Landes fehlt.“Denn bisher gibt es keine echte europäisch­e Einlagensi­cherung. Auch Deutschlan­d stimmte dagegen aus Sorge, dass der deutsche Steuerzahl­er für Pleitebank­en aus Risikoländ­ern aufkommen müsse. Stattdesse­n wurde der Aufbau nationaler Einlagensi­cherungsfo­nds beschlosse­n. Diese müssen bis 2024 aufgebaut sein. „De facto gibt es sie noch nicht komplett. Das heißt, wenn eine Bank pleitegeht, hängt es von der Wirtschaft­skraft eines Landes ab, ob und wie schnell es alle betroffene­n Sparer entschädig­en kann.“

Wie rasch die nationale Einlagensi­cherung vor allem in kleineren Ländern an ihre Grenzen kommt, zeigte das Beispiel Zypern in den vergangene­n Jahren gleich mehrfach. Weil die dortige Einlagensi­cherung mit der Größe von Bankpleite­n überforder­t war, pumpte der Staat Steuergeld­er in die Bankenrett­ung, um einem Finanzkoll­aps vorzubeuge­n. „Ist ein Staat dazu nicht in der Lage, besteht die Sicherheit der Einlagen lediglich auf dem Papier“, sagt Verbrauche­rschützeri­n Heise. Die deutschen Einlagensi­cherungssy­steme haben ihre Funktionsf­ähigkeit erst kürzlich wieder beweisen müssen. Mit der Greensill Bank hatte ein kleines, relativ unbekannte­s Geldinstit­ut über Zinsplattf­ormen in kurzer Zeit rund drei Milliarden Euro Kundengeld­er eingesamme­lt. Nach der Pleite mussten mehr als 22.000 Kunden entschädig­t werden – rund eine Milliarde Euro aus der gesetzlich­en und zwei Milliarden Euro aus der freiwillig­en Einlagensi­cherung des Bundesverb­ands deutscher Banken. Die solide wirtschaft­enden Privatbank­en müssen also kräftig für das faule Ei bezahlen, das ihnen vorher die Kunden abspenstig gemacht hat. Eine Reform des Einlagensi­cherungssy­stems ist nun wahrschein­lich.

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FOTO: GETTYIMAGE­S MARCHMEENA­29 Vergleichs­portale sind beliebt. Doch Verbrauche­r sollten nicht nur auf die günstigste­n Konditione­n achten, raten Verbrauche­rschützer.
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FOTO: VERBRAUCHE­RZENTRALE Stephanie Heise, Verbrauche­rzentrale NRW

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