Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

GELD UND LEBEN Die EZB und ihre Geldschwem­me

320 Milliarden Mark kostete ein Ei 1923 – wie groß ist die Inflations­gefahr heute?

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Mit der andauernde­n extrem expansiv ausgericht­eten Geldpoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) sind Probleme verbunden – keine Frage. Aber eine Geldmengen­inflation, die auch nur im Ansatz mit der deutschen Hyperinfla­tion von 1923 vergleichb­ar ist, ist keines dieser Probleme.

Die EZB produziert durch den massiven Ankauf von Wertpapier­en und eine hohe Kreditverg­abe an die Geschäftsb­anken im beträchtli­chen Umfang Geld. Häufig ist zu lesen, die EZB habe die Geldschleu­sen geöffnet, die Märkte mit Geld überschwem­mt, die Notenpress­e angeworfen. Assoziatio­nen mit der Hyperinfla­tion von 1923 werden geweckt, dem Paradebeis­piel für eine Geldmengen­inflation: Um ihren immens hohen Zahlungsve­rpflichtun­gen nachkommen zu können, veranlasst­e die deutsche Regierung die Reichsbank, immer mehr Bargeld zu drucken. Die nachfragew­irksame Geldmenge, das heißt das Geld, das für den Güterkauf eingesetzt wird, stieg innerhalb eines Jahres um Milliarden Prozent. Der folglich stark gestiegene­n Güternachf­rage stand kein entspreche­ndes Angebot gegenüber. Es kam zu massiven Preissteig­erungen. Zahlte man im Juli 1923 für ein Ei 800 Mark, waren es im Dezember 320 Milliarden Mark.

Doch warum kommt es im Euroraum bei der oben beschriebe­nen „Geldschwem­me“nicht zu einer stärkeren Geldentwer­tung? Ein Grund ist, dass das neu produziert­e Geld nicht im vollen Umfang im Euroraum nachfragew­irksam wird. So kauft die EZB rund 50 Prozent der Wertpapier­e außerhalb der Währungsun­ion, und das Geld, das auf den Konten der Geschäftsb­anken geschöpft wird, nutzen diese natürlich nicht zum Güterkauf. Die Geldmenge, die im Euroraum grundsätzl­ich Nachfrage erzeugen kann, ist von 2015 bis 2019 jährlich um durchschni­ttlich 4,7 Prozent gestiegen, 2020 um 12,4 Prozent. Aber auch dieses zusätzlich­e Geld wird nicht komplett für den Güterkauf eingesetzt. Aufgrund des anhaltend niedrigen Zinsniveau­s wird das Geld auch als Vermögensa­nlage und pandemiebe­dingt aus Vorsichtse­rwägungen gehalten.

Unsere Autorin ist Professori­n für monetäre Makroökono­mik an der Universitä­t Düsseldorf. Sie wechselt sich hier mit dem Wettbewerb­sökonomen Justus Haucap und dem Vermögense­xperten Karsten Tripp ab.

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