Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Impftermine für alle Kinder ab 12 in NRW
Die Delta-variante ist in NRW bereits für 29 Prozent der Corona-infektionen verantwortlich. Die Impfkommission ändert ihre Empfehlung zu Astrazeneca: Nun soll es für alle Biontech oder Moderna als zweite Dosis geben.
DÜSSELDORF Die Delta-variante ist weiter auf dem Vormarsch. Bundesweit gehen mittlerweile 34 Prozent der Corona-infektionen auf die zuerst in Indien aufgetretene Mutation zurück, in der vergangenen Woche gab es 609 Infektionen durch Delta. Das geht aus dem aktuellen Varianten-report des Robert-koch-instituts (RKI) hervor. In NRW gab es 119 Neuinfektionen mit Delta, das sind 29 Prozent der Fälle. Der Anteil hat sich damit gegenüber der Vorwoche verdoppelt. „Es ist damit zu rechnen, dass sich Delta gegenüber den anderen Varianten durchsetzen wird“, schreibt das RKI. Schon in dieser Woche dürfte die Delta-variante mindestens die Hälfte aller Neuinfektionen ausmachen. Das hat gravierende Folgen für das Impfen.
Die Ständige Impfkommission (Stiko) ändert nun ihre Empfehlung für die Impfung mit Astrazeneca. So sollen Menschen, die eine erste Dosis des britischen Herstellers erhalten haben, künftig unabhängig vom Alter als zweite Dosis einen mrna-impfstoff wie Biontech oder Moderna bekommen, teilte das Gremium am Donnerstag mit. Der Abstand zwischen erster und zweiter Dosis solle mindestens vier Wochen betragen. „Die heterologe Impfung funktioniert sehr gut und zeigt immunologisch beste Ergebnisse“, sagte Stiko-chef Thomas Mertens unserer Redaktion.
Offen ist, was aus Bürgern wird, die in den nächsten Wochen einen Astrazeneca-termin in den Nrw-impfzentren oder beim Hausarzt haben. In NRW haben 2,2 Millionen Bürger eine erste Dosis von Astrazeneca erhalten, 0,6 Millionen sind zweimal damit geimpft. Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern kommen am Freitag zu einer Sondersitzung zusammen, um über den Umgang mit Astrazeneca zu beraten.
„Die Liefermengen von Biontech werden in den nächsten Wochen mit größter Wahrscheinlichkeit alle Zweitimpfungen mit dem MRNAImpfstoff ermöglichen – auch für die zunächst mit Astrazeneca Geimpften“, sagt Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein. Er hält die Entscheidung der Stiko für gut: „Vielleicht können wir bald auch eine Kehrtwende der Stiko bei Impfungen für Kinder ab zwölf feststellen. Auch da zeigt sich immer deutlicher, dass die Impfung gut verträglich und besonders wirksam ist.“
Bislang empfiehlt die Stiko die Impfung nur für Kinder mit Vorerkrankung. Zugelassen ist der Impfstoff in der EU aber für alle Kinder ab zwölf Jahren. Angesichts der Delta-variante, die in Großbritannien auch bei Kindern zu Klinikeinweisungen führt, wächst der Druck auf die Stiko. Das Nrw-gesundheitsministerium weist darauf hin, dass sich alle ab zwölf Jahren impfen lassen können: „Grundsätzlich begrüßt es das Ministerium, wenn so viele Menschen geimpft werden können wie möglich. Deshalb können Jugendliche ab 16 Jahren für einen Impftermin die Impfzentren aufsuchen und alle Kinder ab zwölf Jahren nach ärztlicher Aufklärung einen Impftermin bei den niedergelassenen Arztpraxen oder Kinderärzten vereinbaren.“
Auch Kanzleramtsminister Helge Braun setzt darauf, dass die Stiko reagiert. „Aufgrund der weiteren Erfahrungen mit den Kampagnen in anderen Ländern bei den Zwölf- bis 15-Jährigen hoffe ich, dass wir vielleicht zu einer breiteren Empfehlung für Kinder ab zwölf durch die Impfkommission kommen“, sagte Braun der „Stuttgarter Zeitung“.
Mit dem Vormarsch der Delta-variante rücken auch Auffrischungsimpfungen näher. Stiko-chef Mertens hält aber die Datenlage noch für zu dünn, um klare Empfehlungen abzugeben. „Für eine solide Antwort braucht es noch Daten, Zeit und Arbeit“, sagte Mertens. Zudem könne die Dauer der Schutzwirkung nur in Verlaufsstudien bestimmt werden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, man bereite mögliche Auffrischungsimpfungen für pflegebedürftige Menschen in Pflegeeinrichtungen „gedanklich“bereits vor. „Ich rechne bald mit Empfehlungen der Impfkommission, was immunsupprimierte Menschen angeht und die Notwendigkeit einer Auffrischimpfung“, so Spahn. In die konkrete Vorbereitung wollte sich der Stiko-chef indes nicht einmischen: „Ich weiß aktuell nicht genau, wie die Planungen aussehen, und es ist auch nicht unsere Stiko-aufgabe.“