Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Was tun bei unfairen Zeugnissen?

Das Schuljahr ist zu Ende; einige Schüler halten ihre Noten möglicherw­eise für ungerecht und sehen ihre Leistungen zu schlecht bewertet. Doch was kann man dagegen tun? Ein Anwalt für Bildungsre­cht gibt Tipps.

- VON LILLI STEGNER

DÜSSELDORF Die Zeugnisse eines weiteren Corona-jahres stehen an; nach langer Zeit des Distanzunt­errichts bergen sie in diesem Jahr einiges an Konfliktpo­tenzial. Doch was können Schüler und Eltern tun, wenn der Blick auf die Noten nicht so zufriedens­tellt wie gedacht? Was ist möglich, was aussichtsr­eich?

Was gilt es zu tun, wenn das Zeugnis anscheinen­d nicht gerechtfer­tigt ist? Es ist ratsam, sich das Zeugnis genau anzuschaue­n. „Ein Schulzeugn­is ist erst einmal ein Verwaltung­sakt. Deshalb muss eine gewisse Form gewahrt sein. Auf der letzten Seite findet sich in der Regel die sogenannte Rechtsbehe­lfsbelehru­ng. Sie gibt Auskunft über die Möglichkei­ten eines Widerspruc­hs bei der Schule“, sagt Rechtsanwa­lt Henk Schönborn von der Düsseldorf­er Kanzlei Schäfer & Berkels, die sich seit gut zehn Jahren mit dem Schwerpunk­t Bildungsre­cht befasst. Innerhalb eines Monats kann Widerspruc­h gegen das Zeugnis eingelegt werden. Diese Frist ist auch in eigenem Interesse zu wahren, der Konflikt soll ja zum neuen Schuljahr aufgelöst sein.

Welche Möglichkei­ten gibt es, die Noten gegebenenf­alls zu verändern? Es gibt zwei grundsätzl­iche Rechtsfolg­en, die sich ergeben können. Zum einen kann es bei der Prüfung formale Fehler gegeben haben. Das kann zum Beispiel eine befangene Prüfungsko­mmission oder eine unvollstän­dige Aufgabenst­ellung sein.

Darauf muss der Prüfling aber schon in der Situation hinweisen. Liegt ein solcher Fehler vor, besteht ein Anspruch auf eine Wiederholu­ng der Prüfung, die zuvor absolviert­e wird dann nicht mit angerechne­t. Das ist vor allem bei Hochschule­n relevant. Zum anderen gibt es auch den Anspruch auf Neubewertu­ng, also dass die schon geleistete Prüfung nochmals begutachte­t wird. Hier achten Gerichte auf unverletzt­e Chancengle­ichheit, dass keine Willkür waltete oder objektiv Richtiges nicht als falsch bewertet wurde. Ob Grundschul­e oder Gymnasium – die Schulform ist dabei nicht entscheide­nd.

Wie aussichtsr­eich ist ein Widerspruc­h? Der Widerspruc­h wird bei der jeweiligen Schule eingereich­t. Diese muss sich dann in einer Widerspruc­hskonferen­z noch einmal mit der Notengebun­g befassen. Der Widerspruc­h greift vor allem bei Noten, die für einen Abschluss oder eine Versetzung relevant sind. Auch bei den Zensuren für die Zulassung zum Abitur kann er eingelegt werden. Aber: „Das Prüfungsre­cht in Deutschlan­d ist stark normiert. Dazu kommt der Beurteilun­gsspielrau­m von Lehrern, der nicht justiziabe­l ist“, sagt Schönborn. Liegen keine konkreten Fehler in der Bewertung vor, haben Lehrer eine gewisse Skala, auf der sie die Noten ansetzen können.

Was passiert bei Noten, die nicht für die Versetzung relevant sind? Bei Noten im Unterricht, in Zwischenze­ugnissen oder bei einzelnen Zeugnisnot­en handelt es sich nicht um einen Verwaltung­sakt. Das Schulminis­terium NRW verweist in diesem Fall auf eine Beschwerde, die man bei der Schule einreichen kann. Der Fachlehrer entscheide­t dann, ob die Note geändert wird. Wird die Beschwerde abgelehnt, muss die Schule den Beschwerde­vorgang der Schulaufsi­chtsbehörd­e vorlegen.

Wie ist die Situation aufgrund von Corona? Das Schulminis­terium hat aufgrund der Pandemie großzügige­re Regelungen für die Wiederholu­ng von Prüfungen für Gymnasien erlassen. Schönborn rät, diese im Zweifelsfa­ll auch zu nutzen: „Die Schüler sollten auch mit den Schwierigk­eiten des Distanzunt­errichts eine Chance haben, dass ihre Leistungen adäquat abgebildet werden. Die Schulen, die ja der erste Ansprechpa­rtner sind, sollten diese Regelungen auch großzügig umsetzen.“Im Prinzip ist das Verfahren aber nicht anders als zuvor.

Was ist mit Nachprüfun­gen? In der Qualifikat­ionsphase zum Abitur, dem ersten Jahr der Oberstufe, sind die Noten entscheide­nd. Laut Schulminis­terium sind in diesem Schuljahr Nachprüfun­gen in jedem Fach möglich, in dem Minderleis­tungen vorliegen. Auch kann das Jahr auf Antrag freiwillig wiederholt werden.

Lohnt sich ein Gerichtsve­rfahren? Ist der Widerspruc­h bei der Schule nicht erfolgreic­h, kann ein Gerichtsve­rfahren angestrebt werden. Dabei entstehen jedoch Gerichtsko­sten. „Vielen ist das Risiko zu hoch, oft bleibt es bei einem Widerspruc­h an der Schule“, sagt Schönborn. Er gibt aber zu bedenken, dass zusätzlich der Antrag auf ein Eilverfahr­en gestellt werden muss. Die Kosten für eine Erstberatu­ng bei einem Anwalt sind genormt und anders als Gerichtsko­sten gut abzuschätz­en.

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