Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Was tun bei unfairen Zeugnissen?
Das Schuljahr ist zu Ende; einige Schüler halten ihre Noten möglicherweise für ungerecht und sehen ihre Leistungen zu schlecht bewertet. Doch was kann man dagegen tun? Ein Anwalt für Bildungsrecht gibt Tipps.
DÜSSELDORF Die Zeugnisse eines weiteren Corona-jahres stehen an; nach langer Zeit des Distanzunterrichts bergen sie in diesem Jahr einiges an Konfliktpotenzial. Doch was können Schüler und Eltern tun, wenn der Blick auf die Noten nicht so zufriedenstellt wie gedacht? Was ist möglich, was aussichtsreich?
Was gilt es zu tun, wenn das Zeugnis anscheinend nicht gerechtfertigt ist? Es ist ratsam, sich das Zeugnis genau anzuschauen. „Ein Schulzeugnis ist erst einmal ein Verwaltungsakt. Deshalb muss eine gewisse Form gewahrt sein. Auf der letzten Seite findet sich in der Regel die sogenannte Rechtsbehelfsbelehrung. Sie gibt Auskunft über die Möglichkeiten eines Widerspruchs bei der Schule“, sagt Rechtsanwalt Henk Schönborn von der Düsseldorfer Kanzlei Schäfer & Berkels, die sich seit gut zehn Jahren mit dem Schwerpunkt Bildungsrecht befasst. Innerhalb eines Monats kann Widerspruch gegen das Zeugnis eingelegt werden. Diese Frist ist auch in eigenem Interesse zu wahren, der Konflikt soll ja zum neuen Schuljahr aufgelöst sein.
Welche Möglichkeiten gibt es, die Noten gegebenenfalls zu verändern? Es gibt zwei grundsätzliche Rechtsfolgen, die sich ergeben können. Zum einen kann es bei der Prüfung formale Fehler gegeben haben. Das kann zum Beispiel eine befangene Prüfungskommission oder eine unvollständige Aufgabenstellung sein.
Darauf muss der Prüfling aber schon in der Situation hinweisen. Liegt ein solcher Fehler vor, besteht ein Anspruch auf eine Wiederholung der Prüfung, die zuvor absolvierte wird dann nicht mit angerechnet. Das ist vor allem bei Hochschulen relevant. Zum anderen gibt es auch den Anspruch auf Neubewertung, also dass die schon geleistete Prüfung nochmals begutachtet wird. Hier achten Gerichte auf unverletzte Chancengleichheit, dass keine Willkür waltete oder objektiv Richtiges nicht als falsch bewertet wurde. Ob Grundschule oder Gymnasium – die Schulform ist dabei nicht entscheidend.
Wie aussichtsreich ist ein Widerspruch? Der Widerspruch wird bei der jeweiligen Schule eingereicht. Diese muss sich dann in einer Widerspruchskonferenz noch einmal mit der Notengebung befassen. Der Widerspruch greift vor allem bei Noten, die für einen Abschluss oder eine Versetzung relevant sind. Auch bei den Zensuren für die Zulassung zum Abitur kann er eingelegt werden. Aber: „Das Prüfungsrecht in Deutschland ist stark normiert. Dazu kommt der Beurteilungsspielraum von Lehrern, der nicht justiziabel ist“, sagt Schönborn. Liegen keine konkreten Fehler in der Bewertung vor, haben Lehrer eine gewisse Skala, auf der sie die Noten ansetzen können.
Was passiert bei Noten, die nicht für die Versetzung relevant sind? Bei Noten im Unterricht, in Zwischenzeugnissen oder bei einzelnen Zeugnisnoten handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt. Das Schulministerium NRW verweist in diesem Fall auf eine Beschwerde, die man bei der Schule einreichen kann. Der Fachlehrer entscheidet dann, ob die Note geändert wird. Wird die Beschwerde abgelehnt, muss die Schule den Beschwerdevorgang der Schulaufsichtsbehörde vorlegen.
Wie ist die Situation aufgrund von Corona? Das Schulministerium hat aufgrund der Pandemie großzügigere Regelungen für die Wiederholung von Prüfungen für Gymnasien erlassen. Schönborn rät, diese im Zweifelsfall auch zu nutzen: „Die Schüler sollten auch mit den Schwierigkeiten des Distanzunterrichts eine Chance haben, dass ihre Leistungen adäquat abgebildet werden. Die Schulen, die ja der erste Ansprechpartner sind, sollten diese Regelungen auch großzügig umsetzen.“Im Prinzip ist das Verfahren aber nicht anders als zuvor.
Was ist mit Nachprüfungen? In der Qualifikationsphase zum Abitur, dem ersten Jahr der Oberstufe, sind die Noten entscheidend. Laut Schulministerium sind in diesem Schuljahr Nachprüfungen in jedem Fach möglich, in dem Minderleistungen vorliegen. Auch kann das Jahr auf Antrag freiwillig wiederholt werden.
Lohnt sich ein Gerichtsverfahren? Ist der Widerspruch bei der Schule nicht erfolgreich, kann ein Gerichtsverfahren angestrebt werden. Dabei entstehen jedoch Gerichtskosten. „Vielen ist das Risiko zu hoch, oft bleibt es bei einem Widerspruch an der Schule“, sagt Schönborn. Er gibt aber zu bedenken, dass zusätzlich der Antrag auf ein Eilverfahren gestellt werden muss. Die Kosten für eine Erstberatung bei einem Anwalt sind genormt und anders als Gerichtskosten gut abzuschätzen.