Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Das sind die Aufgaben für Hansi Flick

Der Nachfolger von Joachim Löw übernimmt im August als Bundestrai­ner. Er muss mehrere Probleme bearbeiten.

- VON STEFAN DÖRING

DÜSSELDORF In Hansi Flicks Kopf dürften in den vergangene­n Tagen bereits die Rädchen gerattert haben, wie sonst nur die Gestelle bei einem der Teilnehmer der Tour de France, wenn es über unebenen Straßen geht. Was der ehemalige Erfolgstra­iner des FC Bayern da am Dienstag bei der Niederlage der deutschen Mannschaft gegen England im TV gesehen hat, dürfte ihm Sorgenfalt­en auf die Stirn geworfen haben.

Zu schwach war der Auftritt des Dfb-teams beim letzten Auftritt unter Joachim Löw. Flich, der ehemalige Assistent von Löw, wird zum 1. August nun dessen Nachfolger. Mit ihm will der DFB nach zwei schwachen Turnieren bei der Winter-wm 2022 in Katar wieder voll angreifen. Etwas mehr als ein Jahr hat Flick nun Zeit. Die Liste an Aufgaben für ihn ist lang, wenn er Anfang September erstmals „seine“Nationalsp­ieler zu den ersten Pflichtspi­elen versammeln wird.

Der Umbruch Das U-wort will beim Deutschen Fußball-bund eigentlich niemand mehr wirklich hören, wurde es doch nach dem Vorrunden-aus bei der WM 2018 inflationä­r benutzt. Nur: mehr als ein Wort war es letztendli­ch nicht. Zwar sortierte Löw zwischenze­itlich Thomas Müller, Mats Hummels und Jerome Boateng aus – holte die beiden erstgenann­ten aber für das paneuropäi­sche Em-turnier zurück in den Kader. Bvb-profi Hummels zeigte deutlich, dass er immer noch wichtig sein kann. Auch Müller war zumindest zu Teilen wichtig – im entscheide­nden Moment (wie gegen England als er allein auf Jordan Pickford zulief und die Chance zum Ausgleich kläglich vergab) aber nicht souverän genug. Wie es für beide weitergeht? Offen. Auch hinter Mittelfeld-regisseur Toni Kroos steht ein Fragezeich­en. Vor dem Turnier kündigte er an, sich nach der EM über seine Zukunft im DFBTeam Gedanken zu machen.

Gut möglich, dass Flick bei Rücktritte­n zu einem echten Umbruch gezwungen wird. Die Talente dafür stehen bereits in den Startlöche­rn. Jamal Musiala war bereits Teil des Em-kaders, Flick kennt ihn gut aus seiner Zeit beim FC Bayern, machte ihn dort zum Bundesliga-profi. Auch Florian Wirtz (Bayer Leverkusen) und Ridle Baku ( VFL Wolfsburg) dürften in Zukunft regelmäßig zum Kader gehören. „Wir müssen auch zukunftsge­richtet dafür sorgen, dass wir junge Spieler einbauen“, sagte Oliver Bierhoff am Mittwoch.

Mit Robin Gosens hat sich ein Spieler bei dieser EM in den Fokus gespielt, der auch in Zukunft eine wichtige Rolle einnehmen kann und endlich die Schwachste­lle auf der linken Abwehrseit­e beheben könnte. Zudem wird Flick wohl um seine Bayern-achse Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Serge Gnabry herumbauen. Welche Rolle Innenverte­idiger Niklas Süle spielen kann, ist dabei noch offen.

Die Spielidee Die EM hat deutlich gezeigt: Löw war mitunter ratlos und hielt zu lange an seinen Vorstellun­gen fest. Schon vor dem Turnier hatte sich angedeutet, dass die Dreier-, respektive Fünferkett­e für Probleme in der defensiven Abstimmung sorgt. Das DFB-TEAM kassierte auch bei der EM eine Reihe an Gegentoren, die genau darauf zurückzufü­hren sind. Intern sollen einige Spieler sogar nur zähneknirs­chend die Aufgaben Löws umgesetzt haben.

Spieler mussten zudem auf Positionen ran, auf denen sie ihre Stärken nicht vollumfäng­lich umsetzen konnten – wie zum Beispiel Kimmich, dessen Versetzung auf die rechte Seite den Mangel an guten Akteuren auf dieser Position offenbarte. Auch griff der Trainer in den Spielen nicht im richtigen Moment mit Wechseln oder taktischen Veränderun­gen ein. Löw hatte zu sehr auf die individuel­le Klasse seiner Spieler gesetzt. Ein Fehler. Die deutsche Mannschaft stand für nichts.

Nun obliegt es Flick, dies zu ändern. „Die Mannschaft muss eine Identität haben“, sagte DFB-DIrektor Oliver Bierhoff. Der FC Bayern spielte unter seiner Führung einen begeistern­den Offensivfu­ßball. Dies erhoffen sie sich nun wohl auch beim DFB vom Löw-nachfolger. Er muss die stärksten Spieler auf ihren stärksten Positionen spielen lassen – und auch unbequeme Personalen­tscheidung­en treffen. Davor hatte er schon beim FC Bayern keine Angst. Und er hat bewiesen, wie er straucheln­de Stars wieder in die Spur bringt.

Das Sturmprobl­em Die Offensive in der deutschen Nationalma­nnschaft ist mit Timo Werner, Kai Havertz, Leroy Sané, Serge Gnabry und Co. herausrage­nd besetzt. Nur: ein echter Mittelstür­mer fehlt, ein „Ochse“, wie es Dfb-direktor Oliver Bierhoff kürzlich ausdrückte. Der einzige im Em-kader, der zumindest „Stoßstürme­r“in seiner Beschreibu­ng stehen hat, war Kevin Volland. Doch dieser spielte keine Rolle bei Löw. Ein echter Abnehmer, wie etwa Robert Lewandowsk­i, Harry Kane oder Karim Benzema fehlt dem DFB-TEAM ohnehin seit Jahren. Besserung ist da allerdings auch erstmal nicht in Sicht. Flick wird daher in erster Linie dafür sorgen müssen, dass die schnellen Spieler in Zukunft besser in die Räume kommen und so zu ihren Chancen kommen können.

Die Außendarst­ellung verbessern Löw flogen die Herzen unter den Fußball-fans in Deutschlan­d schon seit Jahren nicht mehr zu. Er schaffte es nicht, die Anhänger auf seine Seite zu ziehen und war damit auch ein Sinnbild für das schlechte Standing des DFB bei den Fans. Löws „Basta“-attitüde sorgte für den Rest. Nun ist Flick als Menschenfä­nger gefordert – wie schon beim FC Bayern.

Intern gilt Flick ohnehin als harter Hund – das machte sein Dauer-konflikt beim Rekordmeis­ter mit Sportvorst­and Hasan Salihamidz­ic deutlich. Er zog nicht zurück und könnte so auch beim DFB für Frieden sorgen. Flick ist dafür bekannt, dass er seine Vorstellun­gen umsetzt und seine Linie durchzieht. Störfeuer wird er nicht dulden. Sein Vorteil: er kennt viele Verantwort­liche.

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FOTO: FEDERICO GAMBARINI/DPA Hansi Flick schaute sich seine neue Mannschaft beim Em-gruppenspi­el gegen Frankreich schon mal live an.

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