Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Curevac-flop erhöht Druck auf NRW
Der Hersteller schafft es nicht: Sein Vakzin kommt in der finalen Studie nur auf eine Wirksamkeit von 48 Prozent. Das hat Folgen – für die Aktionäre, für Bayer und für das Werk in Wuppertal. Nicht aber für die Impfkampagne.
DÜSSELDORF Aus dem fünften Impfstoff für Deutschland wird vorerst nichts: Auch die finale Studie von Curevac brachte enttäuschende Ergebnisse. Demnach zeigte der Impfstoffkandidat aus Tübingen über alle Altersgruppen nur eine Wirksamkeit von 48 Prozent gegen eine Corona-infektion. Das ist wenig und hat Folgen.
Was bedeutet das für die deutsche Kampagne? Curevac geht davon aus, dass die Europäische Arzneiagentur (Ema) den Impfstoff trotzdem zulassen wird. „Die Population der 18- bis 60-Jährigen ist besonders begünstigt von unserem Impfstoff. Darüber haben wir mit der Ema gesprochen“, sagte Curevac-chef Franz-werner Haas. Bei Probanden zwischen 18 und 60 Jahren wurde eine allgemeine Wirksamkeit von 53 Prozent beobachtet – und 77 Prozent gegen moderate und schwere Krankheitsverläufe. Der Spd-gesundheitsexperte Karl Lauterbach sieht das anders: „Die USA wollen Impfstoffe nicht zulassen, die eine Wirksamkeit unter 50 Prozent haben. Ich erwarte auch nicht, dass die Ema den Impfstoff zulässt“, sagte er unserer Redaktion: „Mit der geringen Wirksamkeit von 48 Prozent wäre der Curevac-impfstoff nicht einsetzbar in Deutschland. Wenn es Impfstoffe gibt, die so viel stärker sind, wie Moderna und Biontech, wie mit Abstrichen auch Johnson & Johnson und Astrazeneca, dann gibt es keinen Platz für einen Impfstoff, der nicht so gut ist.“Das Bundesgesundheitsministerium hatte den Einsatz von Curevac fürs zweite Quartal erwartet. Inzwischen plant es das Vakzin für die Kampagne nicht mehr ein – auch nicht für 2022. Die EU hatte sich 405 Millionen Dosen gesichert.
Warum ist Curevac schlechter als Biontech und Moderna? Alle drei setzen auf die mrna-technologie. Doch Peter Kremsner, der die Curevac-studie leitet, hat bereits erklärt: Man müsse neidlos zugestehen, dass die Konkurrenten die besseren Impfstoffe hätten. Die geringe Wirksamkeit bei Curevac sei wohl auf die geringe Dosierung zurückzuführen. Eine höhere Dosierung sei aber wegen der absehbaren Unverträglichkeiten nicht möglich gewesen. Laut Kremsner können Biontech und Moderna mit einer Dosis mehr Wirkstoff geben, weil sie zuvor eine chemische Modifikation vorgenommen haben. Das hat Curevac nicht gemacht, um einen Impfstoff herzustellen, der auch im Kühlschrank lagerbar ist. Doch der verfehlt nun das Ziel.
Was bedeutet das für Bayer? Bayer ist Partner von Curevac und unterstützt bei Logistik und Entwicklung. Mit prominenter politischer Unterstützung war die Kooperation gestartet. Derzeit bereitet Bayer in seinem Wuppertaler Werk eine Anlage vor, in der im kommenden Jahr 160 Millionen Dosen des CurevacImpfstoffes hergestellt werden sollen. Erste Chargen hatte man sich zum Jahreswechsel erhofft. Nun ist fraglich, ob der Impfstoff je zugelassen wird. Bayer will an der Kooperation festhalten. „Mit der Fortführung der Studie wird auch unsere Unterstützung fortgesetzt, während wir die Situation genauer bewerten“, hatte Bayer schon nach der enttäuschenden Zwischenstudie im Juni erklärt. Nun sagte ein Bayer-sprecher: „Zum jetzigen Zeitpunkt beobachten wir weiter die Situation.“
Welche Alternativen gibt es für das Wuppertaler Werk? Die Landesregierung setzt darauf, dass Bayer seine Anlage einem anderen Hersteller zur Verfügung stellt: „Es bleibt bei der Einschätzung der Landesregierung, dass mit den durch die Bayer AG am Standort Wuppertal aufgebauten Kapazitäten – unabhängig von dem konkreten Impfstoff – ein maßgeblicher Beitrag zur globalen Impfstoffproduktion erfolgen sollte“, sagte ein Sprecher der Landesregierung: „Wie und mit welchen Kooperationspartnern das stattfinden soll, ist allerdings in erster Linie eine unternehmerische Entscheidung.“Zudem müsse man die Empfehlung der Ema abwarten: „Das Ergebnis der Wirksamkeit von 48 Prozent über alle Altersgruppen hinweg bedeutet nicht zwingend das Aus für den Impfstoff.“Das Land verwies auf die guten Daten für die Gruppe der 18- bis 60-Jährigen. Für Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) spielt die Wuppertaler Anlage eine große Rolle: „NRW will zu einem Zentrum der zukunftsträchtigen mrna-technologie werden“, hatte er bei einem früheren Werkbesuch gesagt.
Wie reagieren die Anleger? Die Curevac-anleger reagierten tief enttäuscht. Der Aktienwert des Unternehmens stürzte am Donnerstag zwischenzeitlich um mehr als 15 Prozent auf 54 Euro ab, nachdem sich die enttäuschenden Studienergebnisse in der abschließenden Analyse bestätigt hatten. Im Dezember hatte die Aktie noch bei 120 Euro gestanden. Die Anleger von Bayer hingegen ließ die Nachricht kalt. Die Bayer-aktie legte leicht zu auf 52 Euro. Für das Image von Bayer wäre eine erfolgreiche Curevac-kooperation hilfreich, wirtschaftlich spielt der Flop hingegen keine Rolle.