Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Was Ladendiebstahl kostet
Mehr als drei Milliarden Euro gingen dem Einzelhandel im vergangenen Jahr durch Kriminelle verloren.
DÜSSELDORF In der Corona-pandemie beklagt der Einzelhandel zwar deutlich weniger Ladendiebstähle als vorher, doch die Schäden bleiben gewaltig: Mehr als 2,1 Milliarden Euro haben die Händler nach Angaben des Kölner EHI Retail Institute 2020 durch stehlende Kunden verloren, rund elf Prozent weniger als im Jahr davor. Etwa 1,2 Milliarden Euro (minus 8,4 Prozent) kommen dazu, weil auch Mitarbeiter, Servicekräfte und Lieferanten Waren mitgehen lassen. Macht unter dem Strich 3,3 Milliarden Euro Schaden durch Langfinger.
„Rein statistisch gesehen wurde durch jede Person in Deutschland ein Warenwert von knapp 26 Euro pro Jahr gestohlen“, sagte Frank Horst, Sicherheitsexperte des EHI und Autor der Studie. Sein Vergleich: „Sinnbildlich auf den Einkauf bezogen, bedeutet dies, dass rund jeder 200. Einkaufswagen unbezahlt die Kasse passiert hat.” Gleichzeitig gingen den Fiskus Mehrwertsteuereinnahmen von etwa 42 Millionen Euro verloren. Rechnet man Inventurdifferenzen, beispielsweise durch falsche Preisauflistung dazu, fehlen dem Handel 4,2 Milliarden Euro.
Der Kampf gegen die Ladendiebe ist ein Dauerthema. Der Handel investiert jährlich viel Geld in Abwehrmaßnahmen, der Erfolg ist bescheiden. „Trotz Warensicherung und Personalschulungen wird im Handel nach wie vor alles gestohlen, was nicht niet- und nagelfest ist“, schreibt das EHI. Rund 1,3 Milliarden Euro steckte der Handel 2020 beispielsweise in Artikelsicherung, Kameraüberwachung und den Einsatz von Detektiven. Das hilft aber nicht gegen jene, die beispielsweise im Telefonladen teure Handys aus der Sicherung reißen oder in einem Geschäftslokal Vitrinen mit brachialer Gewalt öffnen: „Solche Taten, die viel kriminelle Energie verlangen, weil Sicherheitssysteme überwunden werden müssen, fallen dann in der Polizeistatistik unter die Rubrik ,schwerer Ladendiebstahl’. Der Schaden dadurch beträgt durchschnittlich mehr als 440 Euro“, erklärt Ehi-experte Horst. Beim sogenannten einfachen Ladendiebstahl seien es 90 Euro.
Die Gewaltbereitschaft der Täter ist aber nur ein Faktor, der die Kriminalititätsbekämpfung im Handel erschwert. Unternehmen, die Kosten sparen wollen und deshalb weniger Personal auf der Fläche haben oder weniger Geld für Schutzmaßnahmen ausgeben, machen es Dieben einfach. In der Pandemie kam erschwerend hinzu, dass viele Händler im vergangenen Jahr sehr viel mit Hygienemaßnahmen zum Schutz von Beschäftigten und Kunden zu tun hatten.
Mehr als 300.000 Diebstähle wurden im Corona-jahr 2020 bei der Polizei angezeigt, knapp sieben Prozent weniger als 2019. Das sind aber nur die Taten, die von Kunden im Supermarkt, beim Discounter oder im Drogeriemarkt begangen wurden. „Mitarbeiterdelikte fallen nicht unter den Begriff Ladendiebstahl. Wenn Mitarbeiter beim Stehlen erwischt werden, geht das oft mit einem notariellem Schuldeingeständnis der Beschäftigten ohne Anzeige aus, wobei Schadenersatz geleistet und das Arbeitsverhältnis beendet wird“, erklärt Horst.