Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
„Warteschlangen sind unvermeidbar“
THOMAS SCHNALKE Rund 120.000 Passagiere erwartet der Düsseldorfer Flughafen-chef zum Ferienbeginn in NRW. Deren Impf- und Testzertifikate müssen überprüft werden.
Herr Schnalke, an diesem Freitag ist der letzte Schultag vor den Ferien. Wird es voll am Airport? SCHNALKE Wir rechnen in den Ferien mit ungefähr halb so vielen Reisenden wie im letzten Sommer vor der Pandemie im Jahr 2019. Am ersten Ferien-wochenende 2021 erwarten wir ab diesem Freitag rund 120.000 Passagiere bei 1000 Starts und Landungen – rund 55 Prozent weniger Passagiere als vor zwei Jahren. Erstmals seit Beginn der Corona-krise können wir im Juli innerhalb eines Monats voraussichtlich mehr als eine Million Passagiere bei uns begrüßen.
Die Kurzarbeit endet also? SCHNALKE Ja, zum Ferienstart nehmen wir unser Personal weitgehend aus der Kurzarbeit. Durch Corona sind die Abläufe komplexer geworden, und so stellen wir sicher, dass wir darauf gut vorbereitet sind. Wir haben ein breites Maßnahmenpaket geschnürt, damit die Menschen sorgenfrei in den Urlaub starten können.
Wird es lange Warteschlangen für die Reisenden geben?
SCHNALKE Allein um Abstände einzuhalten, sind Warteschlangen unvermeidbar. Hinzu kommt zum Beispiel, dass die Airlines beim Check-in überprüfen müssen, ob die Passagiere die Corona-vorgaben des jeweiligen Fluges und Ziellandes erfüllen.
Schön, dass der digitale Impfpass da ist, oder?
SCHNALKE Der digitale Impfpass ist eine tolle Sache, weil er die Abläufe beschleunigen kann. Aber die Airlines und die Behörden im Ausland akzeptieren auch die klassischen Impfausweise auf Papier. Und für diejenigen, die noch nicht komplett geimpft sind, halten wir außerdem umfangreiche Testkapazitäten am Airport vor: Bis zu 20.000 Menschen können sich pro Tag testen lassen.
Sind Sie selber geimpft, weil der Airport zur Logistik gehört? SCHNALKE Meine Zweitimpfung habe ich am Wochenende erhalten, aber schon der Zeitpunkt der Erstimpfung hatte nichts mit meiner beruflichen Aufgabe zu tun.
Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft würde gerne die Testpflicht für Flüge nach Deutschland aus besonders infektionsarmen Ländern abschaffen. Wie stehen Sie dazu?
SCHNALKE Wir haben als Luftverkehrsbranche dafür geworben, dass umfangreiches Testen die verpflichtende Quarantäne weitgehend unnötig macht. Dabei sollte es bleiben, um den Menschen Sicherheit und Verlässlichkeit zu geben.
Abgesehen von Emirates fehlen aber Langstreckenflüge fast ganz, die früher rund jeden zehnten Passagier ausmachten.
SCHNALKE Bei insgesamt weniger Verkehr ist klar, dass die Airlines zuerst wieder die Kurz- und Mittelstreckenflüge aufnehmen und die geringere Zahl an Interkontinentalflügen zunächst eher über die klassischen Drehkreuze abwickeln. Doch mit insgesamt steigendem Verkehrsvolumen wird es auch wieder attraktiv, von Düsseldorf aus Direktflüge in viele Regionen anzubieten. Immerhin leben im Umfeld unseres Airports mehr als 18 Millionen Menschen. 2019 hatten wir 36 Interkont-destinationen.
Eurowings, die wichtigste Airline in Düsseldorf, hat aber die Langstreckenflotte nach Frankfurt und München verlagert, weil sie dort mit Umsteigern mehr Passagiere zu finden glaubt. Ärgerlich, oder? SCHNALKE Wir gehen mittelfristig von einem vergleichbaren Volumen an Langstreckenpassagieren aus wie vor der Pandemie. Condor etwa wird ab Herbst zwei neue Routen bedienen – nach Phuket und Punta Cana. Und auch bei beliebten Zielen wie New York und Miami rechne ich in einiger Zeit mit neuen Angeboten.
Auch wegen der Corona-krise haben Sie ein Spar- und Effizienzprogramm gestartet, das pro Jahr 50 Millionen Euro erwirtschaften soll. Bleibt es dabei?
SCHNALKE Ja. Wir haben ein umfangreiches Programm mit annähernd 100 Maßnahmen aufgelegt, um unser Ergebnis bis 2023 um 50 Millionen Euro jährlich zu verbessern. Das ist nötig, um die während der Krise aufgenommenen Kredite aus eigener Kraft tilgen zu können.
Wie läuft der Personalabbau? SCHNALKE Rund 300 der im vergangenen Jahr etwas mehr als 2100 Beschäftigten nehmen bislang an unseren verschiedenen „Freiwilligenprogrammen“teil, verlassen also auf eigenen Willen gegen eine Kompensation zu fairen Bedingungen unser Unternehmen.
Also sind betriebsbedingte Kündigungen unnötig?
SCHNALKE Nein, betriebsbedingte
Kündigungen sind definitiv nicht vom Tisch. Wir sprechen weiter mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan. Gleichzeitig bieten wir nach wie vor Freiwilligenprogramme an.
Wenn die Belegschaft schrumpft, hat sich damit Ihr in der Region umstrittener Antrag auf eine Kapazitätserweiterung erledigt? SCHNALKE Der Antrag wird aktuell vom Nrw-verkehrsministerium geprüft. Um die langfristigen Perspektiven des Flughafens als Jobmotor der Region zu sichern, halten wir unverändert an ihm fest. Es geht ja nicht darum, pauschal mehr Flüge abzuwickeln, sondern mehr Starts und Landungen zu Spitzenzeiten anbieten zu können.
Die Debatte um den Klimaschutz bringt Gegenwind, weil Flugzeuge ja viel Kerosin verbrennen. SCHNALKE Die Luftverkehrsbranche stellt sich der Debatte um den Klimaschutz und bringt sich aktiv ein. Unser gemeinsames Ziel ist ein klimaneutraler Luftverkehr. Wir hoffen auf synthetisch produziertes Kerosin, um das Fliegen an sich klimaneutral zu machen. Es wäre gut, wenn die Luftverkehrssteuer in Pilotprojekte für die Produktion von grünem Kerosin fließen würde. Der Düsseldorfer Flughafen wird im Jahr 2035 Co2-neutral sein.
Die Grünen drängen auf ein
Ende von Kurzstreckenflügen in Deutschland.
SCHNALKE Wir halten eine bessere Verknüpfung des Bahnverkehrs mit den Flughäfen in jedem Fall für sinnvoll und wünschenswert. Abgesehen von Frankfurt sehe ich in Deutschland keinen anderen Airport so gut an das Schienennetz angebunden wie Düsseldorf. An unserem Fernbahnhof kreuzen sich die Wege von S-bahn und ICE.
Lufthansa erklärt, Zubringerflüge zu ihren Umsteiger-airports Frankfurt und München zu brauchen. SCHNALKE Wir unterstützen die Pläne zur Verlagerung von Kurzstreckenflügen auf die Bahn und freuen uns, wenn dabei ein Angebot auf den Schienen entsteht, das für die Passagiere attraktiv ist und passt. In Düsseldorf beispielsweise könnten die Airlines die dadurch frei werdenden Slots insbesondere zu den begehrten Tagesrandzeiten effizienter nutzen als bisher.
Was hielten Sie von einem Fahrradschnellweg zum Airport?
SCHNALKE Jedes Verkehrsmittel, das zum Flughafen führt, ist ein gutes Verkehrsmittel.