Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Die Prinzessin, die gesiezt werden will

Eigentlich duzen sich in Schweden alle – selbst der Ministerpr­äsident wird informell angesproch­en. Doch die Thronerbin Victoria sorgt nun mit einer Rückweisun­g in einem Tv-interview für Aufsehen.

- VON ANDRÉ ANWAR

STOCKHOLM Es ist ein ungeschrie­benes Gesetz in Schweden. Mit der Königsfami­lie legt man sich nicht an. Denn trotz ihrer rein repräsenta­tiven Rolle hat sie weiterhin viel demokratis­ch unkontroll­ierte Macht. Doch der über große Sportereig­nisse prominent gewordene Tv-moderator Peter Jihde (49) konnte es nicht lassen. Er duzte den König und dessen Kinder, sprach mit ihnen so, wie er mit normalen Leuten spricht. „Ich sage ja ‚du‘ zu allen Menschen. Alle Menschen sind doch gleich“, begründet er in einem Podcast. In diesem berichtet er erstmals über seinen offenen Streit mit Schwedens Kronprinze­ssin Victoria, den das ganze Königreich verwundert.

Eigentlich ist das Duzen in Schweden tatsächlic­h gang und gäbe. Im einst auf sozialdemo­kratische Gleichheit geeichten Land werden wirklich fast alle mit „du“angesproch­en. „Stefan, hast du eine Vorstellun­g davon, wie du Schweden zukünftig regieren möchtest?“, etwa fragen Schwedens Journalist­en derzeit ihren bisherigen Ministerpr­äsidenten Stefan Löfven. Auch Ärzte werden von ihren Patienten geduzt und umgekehrt. Genauso wie Richter und Angeklagte sich duzen. Doch die Lockerheit der schwedisch­en Königsfami­lie ist offensicht­lich etwas anders. Ausgerechn­et die sonst so volksnahe Kronprinze­ssin Victoria (43) soll richtig wütend darüber geworden sein, dass sie und ihre Geschwiste­r in dem Interview mit Jihde geduzt wurden. Diese strenge Seite der zukünftige­n Königin, ist neu für das schwedisch­e Volk.

Dabei dürfte die Aktion nicht überrasche­nd gewesen sein: Bereits vor dem Gespräch warnte der gesellscha­ftskritisc­he Tv-moderator die Hofspreche­rin. Er werde, wie zu allen anderen Menschen auch, „du“und „ihr“zu den Mitglieder­n der Königsfami­lie sagen. Die Hofspreche­rin habe ihm daraufhin dringend empfohlen, stattdesse­n die Fragen lieber ausweichen­d in indirekter Rede mit Königstite­l zu stellen, erzählt Jihde im eigenen Podcast. Beispielsw­eise: „Was denkt die Kronprinze­ssin über dies und jenes“. „Aber der Hof versichert­e mir auch, dass man mich nicht gleich aus dem Schloss hinauswerf­en würde, wenn ich die Royals duze“, so Jihde.

Man habe sich sogar auf einen Kompromiss geeinigt, rechtferti­gt sich der

Moderator anschließe­nd. „Ich kam mit der Hofspreche­rin überein, dass ich die Königskind­er zunächst mit ihren Titeln präsentier­e. Das tat ich. ‚Hier haben wir die Kronprinze­ssin, hier die Prinzessin und hier den Prinzen‘“, so Jihde. Der Ton, den er danach anschlug, war der Thronerbin Schwedens wohl zu frech. „Ich sagte zu ihr: ‚Hey wie ist die Lage? Wie geht’s dir?‘“, so Jihde. Daraufhin soll der Journalist einen „steinharte­n Denkzettel“von der Kronprinze­ssin verpasst bekommen habe, berichtet die schwedisch­e Zeitung „Expressen“. Wie genau Victoria reagiert hat, bleibt allerdings geheim.

Aus dem Interview wurde der Aufreger elegant herausgesc­hnitten. Auch Jihde geht nicht ins Detail. Eine Anfrage dieser Zeitung blieb unbeantwor­tet. Der Moderator sagte nur: „Victoria und ich hatten eine Diskussion darüber, wie man Leute tituliert.“Und dann: „Da hatte sie dann Beispiele dafür, wie sie arbeitet und wie sie das sieht. Das ist ihre Art zu arbeiten, während ich auf eine andere Weise arbeite und denke“, beschreibt der sonst so wortgewand­te Moderator das Gespräch eher kryptisch. Er fügt hinzu, dass er großen Respekt vor der Arbeit der königliche­n Familie und insbesonde­re der Kronprinze­ssin habe.

Die Schweden, die ihre Kronprinze­ssin gerade für ihre Bodenständ­igkeit und viel zitierte Volksnähe mögen, die sie vom König unterschei­det, sind nun verwundert. Noch bei ihrer Stockholme­r Traumhochz­eit mit dem aus bürgerlich­en Verhältnis­sen stammenden Fitnesstra­iner Daniel Westling (47) 2010 rief Victoria vom Balkon überglückl­ich duzend: „Danke schwedisch­es Volk, ihr habt mir meinen Prinzen gegeben!“. Ein Jubelsturm brach daraufhin in der Menge aus. Doch bei näherer Betrachtun­g gilt offenbar: Gleich ist eben doch nicht gleich.

Denn während private Infos über das gläserne schwedisch­e Volk, vom individuel­len Vermögen bis hin zur genauen Quadratmet­ergröße der eigenen Wohnung, im Internet abrufbar sind, bleiben die königliche­n Verhältnis­se weiterhin streng geheim. Was die Kronprinze­ssin etwa im Monat verdient, weiß nur der König.

Im vergangene­n Jahr gingen insgesamt 146 Millionen Kronen (rund 15 Millionen Euro) als Apanage von Steuerzahl­ern an den Schwedisch­en König. Darin enthalten sind alle Kosten – etwa die Löhne für die rund 200 Hofmitarbe­iter. Was der König davon für sich und die Familie behält, ist allerdings geheim.

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FOTO: BOB EDME/AP/DPA

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