Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
„Spiritueller Führer“muss ins Gefängnis
Der Leiter des „Balance-recovery Life-centers“im Haus Constanze in Wesel ist zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Der 57-Jährige hatte über viele Jahre hinweg die Mitglieder der Gruppe gefügig gemacht und brutal misshandelt. Er selbst hielt das f
Das Landgericht Duisburg verurteilte den Leiter des „Balance-recovery Life-centers“im Haus Constanze zu insgesamt viereinhalb Jahren Haft.
DUISBURG/WESEL Als der Vorsitzende Richter am Dienstag am Duisburger Landgericht den „spirituellen Führer“des „Balance-recovery Life-centers“um ein Schlusswort bat, sagte dieser den Satz: „Ich wollte Menschen helfen.“Diese „Hilfe“kostet den Niederländer nun viereinhalb Jahre seiner Freiheit. So lautet das Urteil des Gerichts am Ende eines langen Prozesses, der vor drei Monaten begonnen hatte. Der Angeklagte nahm den Richterspruch ohne sichtbare Reaktion entgegen.
Vor rund einem Jahr war der 57-Jährige auf dem Campingplatz Grav-insel in Flüren festgenommen worden. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Die Taten, die ihm vorgeworfen wurden, reichten von gefährlicher Körperverletzung über Freiheitsberaubung bis hin zu sexueller Nötigung, sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung. Verurteilt wurde er nun aber lediglich für 13 Fälle von Körperverletzungen sowie einem Fall von sexuellem Missbrauch an einem Minderjährigen.
Warum das Gericht, das bei seinem Strafmaß sechs Monate unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft geblieben war, die übrigen Taten nicht bestrafte, erklärte der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung.
„Wir dürfen keine ethische Bewertung der Geschehnisse vornehmen. Es geht nur um die strafrechtliche Verantwortlichkeit. Und da ist es nun mal so, dass die Sexualdelikte im Rahmen einer Unterwerfung freiwillig geschehen sind. Eine Ausnahme bildet da lediglich die sexuelle Handlung an einem Schutzbefohlenen. Und die haben wir auch bestraft“, sagte der Richter. Auf diese „Freiwilligkeit“hatte sich auch der Verteidiger des Angeklagten in seinem Plädoyer bezogen. Sein Mandant hätte sich mit seinem Handeln zwar „keinen Sympathiepreis“verdient. Doch letztlich hätten alle Mitglieder der Gruppe mitgespielt und diese jederzeit verlassen können, so der Anwalt in seinen Ausführungen. Er hatte drei Jahre Haft für angemessen gehalten.
Die Staatsanwaltschaft strich hingegen noch einmal die „bewusst eingesetzte therapeutische Gewalt“heraus. „Der Angeklagte hat ein perfides Macht- und Kontrollsystem aufgebaut. Er hat die körperlichen Misshandlungen über Jahre hinweg angewendet. Seine Beweggründe hierfür waren niederträchtig“, sagte der Staatsanwalt. Allerdings musste auch er einräumen, dass das „amoralische Verhalten“ des Mannes, was die sexuellen Handlungen anging, nicht strafbar sei. Zwar habe der Niederländer die Mitglieder der Gruppe gefügig und hörig gemacht, aber am Ende hätten sie aus freiem Entschluss mitgemacht. Zu Gute hielt der Staatsanwalt dem Angeklagten, dass er bis dato unbelastet war und sich in weiten Teilen geständig zeigte.
Die deutlichsten Worte zu den Vorfällen, die sich über vier Jahre hinweg zogen, fanden die Vertreter der Nebenklage. „Wie manipulativ muss der Angeklagte auf die Gruppenmitglieder eingewirkt haben, dass sie so etwas über sich haben ergehen lassen?“, fragte der Anwalt eines Opfers und sprach von
„menschenverachtender Grausamkeit und Brutalität“. Die Anwältin eines weiteren Opfers attestierte dem Angeklagten „psychopathische Allmachtsfantasien“und bedauerte, dass die Taten, für die er letztlich bestraft werden sollte, „auf ein Minimum zusammengeschrumpft“wären. „Das Leiden der Opfer spiegelt das nicht wider“, sagte sie.
Eine weitere Vertreterin der Nebenklage konnte strafmildernde Umstände schlichtweg nicht erkennen. „Ein wirklich wertvolles Geständnis hat er nicht abgelegt. Und Reue sowie Einsicht habe ich bei ihm auch nicht erkannt. Er ist systematisch und berechnend vorgegangen. Und vergessen wir nicht, dass der Sachverständige ausgesagt hat, dass er es durchaus wieder tun könnte, wenn er in eine vergleichbare Position käme“, sagte die Anwältin, die sich vom Gericht erhoffte, dass dieses beim Strafmaß ein Zeichen setzen würde.
Der Vorsitzende Richter stellte aber klar, dass ein solches Zeichen trotz des großen Leids der Opfer aufgrund des Ablaufs der Taten nicht möglich sei. Er rechnete dem Angeklagten positiv an, dass er nicht vorbelastet und geständig sei. Gegen ihn spräche allerdings die erhebliche Brutalität seiner Gewalttätigkeiten und dass er sich hierfür psychisch labile Menschen ausgesucht habe.
„Wir dürfen keine ethische Bewertung der Geschehnisse vornehmen“
Vorsitzender Richter
Landgericht Duisburg