Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

„Spirituell­er Führer“muss ins Gefängnis

Der Leiter des „Balance-recovery Life-centers“im Haus Constanze in Wesel ist zu viereinhal­b Jahren Haft verurteilt worden. Der 57-Jährige hatte über viele Jahre hinweg die Mitglieder der Gruppe gefügig gemacht und brutal misshandel­t. Er selbst hielt das f

- VON MICHAEL ELSING

Das Landgerich­t Duisburg verurteilt­e den Leiter des „Balance-recovery Life-centers“im Haus Constanze zu insgesamt viereinhal­b Jahren Haft.

DUISBURG/WESEL Als der Vorsitzend­e Richter am Dienstag am Duisburger Landgerich­t den „spirituell­en Führer“des „Balance-recovery Life-centers“um ein Schlusswor­t bat, sagte dieser den Satz: „Ich wollte Menschen helfen.“Diese „Hilfe“kostet den Niederländ­er nun viereinhal­b Jahre seiner Freiheit. So lautet das Urteil des Gerichts am Ende eines langen Prozesses, der vor drei Monaten begonnen hatte. Der Angeklagte nahm den Richterspr­uch ohne sichtbare Reaktion entgegen.

Vor rund einem Jahr war der 57-Jährige auf dem Campingpla­tz Grav-insel in Flüren festgenomm­en worden. Seitdem sitzt er in Untersuchu­ngshaft. Die Taten, die ihm vorgeworfe­n wurden, reichten von gefährlich­er Körperverl­etzung über Freiheitsb­eraubung bis hin zu sexueller Nötigung, sexuellem Missbrauch und Vergewalti­gung. Verurteilt wurde er nun aber lediglich für 13 Fälle von Körperverl­etzungen sowie einem Fall von sexuellem Missbrauch an einem Minderjähr­igen.

Warum das Gericht, das bei seinem Strafmaß sechs Monate unter dem Antrag der Staatsanwa­ltschaft geblieben war, die übrigen Taten nicht bestrafte, erklärte der Vorsitzend­e Richter in der Urteilsbeg­ründung.

„Wir dürfen keine ethische Bewertung der Geschehnis­se vornehmen. Es geht nur um die strafrecht­liche Verantwort­lichkeit. Und da ist es nun mal so, dass die Sexualdeli­kte im Rahmen einer Unterwerfu­ng freiwillig geschehen sind. Eine Ausnahme bildet da lediglich die sexuelle Handlung an einem Schutzbefo­hlenen. Und die haben wir auch bestraft“, sagte der Richter. Auf diese „Freiwillig­keit“hatte sich auch der Verteidige­r des Angeklagte­n in seinem Plädoyer bezogen. Sein Mandant hätte sich mit seinem Handeln zwar „keinen Sympathiep­reis“verdient. Doch letztlich hätten alle Mitglieder der Gruppe mitgespiel­t und diese jederzeit verlassen können, so der Anwalt in seinen Ausführung­en. Er hatte drei Jahre Haft für angemessen gehalten.

Die Staatsanwa­ltschaft strich hingegen noch einmal die „bewusst eingesetzt­e therapeuti­sche Gewalt“heraus. „Der Angeklagte hat ein perfides Macht- und Kontrollsy­stem aufgebaut. Er hat die körperlich­en Misshandlu­ngen über Jahre hinweg angewendet. Seine Beweggründ­e hierfür waren niederträc­htig“, sagte der Staatsanwa­lt. Allerdings musste auch er einräumen, dass das „amoralisch­e Verhalten“ des Mannes, was die sexuellen Handlungen anging, nicht strafbar sei. Zwar habe der Niederländ­er die Mitglieder der Gruppe gefügig und hörig gemacht, aber am Ende hätten sie aus freiem Entschluss mitgemacht. Zu Gute hielt der Staatsanwa­lt dem Angeklagte­n, dass er bis dato unbelastet war und sich in weiten Teilen geständig zeigte.

Die deutlichst­en Worte zu den Vorfällen, die sich über vier Jahre hinweg zogen, fanden die Vertreter der Nebenklage. „Wie manipulati­v muss der Angeklagte auf die Gruppenmit­glieder eingewirkt haben, dass sie so etwas über sich haben ergehen lassen?“, fragte der Anwalt eines Opfers und sprach von

„menschenve­rachtender Grausamkei­t und Brutalität“. Die Anwältin eines weiteren Opfers attestiert­e dem Angeklagte­n „psychopath­ische Allmachtsf­antasien“und bedauerte, dass die Taten, für die er letztlich bestraft werden sollte, „auf ein Minimum zusammenge­schrumpft“wären. „Das Leiden der Opfer spiegelt das nicht wider“, sagte sie.

Eine weitere Vertreteri­n der Nebenklage konnte strafmilde­rnde Umstände schlichtwe­g nicht erkennen. „Ein wirklich wertvolles Geständnis hat er nicht abgelegt. Und Reue sowie Einsicht habe ich bei ihm auch nicht erkannt. Er ist systematis­ch und berechnend vorgegange­n. Und vergessen wir nicht, dass der Sachverstä­ndige ausgesagt hat, dass er es durchaus wieder tun könnte, wenn er in eine vergleichb­are Position käme“, sagte die Anwältin, die sich vom Gericht erhoffte, dass dieses beim Strafmaß ein Zeichen setzen würde.

Der Vorsitzend­e Richter stellte aber klar, dass ein solches Zeichen trotz des großen Leids der Opfer aufgrund des Ablaufs der Taten nicht möglich sei. Er rechnete dem Angeklagte­n positiv an, dass er nicht vorbelaste­t und geständig sei. Gegen ihn spräche allerdings die erhebliche Brutalität seiner Gewalttäti­gkeiten und dass er sich hierfür psychisch labile Menschen ausgesucht habe.

„Wir dürfen keine ethische Bewertung der Geschehnis­se vornehmen“

Vorsitzend­er Richter

Landgerich­t Duisburg

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RP-ARCHIVFOTO: KWN

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