Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
„Eine Medaille ist ein Kindheitstraum“
SARAH KÖHLER Die deutsche Schwimmerin gilt als große Hoffnung des Verbandes und setzt sich selbst hohe Ziele.
DÜSSELDORF Die Olympischen Spiele stehen unter keinem guten Stern. Keine Fans erlaubt, das Hotel darf nur zu Training und Wettkampf verlassen werden. Trübt das Ihre Vorfreude?
KÖHLER Auf keinen Fall. Ich freue mich sehr auf die Olympischen Spiele und wir hatten genug Zeit uns auf die Gegebenheit einzustellen, da man wusste, es würden besondere Maßnahmen getroffen werden. Ich bin froh, dass Tokio 2020 stattfindet und nicht komplett abgesagt wurde.
Können Sie nachvollziehen, dass etwa eine Fußball-em vor Zuschauern stattfindet, die Spiele aber nicht?
KÖHLER Ich kann nachvollziehen, dass die japanische Regierung ein möglichst hohes Maß an Sicherheit für ihre Bevölkerung und alle Sportler und Betreuer garantieren möchte und finde diese Entscheidung vollkommen legitim. Über die Entscheidung anderer Regierungen möchte ich mir in Bezug auf die Fußball-em kein Urteil erlauben. Es werden weltweit unterschiedliche Strategien gefahren und jede Regierung wird ihre Gründe dafür haben.
Wäre Ihnen unter Berücksichtigung aller Umstände eine Absage der Spiele lieber gewesen?
KÖHLER Nein. Olympia ist für uns Sportler das Größte. Unter den Umständen und mit den Maßnahmen die getroffen wurden, fühle ich mich den Umständen entsprechend sicher und bin deshalb auch sehr froh, dass die Olympischen Spiele stattfinden.
Auf was freuen Sie sich dennoch besonders in Tokio?
KÖHLERNACH nunmehr zwei Jahren wieder international einen hochklassigen Wettkampf zu haben und am Beckenrand auch das ein oder andere bekannte Gesicht wiederzusehen.
In der Vorbereitung bekamen Sie auch Ihre Impfung. Es gab Athleten, die haben über Nebenwirkungen geklagt. Haben Sie etwas in den Planungen ändern müssen? KÖHLER Nachwirkungen der Impfung hatte ich glücklicherweise keine. Ich war zur Vorbereitung für fünfeinhalb Wochen im Höhentrainingslager, wo wir sehr hart gearbeitet haben und nochmals einen Schritt Richtung möglicher Bestzeiten getan haben.
Das vergangene Jahr war generell nicht leicht, Sie mussten lange trainieren, bis die Spiele schließlich doch abgesagt wurden. Wie haben Sie dieses zusätzliche Jahr verkraftet?
KÖHLER Natürlich war die Enttäuschung erstmal groß. Aber wie sagt man „aufgeschoben ist nicht aufgehoben“. Und in diesem Sinne haben wir dann einfach wie gewohnt weitergearbeitet.
Mit welchen Zielen treten Sie nun bei den Wettbewerben an?
KÖHLER Mit der Hoffnung, dass es trotz der Umstände wunderbare Spiele werden, alle Spaß haben und gesund bleiben. Sportlich gesehen möchte ich natürlich Bestzeiten schwimmen und bei Olympia meine beste Leistung zeigen. Eine Medaille ist ein Kindheitstraum. Ich werde alles geben und man wird am Ende sehen, ob das dann für eine Medaille reicht.
Ihr Freund Florian Wellbrock wagt den Doppelstart und geht auch im Freiwasser an den Start. Sie konzentrieren sich nur aufs Becken, obwohl Sie auch im Freiwasser sehr stark sind. Warum?
KÖHLER Meine Laufbahn im Freiwasser beginnt gerade erst. Um in Tokio über die zehn Kilometer – das ist die einzige olympische Disziplin im Freiwasser – starten zu können, hätte ich bereits bei der WM 2019 über die zehn Kilometer starten müssen und dort eine Top-zehn-platzierung erreichen müssen, um mich direkt für Tokio zu qualifizieren. Nach dem Trainerwechsel 2018 war das noch zu früh und ich habe mich voll auf das Beckenschwimmen konzentriert.
2012 und 2016 gab es keine olympischen Medaillen für den deutschen Schwimmverband. Auf Ihnen lasten große Hoffnungen. Wie gehen Sie mit dem Druck um?
KÖHLER Den größten Druck mache ich mir selbst. Ich möchte mir meine eigenen Träume erfüllen und meine Ziele erreichen. Was andere in diesem Fall von mir erwarten, ist erstmal zweitrangig.
Mitten in die Olympia-vorbereitung platzte auch ein Chaos im Verband. Sie als Athleten-sprecherin haben sich deutlich positioniert. War das Thema für Sie als Sportlerin im Olympia-jahr belastend?
KÖHLER Es ist gerade etwas Ruhe eingekehrt und diese soll insbesondere jetzt vor den Olympischen Spielen auch fortbestehen. Deshalb werde ich zu den politischen Dingen im Moment kein Statement abgeben. Grundsätzlich mache ich diesen „Job“gerne und freue mich, wenn ich uns Athleten stärken kann.