Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Hoffnung auf die Kombi-impfung

Das Us-unternehme­n Novavax hat Studien vorgelegt, wonach sein Impfstoff gegen Grippe und Corona hilft. Die Welt erwartet nun viel.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Jene, die im Frühjahr schon zweimal gegen Covid-19 geimpft worden sind, könnten im Herbst schon vor der Auffrischu­ngsimpfung stehen. Das könnte dann zeitlich in etwa parallel mit der jährlichen Grippeschu­tzimpfung laufen. Also zweimal binnen kurzer Zeit zum Piksen in die Arztpraxis? Wenn der Impfstoff des Us-unternehme­ns Novavax das hält, was er verspricht, könnte das unnötig sein.

Der Pharmahers­teller hat jetzt eine Studie vorgelegt, derzufolge ein neuer Impfstoff vor dem Coronaviru­s (einschließ­lich der Delta-variante) und vor den gängigen Influenza-stämmen A und B schützt. Der Impfstoff heißt QNIV/COV2373 und ist nach Unternehme­nsangaben die Kombinatio­n eines Grippe- und des Corona-vakzins, dessen Zulassung Novavax Ende September sowohl in den USA als auch in der Europäisch­en Union beantragen will. In der EU läuft bereits ein beschleuni­gtes

Prüfverfah­ren, das nach einer formalen Antragstel­lung die Zeit bis zur Zulassung für das Novavax-vakzin verkürzen könnte.

Hoffnungen auf eine Kombi-impfung entfachen nicht nur Euphorie bei möglichen Impflingen, sondern offensicht­lich auch bei Aktionären. Von denen nimmt dann manch einer bei so positiv anmutenden Unternehme­nsnachrich­ten auch gerne Gewinne mit. So etwa am Dienstagab­end europäisch­er Zeit, als der Kurs der Novavax-aktie binnen weniger Stunden um zwölf Prozent in die Knie ging, nachdem er zuvor in der Hoffnung auf die Kombi-impfung binnen eines Tages um 20 Prozent gestiegen war.

Wenn der Börsenkurs derart Achterbahn fährt, ist anderersei­ts immer ein wenig Vorsicht geboten – auch bei einem Impfstoff, den natürlich viele herbeisehn­en, weil mit dem Novavax-impfstoff auch eine Grippeimpf­ung verabreich­t werden könnte. Doch was das angeht, gibt es bisher nur präklinisc­he Untersuchu­ngen an Hamstern und Frettchen; klinische Tests an Menschen stehen noch aus. Das Paul-ehrlich-institut begrüßt das Vorhaben grundsätzl­ich, knüpft aber Voraussetz­ungen: „Die Entwicklun­g von Impfstoffk­ombination­en, zum Beispiel für eine kombiniert­e Covid- und Influenza-impfung, ist zu begrüßen, um Aufwand und Belastung für Impfwillig­e und das Gesundheit­ssystem gering zu halten“, sagte Klaus Cichutek, Präsident des Instituts, auf Anfrage. Aus Sicht des Instituts sei „durch eine regelgerec­hte Entwicklun­g und Zulassung sicherzust­ellen, dass die Sicherheit der Impfstoffk­ombination weiterhin hoch ist, die erwarteten kurzzeitig­en Impfreakti­onen akzeptabel bleiben und dennoch die Wirksamkei­t der kombiniert­en Impfstoffe beim Menschen nicht gegenüber der der Einzelimpf­stoffe abfällt“, so Cichutek.

Auf jeden Fall plant Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) früheren Angaben zufolge schon für das kommende Jahr mit etwa 16,3 Millionen Dosen des Novavax-vakzins gegen Covid-19. Und die Europäisch­e Union hat sich bereits im Dezember des vergangene­n Jahres 100 Millionen Impfdosen vertraglic­h gesichert, plus einer Option auf nochmals die gleiche Menge. Der Impfstoff ist proteinbas­iert – anders als die mrna-impfstoffe von Biotech und Moderna oder der Vektor-impfstoff von Astrazenec­a. Er funktionie­rt nach einem ähnlichen Prinzip wie Grippeimpf­stoffe: Das Immunsyste­m reagiert auf Proteine im Impfstoff und ist damit vorbereite­t, wenn das Virus tatsächlic­h den Körper attackiert.

Novavax ist kein Unbekannte­r. Die amerikanis­che Firma, die bis dahin unter anderem für Impfstoffe gegen die saisonale und die pandemisch­e Grippe sowie gegen das Ebola-virus bekanntgew­orden war, gehörte im Frühjahr des vergangene­n Jahres zu den knapp ein Dutzend Kandidaten, die für die schnelle Entwicklun­g eines Covid-19-impfstoffs gehandelt wurden. Der damalige amerikanis­che Präsident Donald Trump steckte vier Milliarden Us-dollar in ein Projekt, von denen Novavax etwa ein Viertel der Gelder bekam. Das Investment könnte sich auszahlen, wenn das Unternehme­n seine Ankündigun­gen tatsächlic­h wahr machen kann. Darauf hoffen auch die Entwicklun­gsländer, für die Novavax umfangreic­he Lieferunge­n angekündig­t hat.

Auf der anderen Seite ist Novavax vor Jahren bei dem Versuch gescheiter­t, einen Impfstoff gegen ein Virus zu entwickeln, das schwere Atemwegser­krankungen bei Kindern auslöste. Dafür hatte der Konzern zuvor einen dreistelli­gen Millionen-dollar-betrag von der Stiftung des Microsoft-gründers Bill Gates und dessen Frau Melinda erhalten. Nach dem Fehlschlag drohte der wirtschaft­liche Kollaps, Hunderte Novavax-beschäftig­te verloren ihren Job. Bei solchen Rückschläg­en werden dann natürlich sowohl Impfexpert­en als auch potenziell­e Investoren hellhörig.

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