Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Es passiert was, aber man sieht nichts
Wäre das verhängnisolle Tief in der vergangenen Woche 50 Kilometer weiter nördlich übers Land gezogen, dann hätte es an der Issel übel ausgesehen: Dieses Szenario schwebt in diesen Tagen vielen Menschen in der Region vor. Deutlich hörbar schildern Anrufer der Redaktion ihre Ängste. Sie sind vor allen Dingen deshalb besorgt, weil es bereits fünf Jahre her ist, dass die Issel-anwohner selbst den Ausnahmezustand erlebten und mit Heerscharen von Helfern gegen das Wasser kämpfen mussten. In diesen fünf Jahren hat sich aus Sicht vieler nichts getan, um den Schutz für Leib und Leben, Hab und Gut zu erhöhen. Er habe noch nicht einen Bagger gesehen, sagt ein Rp-leser und bringt damit die Sache auf den Punkt: Es passiert zwar was, aber man sieht nichts.
Mit Schuldzuweisungen ist man in Deutschland schnell bei der Hand. Auch außerhalb von Wahlkampfzeiten wird schnell und gern ein Sündenbock gesucht. Hiesige Akteure wie der Zweckverband Hochwasserschutz Issel sollten dafür nicht in Betracht kommen. Er müht sich redlich, muss sich dabei an Vorgaben halten und wie jeder Planer einen langen Atemhaben, um die Genehmigungsverfahren durchzustehen. Ob dabei jeder einzelne Baustein eines Konzepts separat betrachtet werden muss, ist allerdings die Frage. Gehört es nicht zum Wesen eines Konzeptes, ein Ziel zu haben? Können dann nicht die zueinanderpassenden Bausteine zeitgleich den amtlichen Segen bekommen?
Den Menschen an der Issel würden Ängste genommen, wenn endlich mal ein Bautrupp anrückt und in der Fläche sichtbare Veränderungen schafft, die dem Flüsschen mehr Platz für den Fall eines starken Niederschlags geben. Genau das ist es doch, was ausgerechnet diesen Bach zum gefährlichen Strom macht: Er regnet voll. Den Klimawandel wollen wir hier nicht auch noch totreiten. Er ist real, sorgt für extremere Verhältnisse – von trocken bis nass. Das macht er einfach so. Ohne Genehmigung. Und deshalb ist Eile geboten.