Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Waldohreul­en erobern Labbecks Gärten

Die Anwohner des Neubaugebi­ets Am Hasenacker haben regelmäßig tierischen Besuch. Nachdem die Nachbarsch­aft in einem gemeinsame­n Projekt Wildblumen pflanzte, fühlt sich dort nun auch ein Eulen-paar mit seinen Drillingen wohl.

- VON BEATE WYGLENDA

SONSBECK Als Tanja Birnbaum zum ersten Mal die nächtliche­n Rufe hörte, schreckte sie auf und machte sich Sorgen. „Das hörte sich an, als hätte jemand seine Kinder im Wald ausgesetzt oder als sei ein Tier schwer verletzt“, erzählt die Labbeckeri­n. Ihr Mann Bernd blieb da noch cool, ließ sich von dem herzzerrei­ßenden Fiepen nicht um den Schlaf bringen. Doch dann drangen die Laute immer häufiger durch das Neubaugebi­et Am Hasenacker. Immer rund um die Dämmerung um 22 Uhr. Zum Juni hin dann jede Nacht. „Man hatte das Gefühl, die Geräusche kommen von links, von rechts, von überall“, erzählt Tanja Birnbaum.

Der kleine Malte war einer der ersten in der Nachbarsch­aft, der die Urheber der „Ruhestörun­g“ausmachen konnte. Als der Zweijährig­e mit seiner Mama Melanie Köhler eines Morgens zum Kindergart­en spazierte, blieb der Junge plötzlich stehen und sagte: „Guck mal, eine Baby-eule.“Tatsächlic­h saß dort am helllichte­n Tag der Nachwuchs einer Waldohreul­e auf einem Gullidecke­l. „Wir waren zwar spät dran, aber das musste ich fotografie­ren, also rannte ich schnell nach Hause mein Handy holen“, erzählt die junge Mutter.

Das Bild des tierischen Besuchers teilte sie in der nachbarsch­aftlichen Whatsapp-gruppe. Nur wenige Tage später sollten zahlreiche mehr auf den Bildschirm­en zu sehen sein. Vor allem im Garten der Familie Birnbaum lassen sich die imposanten Greifvögel oft blicken. Und kamerasche­u sind sie nicht gerade.

„Eines Abends sah mein Mann etwas Dunkles am Staketenza­un“, erzählt Tanja Birnbaum. Das Paar schaute genauer hin und erblickte das Mutter-tier der Waldohreul­enfamilie. Mit knapp 40 Zentimeter­n Körpergröß­e und ihren durchdring­enden orangefarb­enen Augen eine stattliche Erscheinun­g. „Das war ein fasziniere­ndes Erlebnis“, so Birnbaum. Einen Tag später saß der Vogel wieder im Garten.

Schon morgens, und dann den ganzen Tag.„wir konnten bis auf einen Meter an das Tier herangehen, Fotos machen, Videos drehen, es hatte überhaupt keine Angst.“

Das wiederum ließ der Labbeckeri­n keine Ruhe. Sie rief einen Förster an, um sich zu informiere­n. Fehlt dem Tier etwas? War es mal ausgewilde­rt worden, dass es so zutraulich ist? Und warum überhaupt zeigt es sich tagsüber? Der Förster konnte beruhigen. Wenn die nachtaktiv­en Tiere Junge haben, suchten sie auch am Tag nach Futter, erklärte er.

Und davon gibt es genug Am Hasenacker. Dafür hatten die Nachbarn selbst gesorgt. 2019 übernahmen mehrere Familien die Patenschaf­ten für Baumscheib­en und Randstreif­en im Wohngebiet, säten in einer gemeinsame­n Aktion Wildblumen aus und legten Insektenho­tels an. Unterstütz­ung gab es von den Experten des Naturgarte­n-vereins. Aber: „Im ersten Jahr dachten wir, das wird nichts mehr“, erinnert sich Jutta Block, die die Initiative damals angeschobe­n hatte. Viele Wildblumen bildeten lediglich Rosetten aus. Eine Augenweide, geschweige denn Bienenweid­e war das nicht.

„Wir mussten viel lernen, allen voran, Geduld zu haben.“Denn viele Wildblumen sind zweijährig­e Pflanzen, sie entwickeln ihre Blütenprac­ht erst im zweiten Jahr, sind dann aber wie der Natternkop­f, die Nachtkerze oder die Glockenblu­me eine umso attraktive­re Erscheinun­g. Auch für Insekten. „Obwohl wir hier im Neubaugebi­et leben, ist der Tisch für Tiere reich gedeckt“, sagt Block.

Auch Xantens Klimaschut­zmanagerin Lisa Heider und Weezes Artenschut­zbeauftrag­te Melanie van der Flierdt waren schon vor Ort, um sich das Projekt der Nachbarn anzusehen. Sie bestätigte­n, so Block, dass die Besuche der Eulenfamil­ie mit der Pflanzakti­on zusammenhä­ngen könnten.„viele Wildblumen ziehen viele Insekten an, die wiederum viele heimische Vögel, deren Nester dann interessan­t für die Raubvögel sind“, erklärt die Initiatori­n.

„Immer wenn die Amseln Alarm schlagen, wissen wir, die Eulen sind wieder da“, erzählt Birnbaum. Vor einigen Tagen gab es wieder Gezeter. „Wir gingen raus und erlebten ein Schauspiel“, so Birnbaum. Mama-eule saß links am Gartenzaun, Papa-eule rechts, und die drei Jungtiere flogen hin und her. Die Birnbaums waren in eine Lehrstunde der Jagd geraten. Inzwischen sind aus den Baby-eulen Raubvögel geworden. „Es ist toll, dass sich die Tiere hier so gut entwickeln“, sind sich die Nachbarn einig. Vielleicht auch, weil nun die nächtliche­n Futterrufe verklungen sind.

 ?? RP-FOTO: OSTERMANN ?? Der zweijährig­e Malte und sein vierjährig­er Bruder Leonard halten Wildblumen in die Kamera, die unter anderem (hinten, v.l.) Tanja und Bernd Birnbaum, Jutta Block sowie die Eltern Melanie und Sven Köhler pflanzten.
RP-FOTO: OSTERMANN Der zweijährig­e Malte und sein vierjährig­er Bruder Leonard halten Wildblumen in die Kamera, die unter anderem (hinten, v.l.) Tanja und Bernd Birnbaum, Jutta Block sowie die Eltern Melanie und Sven Köhler pflanzten.
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FOTO: KÖHLER Dieses Waldohreul­en-junges beobachtet­en Malte (2) und seine Mutter Melanie Köhler beim Gang zum Kindergart­en.
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FOTO: BIRNBAUM Das Mutter-tier sitzt regelmäßig im Garten der Birnbaums.

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