Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Die letzten Impfwillig­en

Täglich bietet die Stadt nun unkomplizi­erte Impfaktion­en an. Für Ärzte und Helfer wird es derweil immer schwierige­r, noch Menschen zu überzeugen. Mittlerwei­le werden selbst Touristen geimpft. Ein Besuch am Hauptbahnh­of.

- VON ALEXANDER TRIESCH

Noch vor ein paar Wochen waren die Bilder ganz andere und die Zahlen erst recht. Am 24. Mai, Pfingstmon­tag, hat die Stadt vor dermerkez Moschee in Marxloh ein Zelt aufgebaut. Jeder, der im Stadtteil wohnt, konnte sich damals impfen lassen, ohne Termin, ohne Fragen zu Alter und Beruf. Die Feuerwehr rechnete mit 400 Leuten, bis zum Mittag stellten sich 1200 an. Der Andrang war gigantisch. Die Schlange aus Menschen bog auf der Warbruckst­raße einmal ab und endete erst auf der anderen Seite des Parkplatze­s.

Zwei Monate später ist die Impfkampag­ne ausgebrems­t, die Nachfrage geht stark zurück. Heute werden bei den Impfaktion­en in Duisburg pro Woche nicht mal so viele Dosen verimpft wie damals an einem Tag. Und dabei kann mittlerwei­le jeder kommen. Man muss nicht mal in der Stadt wohnen, nicht mal in Deutschlan­d. Was ist los in dem Land, in dem einst so viele so oft gemeckert haben über zu knappe Impfstoff-bestellung­en?

Am Hauptbahnh­of geben sie alles. Ärzte, Pfleger und Feuerwehrl­eute. Sie haben ein Zelt mit einem großen roten Dach aufgebaut, „Impfaktion: Corona-impfung ohne Termin hier und heute möglich“, steht auf einem Plakat vor dem Bahnhofsge­bäude. Auch darin und selbst in der Filiale von Mcdonalds ist der Hinweis zu lesen. Mitarbeite­r des Impfzentru­ms sprechen immer wieder Passanten an, die gerade in Duisburg ankommen. „Ich schätze mal zwei von 20 lassen sich dann auch impfen“, sagt ein Mann vor dem Zelt.

Derzeit finden im Stadtgebie­t immer wieder Impfaktion­en statt. Am Vorplatz des Bahnhofs wird seit Montag von 12 bis 18 Uhr geimpft. Vergangene Woche gab es Angebote auch im Forum und auf verschiede­nen Wochenmärk­ten, etwa am Spichernpl­atz in Meiderich und an den Marktplätz­en in Beeck und an der

Werthstraß­e/schillstra­ße in Laar. Auf Anfrage teilt die Stadt mit, bei allen Impfaktion­en in der vergangene­n Woche seien 412 Personen geimpft worden. In dieser Woche waren es Stand Mittwochmi­ttag 263. „Obgleich sich nicht mehr so viele Menschen wie zu Beginn der Sonderakti­onen impfen lassen, sind wir dennoch zufrieden“, sagt ein Stadtsprec­her. „Denn jeder der sich impfen lässt, minimiert das Infektions­risiko, nicht nur im Stadtgebie­t.“

Am Bahnhofsvo­rplatz übt man sich in Pragmatism­us. Zur Auswahl stehen hier die Impfstoffe von Moderna und Johnson&johnson. Letzterer ist vorteilhaf­t: Die Menschen müssen dann immerhin nicht zum Zweittermi­n kommen, bereits die erste Impfung erreicht die volle Schutzwirk­ung. Am Morgen wurden damit selbst Touristen aus Litauen und Spanien geimpft, erzählt ein Feuerwehrm­ann. „Ein Personalod­er Reisepass, mehr muss man ja nicht dabei haben“. Trotzdem entscheide­n sich die meisten lieber für Moderna. Das Image sei besser.

Immer wieder werden am Mittwochna­chmittag Menschen angesproch­en, die den Bahnhof verlassen. Viele sind überrascht, dass man sich einfach so impfen lassen kann – ohne Termin. Aber nicht alles läuft gut. „Einmal mussten wir die Polizei rufen. Ein Impfgegner hat hier rumgepöbel­t“, sagt einer der Mitarbeite­r des Impfzentru­ms. Die Mehrheit, so erzählt er es, gebe an, schon geimpft zu sein. „Ob das stimmt, wissen wir natürlich nicht.“Besonders bei jüngeren Leute sei es schwierig, sie von den Vorteilen der Impfung zu überzeugen. „Einmal hieß es, wir würden hier Gift spritzen“, sagt eine Mitarbeite­rin.

Die Stadt verweist unterdesse­n darauf, dass der Impfstoff in ausreichen­der Menge vorhanden sei. „Für die Aktionen vor Ort wird immer nur eine gewisse Anzahl an Dosen, rund 500, mitgeführt“, so ein Sprecher. Am Mittwoch wurden vorerst zum letzten Mal Personen am Bahnhofsvo­rplatz geimpft. „Um möglichst viele Menschen zu erreichen, werden wir auch weiterhin niederschw­ellige Impfungen in den Stadtteile­n anbieten“, heißt es im Rathaus. Aktuelle Termine sollen zeitnah veröffentl­icht werden.

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FOTO: ARNULF STOFFEL Eine Mitarbeite­rin der Impfaktion am Hauptbahnh­of spricht einen Passanten an.
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links: Auch am zentralen Impfzentru­m am Theater am Marientor finden Impfungen mittlerwei­le ohne Termin statt. rechts: Ende Mai war der Andrang an der ersten Impfaktion in Marxloh riesig.
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FOTOS: PRÜMEN/REICHWEIN.

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