Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Die letzten Impfwilligen
Täglich bietet die Stadt nun unkomplizierte Impfaktionen an. Für Ärzte und Helfer wird es derweil immer schwieriger, noch Menschen zu überzeugen. Mittlerweile werden selbst Touristen geimpft. Ein Besuch am Hauptbahnhof.
Noch vor ein paar Wochen waren die Bilder ganz andere und die Zahlen erst recht. Am 24. Mai, Pfingstmontag, hat die Stadt vor dermerkez Moschee in Marxloh ein Zelt aufgebaut. Jeder, der im Stadtteil wohnt, konnte sich damals impfen lassen, ohne Termin, ohne Fragen zu Alter und Beruf. Die Feuerwehr rechnete mit 400 Leuten, bis zum Mittag stellten sich 1200 an. Der Andrang war gigantisch. Die Schlange aus Menschen bog auf der Warbruckstraße einmal ab und endete erst auf der anderen Seite des Parkplatzes.
Zwei Monate später ist die Impfkampagne ausgebremst, die Nachfrage geht stark zurück. Heute werden bei den Impfaktionen in Duisburg pro Woche nicht mal so viele Dosen verimpft wie damals an einem Tag. Und dabei kann mittlerweile jeder kommen. Man muss nicht mal in der Stadt wohnen, nicht mal in Deutschland. Was ist los in dem Land, in dem einst so viele so oft gemeckert haben über zu knappe Impfstoff-bestellungen?
Am Hauptbahnhof geben sie alles. Ärzte, Pfleger und Feuerwehrleute. Sie haben ein Zelt mit einem großen roten Dach aufgebaut, „Impfaktion: Corona-impfung ohne Termin hier und heute möglich“, steht auf einem Plakat vor dem Bahnhofsgebäude. Auch darin und selbst in der Filiale von Mcdonalds ist der Hinweis zu lesen. Mitarbeiter des Impfzentrums sprechen immer wieder Passanten an, die gerade in Duisburg ankommen. „Ich schätze mal zwei von 20 lassen sich dann auch impfen“, sagt ein Mann vor dem Zelt.
Derzeit finden im Stadtgebiet immer wieder Impfaktionen statt. Am Vorplatz des Bahnhofs wird seit Montag von 12 bis 18 Uhr geimpft. Vergangene Woche gab es Angebote auch im Forum und auf verschiedenen Wochenmärkten, etwa am Spichernplatz in Meiderich und an den Marktplätzen in Beeck und an der
Werthstraße/schillstraße in Laar. Auf Anfrage teilt die Stadt mit, bei allen Impfaktionen in der vergangenen Woche seien 412 Personen geimpft worden. In dieser Woche waren es Stand Mittwochmittag 263. „Obgleich sich nicht mehr so viele Menschen wie zu Beginn der Sonderaktionen impfen lassen, sind wir dennoch zufrieden“, sagt ein Stadtsprecher. „Denn jeder der sich impfen lässt, minimiert das Infektionsrisiko, nicht nur im Stadtgebiet.“
Am Bahnhofsvorplatz übt man sich in Pragmatismus. Zur Auswahl stehen hier die Impfstoffe von Moderna und Johnson&johnson. Letzterer ist vorteilhaft: Die Menschen müssen dann immerhin nicht zum Zweittermin kommen, bereits die erste Impfung erreicht die volle Schutzwirkung. Am Morgen wurden damit selbst Touristen aus Litauen und Spanien geimpft, erzählt ein Feuerwehrmann. „Ein Personaloder Reisepass, mehr muss man ja nicht dabei haben“. Trotzdem entscheiden sich die meisten lieber für Moderna. Das Image sei besser.
Immer wieder werden am Mittwochnachmittag Menschen angesprochen, die den Bahnhof verlassen. Viele sind überrascht, dass man sich einfach so impfen lassen kann – ohne Termin. Aber nicht alles läuft gut. „Einmal mussten wir die Polizei rufen. Ein Impfgegner hat hier rumgepöbelt“, sagt einer der Mitarbeiter des Impfzentrums. Die Mehrheit, so erzählt er es, gebe an, schon geimpft zu sein. „Ob das stimmt, wissen wir natürlich nicht.“Besonders bei jüngeren Leute sei es schwierig, sie von den Vorteilen der Impfung zu überzeugen. „Einmal hieß es, wir würden hier Gift spritzen“, sagt eine Mitarbeiterin.
Die Stadt verweist unterdessen darauf, dass der Impfstoff in ausreichender Menge vorhanden sei. „Für die Aktionen vor Ort wird immer nur eine gewisse Anzahl an Dosen, rund 500, mitgeführt“, so ein Sprecher. Am Mittwoch wurden vorerst zum letzten Mal Personen am Bahnhofsvorplatz geimpft. „Um möglichst viele Menschen zu erreichen, werden wir auch weiterhin niederschwellige Impfungen in den Stadtteilen anbieten“, heißt es im Rathaus. Aktuelle Termine sollen zeitnah veröffentlicht werden.