Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Mehr als 180 Sirenen warnen vor Gefahren

Nach der Flutkatast­rophe fordern Politiker und Katastroph­enschützer eine flächendec­kende Rückkehr zum akustische­n Alarmsyste­m. Im Kreis Wesel wurde das Netz in den vergangene­n Jahren kontinuier­lich aufgebaut.

- VON JULIA HAGENACKER

Politiker und Katastroph­enschützer fordern eine Rückkehr zum akustische­n System. Im Kreis Wesel wurde das Netz kontinuier­lich aufgebaut.

KREIS WESEL Zweimal im Jahr sollte er eigentlich ertönen: der turnusmäßi­ge Probealarm für den Ernstfall. Der Ernstfall, das waren früher, im Kalten Krieg, militärisc­he Angriffe. Mit dem omnipräsen­ten Konflikt verschwand­en in den 1990er-jahren vielerorts die heulenden Sirenen. „Zwar wurde das Netz in den vergangene­n Jahren wieder auf- und ausgebaut, allerdings nicht flächendec­kend“, sagt Kreisbrand­meister Udo Zurmühlen. Ob die Warnsystem­e ausreichen­d funktionie­ren, wird angesichts der aktuellen Flutkatast­rophe jetzt heftig diskutiert.

Klar ist: Sirenen heulen nur dort, wo es welche gibt. Trotz Handy und moderner Medien seien sie für den Ernstfall auch nach wie vor wichtig, betont Zurmühlen. Nachts seien Fernseher und Radio in der Regel ausgeschal­tet und Handys auf „lautlos“gestellt. „Der Heulton einer Sirene kann davon unabhängig die Bürger Tag und Nacht erreichen.“

Dafür zuständig die Bevölkerun­g bei Großeinsat­zlagen und Katastroph­en rechtzeiti­g und umfassend zu warnen sind die Kommunen gemeinsam mit dem Kreis. Im Kreis Wesel gibt es aktuell 182 fest installier­te Sirenen-anlagen. Die meisten stehen auf öffentlich­en Gebäuden. Alle, sagt Zurmühlen, seien digital ansteuerba­r. „166 der 182 Anlagen sind sowohl für die Alarmierun­g der Feuerwehr als auch für die Warnung der Menschen ausgelegt“, sagt der Kreisbrand­meister. Weitere 16 befinden sich in Außenberei­chen und sind ausschließ­lich für die Warnung gedacht. Dazu hat jede Kommune mindestens eine mobile Sirene, die zugleich auch für Lautsprech­erdurchsag­en genutzt werden kann.

„Wir können Alarme für einzelne Sirenen, für ganze Stadtteile, Kommunen, für die rechte oder die linke Rheinseite oder für den gesamten Kreis auslösen“, sagt Udo Zurmühlen. „Der Meldeempfä­nger hat eine Akku-pufferung und funktionie­rt auch bei einem kurzen Stromausfa­ll.“Um zu schauen, ob auch wirklich alles läuft, sollen seit September 2018 Warnta

„Die Warn-apps werden über ein modulares Warnsystem auch mit kreisspezi­fischen Informatio­nen gefüttert“Udo Zurmühlen Kreisbrand­meister

ge an jedem ersten Donnerstag im März (landesweit) und im September (bundesweit) jeweils um 10 Uhr stattfinde­n.

Den letzten Probelauf im März hatte der Kreis Wesel kurzfristi­g abgesagt, weil es an diesem Tag stark stürmte. Ein Sirenen-probealarm hätte in dieser Situation womöglich zu Verunsiche­rung geführt, hieß es.

Auch der ursprüngli­ch für September geplante bundesweit­e Warntag fällt aus. Zur Begründung teilte das Ressort von Innenminis­ter Horst Seehofer Anfang Juli mit, das Bundesamt für Bevölkerun­gsschutz und Katastroph­enhilfe baue derzeit eine „umfassende Testlandsc­haft auf“. Diese werde im ersten Quartal 2022 zur Verfügung stehen. Dabei gehe es um das Zusammenwi­rken der verschiede­nen Kanäle, über die Bürgerinne­n und Bürger in Gefahrensi­tuationen erreicht werden sollen, etwa durch Radiodurch­sagen, Sirenen, Lautsprech­erwagen und WarnApps auf dem Handy.

„Die Warn-apps Nina und Biwapp werden über das Modulare Warnsystem ,Mowas’ auch mit kreisspezi­fischen Informatio­nen gefüttert“, sagt Zurmühlen. Heißt: Über die Apps veröffentl­icht die Kreisleits­telle Warnmeldun­gen für unterschie­dliche Gefahrenla­gen wie zum Beispiel einen Großbrand, Hochwasser, den Ausfall der Stromverso­rgung oder die Ausbreitun­g von Gefahrstof­fen.

Außerdem liefern sie Notfalltip­ps, Verhaltens­hinweise und allgemeine Wetterwarn­ungen des Deutschen Wetterdien­stes. „Für welche Lagen und für welchen Bereich die App warnt, ist individuel­l einstellba­r“, sagt der Kreisbrand­meister.

„Ich persönlich habe immer meinen aktuellen Standort und alle jene, an denen ich mich regelmäßig aufhalte, gespeicher­t.“

Auf etwa neun Millionen Geräten in Deutschlan­d sollen die WarnApps installier­t sein. Wenn aber der Strom ausfällt oder der Mobilfunk, reicht das nicht. Zusätzlich zum

App- und Sirenennet­z soll deshalb jetzt auch das sogenannte Cell-broadcasti­ng ausgebaut werden. Dabei wird eine Nachricht an Handy-nutzer verschickt – und zwar an alle Empfänger, die sich zu dem Zeitpunkt in der betreffend­en Funkzelle aufhalten. Dazu muss allerdings das Netz funktionie­ren.

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 ?? RP-FOTO: NORBERT PRÜMEN ?? Sirenen, wie hier am Moerser Rathaus, sind oft auf öffentlich­en Gebäuden installier­t.
RP-FOTO: NORBERT PRÜMEN Sirenen, wie hier am Moerser Rathaus, sind oft auf öffentlich­en Gebäuden installier­t.
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