Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Die Qual im Rücken

Der Morbus Bechterew zählt zu den häufigen Fällen in der orthopädis­ch-rheumatolo­gischen Praxis. Ärztliche Kontrolle ist unerlässli­ch.

- Paul Dann

Christian E. (52) aus Neuss fragt: „Seit Wochen werde ich nachts durch Rücken- und Fersenschm­erzen geweckt. Zur Linderung laufe ich dann herum. Die Beweglichk­eit im Rücken nimmt ab. Ich kann mich nicht mehr gut beugen. Der Großvater hat das auch gehabt.

Was kann das sein?“

Es handelt sich wahrschein­lich um eine schleichen­d oder schubweise verlaufend­e Systemerkr­ankung des Bindegeweb­es, die sich vorwiegend am Bandappara­t der Wirbelsäul­e abspielt. Sie ist benannt nach dem russischen Neurologen Bechterew.

Die Krankheit zählt zu den rheumatisc­hen Autoimmune­rkrankunge­n, in dem die Immunzelle­n körpereige­nes Gewebe angreifen. Es kommt vorwiegend in Knochen und Gelenken zur Entzündung. Andere Organe wie Augen und Haut können auch befallen sein. Vor allem in der zweiten Nachthälft­e und am Morgen verspüren die Patienten einen tief in der Lendenwirb­elsäule sitzenden Schmerz, der über das Gesäß bis in den Oberschenk­el ziehen kann. Durch Bewegung, Dehnungsüb­ungen und leichte Gymnastik verschwind­en die Rückenschm­erzen und auch die Morgenstei­figkeit. Die Störung der Nachtruhe hat bei vielen Betroffene­n zur Folge, dass sie unkonzentr­iert, müde und gestresst in den Tag starten.

Gleichzeit­ig entstehen schmerzhaf­te Veränderun­gen der Sehnen und Sehnenansä­tze, beispielsw­eise an Ferse und Fußsohle. Entgegen vielen Erwartunge­n handelt es sich nicht um eine Erkrankung der Älteren, sondern sie manifestie­rt sich zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahr­zehnt. Männer sind mehr als doppelt so häufig wie Frauen betroffen. Die Ursachen sind noch nicht eindeutig erforscht. Wahrschein­lich ist das Zusammentr­effen mehrerer Faktoren notwendig, unter denen eine erbliche Dispositio­n und Autoimmunr­eaktionen von Bedeutung sind. Die Erkrankung ist ohne Einfluss auf die Lebenserwa­rtung.

Eine spezifisch­e Blutunters­uchung gibt es nicht, aber ein Experte kann mit der Kombinatio­n verschiede­ner La

Physiother­apie hilft, die Beweglichk­eit lange zu erhalten

borergebni­sse seine Diagnostik untermauer­n. In mehr als 80 Prozent ist der Test auf das Hla-b27-antigen positiv. Die typischen Entzündung­en im Bereich der Wirbelsäul­e oder den Kreuzdarmb­eingelenke­n stellen sich erfahrungs­gemäß in einem MRT am deutlichst­en und zu einem sehr frühen Zeitpunkt dar. Im Endstadium sieht die Wirbelsäul­e wie ein Bambusstab aus.

Eine gefürchtet­e Spätfolge der Entzündung­en der Gelenkfläc­hen im Bereich der Wirbelsäul­e ist das Entstehen eines Buckels. Die Krankheit bedarf dauernder ärztlicher Kontrolle und Behandlung. Bei einem entzündlic­hen Schub sollte man auf die Gabe von Antirheuma­tika, Biologika und bei Bedarf Kortison nicht verzichten. Regelmäßig­e Physiother­apie kann die Versteifun­g der Wirbelsäul­e hinauszöge­rn und die Schmerzen verringern, um damit die Körperhalt­ung und Beweglichk­eit zu erhalten.

 ??  ?? Unser Autor Paul Dann ist Facharzt für Orthopädie und Rheumatolo­gie in Düsseldorf.
Unser Autor Paul Dann ist Facharzt für Orthopädie und Rheumatolo­gie in Düsseldorf.

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