Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Italiener verzweifeln am Green Pass
Gastronomen sollen zwar prüfen, ob ihre Gäste die Legitimation mit sich führen. Die Daten kontrollieren darf aber nur die Polizei. Und der Ausweis gilt nur für Tische in Innenräumen, nicht aber drinnen an der Bar und draußen.
Rommitte August erreicht die Ferienzeit in Italien ihren Höhepunkt. Zum Feiertag Ferragosto am 15. August kommen die Familien zusammen, oft im Restaurant. Wer dieses Jahr ins Restaurant wollte, musste jedoch den Green Pass vorweisen. Ohne dieses Zertifikat gab es keinen Tisch, zumindest in der Theorie. Der Green Pass gilt in Italien seit Anfang August. Ihn bekommt nur, wer mindestens eine Impfung gegen Covid erhalten hat, von einer Covid-19-erkrankung im letzten halben Jahr genesen ist oder einen negativen Corona-test aus den vergangenen 48 Stunden vorweisen kann.
Am Sonntagmorgen in der Bar „Old Moon“in Rom hörte sich das so an: „Ihr habt alle den Green Pass, oder?“, rief der Barmann den Menschen am Tresen mit einem Augenzwinkern zu. Ob das tatsächlich der Fall war, spielte keine Rolle. Tatsächlich gilt das von der Regierung eingeführte Zertifikat, das in Papierform oder auf dem Smartphone erhältlich ist, nicht für einen Platz im Außenbereich. Wegen der extremen Temperaturen in Mittel- und Süditalien waren in den vergangenen Tagen allerdings die klimatisierten Innenräume etwa in den Bars begehrter. Wer am Tresen steht und sich nicht an einen Tisch setzt, muss ebenfalls keinen Green Pass bei sich führen. „Das soll mal einer verstehen!“, schimpft Kellner Francesco in der Trattoria Cecio beim römischen Bahnhof Termini. Gerade musste er einem Gast den Zutritt zum Lokal verweigern, weil der keinen Green Pass hatte. Der Mann nahm im Außenbereich Platz.
Nicht nur in der Gastronomie ist der Green Pass Pflicht. Auch wer ein Museum besuchen, ins Theater oder ins Kino, ins Stadion oder zu Kulturveranstaltungen gehen will, benötigt das Zertifikat. Ab September wird der Nachweis auch im Flugzeug, auf Fähren, Zügen und Fernbussen verlangt. Touristen können keinen Green Pass bekommen, er wird nur in Italien gemeldeten Personen ausgestellt. Äquivalent gelten Nachweise über eine Impfung, Genesung oder über einen negativen Test aus dem jeweiligen Herkunftsland.
Für die Italiener ist derzeit der Restaurant- oder Barbesuch am relevantesten. „Haben Sie einen Green Pass?“, wird man etwa beim Eintritt in die Bar Bacco im römischen Viertel Monteverde gefragt. Es genügt, die Frage zu bejahen, um eingelassen zu werden. Auch hier will das Zertifikat niemand sehen. Die Frage, ob es überhaupt legitim ist, die Gastwirte und Betreiber selbst die Zertifikate prüfen zu lassen, beantwortete Innenministerin Luciana Lamorgese vor einigen Tagen. Ja, sagte sie, die
Betriebe müssten selbst das Vorliegen eines Green Pass bei ihren Klienten überprüfen. Ob die Personalien auf dem Dokument dann auch mit den Personalien der betroffenen Person identisch sind – diese Kontrolle sei der Polizei vorbehalten. Viele Gastwirte begnügen sich deshalb mit der Frage nach dem Vorliegen eines Zertifikats, auf einen Einblick verzichten sie. Das Innenministerium kündigte an, Restaurants stichprobenartig zu kontrollieren. Für den Fall, dass die Gäste kein Zertifikat nachweisen können, riskieren die Gastwirte eine Schließung von bis zu zehn Tagen.
Ob es im Interesse der Gastronomen liegt, die eigenen Gäste zu kontrollieren, darüber gehen die
Meinungen auseinander. Ein Branchenverband beklagte bereits einen Rückgang des Umsatzes um bis zu 25 Prozent am ersten Wochenende nach der Einführung des Green Pass. Ein Grund sei, dass Familien mit ungeimpften Kindern häufiger auf den Besuch in der Trattoria verzichten würden – die Green-pass-pflicht gilt erst ab einem Alter von zwölf Jahren.