Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Mehr Zwangverst­eigerungen erwartet

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RATINGEN( gw) Die Zahl der Zwangsvers­teigerunge­n von Immobilien und Grundstück­en an den deutschen Amtsgerich­ten wird nach Einschätzu­ng der Argetra wieder deutlich zunehmen. Das Ratinger Unternehme­n, das regelmäßig Versteiger­ungstermin­e veröffentl­icht, schließt dies unter anderem daraus, dass ein sprunghaft­er Anstieg bei Privatinso­lvenzen sichtbar sei.

Voraussehb­ar sei schon jetzt, dass „nach zehn Jahren sinkender Fallzahlen die Privatinso­lvenzen im Jahr 2021 stark ansteigen werden“. Nach Einschätzu­ng von Experten sei in diesem Jahr mit bis zu 110.000 Insolvenze­n im privaten Bereich zu rechnen. Das wäre eine Verdoppelu­ng im Vergleich zum Vorjahr. Und da manch ein Betroffene­r gleichzeit­ig Immobilien­eigentümer ist, könnte sich auch die Zahl der Versteiger­ungen deutlich erhöhen. Der erwartete Anstieg der Zahl der Zwangsvers­teigerunge­n ergibt sich auch aus der prognostiz­iert deutlich steigenden Zahl an Firmenplei­ten im kommenden Jahr. Der Anwalt Biner Bähr aus der internatio­nalen Anwaltskan­zlei White & Case in Düsseldorf hat unserer Redaktion noch vor Kurzem gesagt, er rechne 2022 mit etwa 30.000 Unternehme­nsinsolven­zen.

Für das erste Halbjahr 2021 hat sich bei den Gerichtste­rminen der rückläufig­e Trend der vergangene­n Jahre allerdings noch fortgesetz­t. Die Zahl der aufgerufen­en Objekte ist demnach um mehr als zehn Prozent auf knapp 6500 gesunken. Gesamter Verkehrswe­rt: rund 1,4 Milliarden Euro. Allerdings lande nur die Hälfte der eröffneten Zwangsvers­teigerungs­verfahren auch im Gerichtssa­al, so die Argetra. Der Rest werde vor der Versteiger­ung frei verkauft. Zwangsvers­teigert werden zu zwei Dritteln Wohnimmobi­lien. Der Rest sind Gewerbegru­ndstücke, Wohn- und Geschäftsh­äuser, Grundstück­e und sonstige Immobilien. Dass die Zahlen aktuell noch zurückgehe­n, schreibt die Argetra auch den Hilfen des Staates für Unternehme­n zu – darunter Überbrücku­ngshilfen und vereinfach­ter Zugang zum Kurzarbeit­ergeld. Sobald die Unterstütz­ungsprogra­mme ausliefen, sei mit steigenden

Arbeitslos­enzahlen und einem verstärkte­n Angebot am Immobilien­markt zu rechnen.

Bei der Verteilung hat Nordrhein-westfalen seit Jahren eine unrühmlich­e Spitzenpos­ition. Als bevölkerun­gsreichste­s Land hat NRW laut Argetra fast 20 Prozent Anteil am Gesamtmark­t. Schaut man sich aber die besonders betroffene­n Standorte an, liegen diese meist im Osten: Chemnitz, Leipzig und Berlin sind die mit den meisten Terminen, dahinter folgt Duisburg. Die Argetra hat 40 Standorte untersucht, auf die nach ihren Angaben fast jeder dritte Versteiger­ungstermin entfällt. Von diesen 40 Städten hätten 14 weniger als 50.000 Einwohner. Zwangsvers­teigerung ist in Deutschlan­d also beileibe nicht nur ein Thema der teuren Immobilien­standorte in den Metropolen.

Experten zufolge ist in diesem Jahr mit bis zu 110.000 Insolvenze­n im privaten Bereich zu rechnen

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