Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Ansichten eines Jazz-clowns
Helge Schneider bot mit seinem Trio – und Teekoch Bodo – im Burgtheater herrlich schrägen Humor, sang Schlager von Freddy Quinn, vom Meisenmann und Katzenklo und blickte dafür in viele glückliche Gesichter. Motto: „Letz lach!“
DINSLAKEN (bes) Es musste ja einfach kommen: Nach zehn Minuten erklärte Helge Schneider: „Ihr habt mitgemacht, ich bin von euch begeistert, ich geh jetzt nach Hause.“Schallendes Gelächter im Rund des Burgtheaters, natürlich war noch lange nicht Schluss mit lustig. Helge Schneider sollte am Sonntagabend noch lange in viele lachende Gesichter blicken, gut gelaunte, entspannt wirkende Minen, die sogar noch gegen 22 Uhr draußen auf der Straße auffielen.
Helge Schneider, Sandro Giampiedro, Thomas Alkier und Bodo Oesterling haben ganze Arbeit ge
„Der Papst kann nirgendwo hingehen, denn er wird sofort erkannt“Helge Schneider
leistet. Und das lag nicht zuletzt einmal mehr daran, dass das aktuelle Programm zwar „Letz lach“heißt, aber ebenso „Let’s jazz“bedeutet.
Klar, Helge versteht sich auf Ulk wie kein Zweiter im Lande. Aktuelle Kostprobe: „Der Papst kann nirgendwo hingehen, denn er wird sofort erkannt.“Das verhindert den Besuch in der nahe gelegenen Eisdiele. Aber zum Glück gibt’s auch beim Papst zu Hause leckeres Essen. Weil seine Frau so gut kocht. „Das ist nämlich die Pointe“, erklärt Helge ganz ernsthaft, „weil, der Papst hat ja gar keine Frau“.
Warum lacht sich das Publikum über so etwas schlapp? Weil Humor aus dem Kontext entsteht. Und je ernsthafter der Kontext, desto mehr muss man über Unpassendes lachen. Über Helges Texte, über sein Geschlackere, wenn er singt, über die skurrilen Geräusche, die eine Feder und anderes Zeugs auf der Bühne machen.
Und das Ernsthafte? Das ist die Art und Weise, wie Helge Schneider (Flügel, Vibraphon, Kontrabass, Saxophon, Trompete und Gitarre) Sandro Giampiedro (Gitarre) und Thomas Alkier jazzen. Nachdenklich, manchmal melancholisch lotet Helge Schneider Tonalität am Flügel aus, bis sein Humor dann doch aus ihm herausbricht. Dann wird es heiter, swingend und wenn auch noch Giampiedro in Gypsy-swing-manier Gitarre spielt, ist es mal wieder Zeit zu singen.
Mit dem bekannten Resultat, dass sich das Publikum über die Absurdität der Texte schlapp lacht – wie oft hat sich Schneider eigentlich heimlich über die Jazzstandards amüsiert, bevor er das Reimen mit gut klingenden, rhythmisierten Worten ad absurdum trieb?
Dann braucht Schneider einen Tee. So wie er um 200 nach 300 erfunden wurde. Pfefferminze, nicht Kamille, die kam erst 100 Jahre später mit Camillo Felgen.
Der Tee für Helge Schneider kommt mit dem Teekoch in Livree, Bodo Oesterling, auf die Bühne. Und wie der dafür zu leiden hat, ist ein weiteres Element des Schneiderschen Humors: Helge ist ein JazzClown, im positiven, künstlerischen Sinne. Wenn er seinem Schlagzeuger das Logo nach einem halben Takt abschneidet, wenn nicht nur das Publikum, sondern auch Bodo
„Katzeklo“solo singen darf. Dann bläst Helge mit seiner Trompete dagegen an.
Bei „St. Martin“gibt es im Publikum kein Halten mehr, wohl kaum jemand aus Dinslaken, der bei diesem Lied im Burgtheater nicht die Bengalos, das Feuer und das Licht der eigenen Martinslaterne vor dem geistigen Auge sieht.
Gerne setzt Helge Schneider auf Nostalgisches. Parodiert Freddy Quinn in seiner Westernnummer. spielt Melodien von „Horch was kommt von draußen rein“über „Für Elise“bis zur „Ballade pour Adeline“, als durchblättere er im Geiste ein Notenbuch für elektronische Orgel aus dem letzten Jahrhundert.
Und immer wieder improvisiert das Trio auf der Bühne einfach los, wirft sich die musikalischen Bälle zu, zeigt seine Vielseitigkeit von Latin über Swing bis hin zum Western-shuffle in G-dur. Oder geht das Pferd in „Geh-dur?“
Helge zumindest geht nicht, bevor er sein Publikum im Burgtheater mit einer Zwölf-minuten-version des „Meisenmanns“beglückt und er sich für die Zugabe noch einmal allein an den Flügel setzt: „Let’s jazz“.