Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Kinder an die Macht
Spd-politiker geben jungen Leuten im Landtag ein Forum. Nicht auf alles sind sie vorbereitet.
DÜSSELDORF Auf dem Fußboden liegen Kissen herum, Luftballons schweben durch den Raum, und auf seinem Platz sitzt erst einmal sowieso keiner – ein Hauch von Anarchie liegt an diesem Dienstagmittag über dem Spd-fraktionssaal im Landtag. Die Opposition hat sechs Wochen vor der Bundestags- und neun Monate vor der Landtagswahl Kita-kinder zu sich eingeladen. Die sollen sagen, was sie sich denn so von Politikern wünschen.
Doch zunächst sagt der familienpolitische Sprecher der Spd-fraktion, Dennis Maelzer, was er sich von den Kindern wünscht: „Bitte bindet eure Luftballons an. Die schweben sonst unter der Decke – da kommen wir dann gar nicht mehr dran.“
Zwei kleine Jungen dürfen als Erste nach vorn. Sie sind aus der „Umweltgruppe“und haben sich einiges ausgedacht. „Weniger Autos“, sagt der eine, „wegen des Auspuffs.“„Mehr Bäume“, sagt der andere, „die reinigen die Luft.“Die SPD-ABGEordnete übersetzt: „Die Kinder wünschen sich deutlich weniger Individualverkehr und mehr Natur.“
Als nächstes kommen zwei Mädchen. Einen „Streitschlichter-teppich“wünschen sie sich. Wenn zum Beispiel nur ein Spielzeugauto da ist, das zwei haben wollen. Dann könnten die auf dem Streitschlichter-teppich von einem Symbolfeld zum nächsten gehen. „Beim Ohr-zeichen müssen wir dem anderen zuhören“, sagt eines der Mädchen die Regel auf – und das klingt eher nach pädagogischem Konzept als nach dem Herzenswunsch einer Fünfjährigen. Die Spd-abgeordnete Eva-maria Voigt-küppers findet, ein solcher Teppich wäre auch eine gute Idee für Parlamentarier.
Die dritte Gruppe sagt unverblümt, was sie will: mehr Spielsachen für die Turnhalle, neue Instrumente für den Musikraum, eine Wasserrutsche und Bastelsachen. Gut finden die Mädchen auch eine Kinderkonferenz: „Da können wir sagen, was wir wollen, und uns auch beschweren.“
Mehr mitreden wollen auch die Jugendlichen. Am Nachmittag dürfen auch sie auf Einladung der Spd-fraktion den Politikern mit auf den Weg geben, „wie einmischende Jugendpolitik funktionieren kann“, so Maelzer. Doch die Videokonferenz läuft schleppend an, niemand möchte etwas sagen. Womöglich weil jeder, der sich zu Wort melden will, seine Kamera einschalten soll. Lehrer kennen dieses Phänomen aus dem Distanzunterricht zur Genüge. Schließlich fasst sich ein Vertreter der Landesschülerschaft ein Herz: In der Corona-zeit seien die Schüler an wichtigen Entscheidungen kaum beteiligt worden. Es habe nur vierteljährliche Treffen mit einem einzigen Ansprechpartner des Schulministeriums gegeben: „Wir wollten schon früh mehr Tests und Teilpräsenz – da war das im Schulministerium noch gar nicht angekommen.“Sehr weit hätten Schüler und Ministerium in ihren Einstellungen auseinandergelegen, resümiert der junge Mann.
Aber er ist noch nicht fertig: Auch zu den anderen Fraktionen im Landtag hätte er gern mehr Kontakt gehabt: „Wir lobbyieren für die Schüler, aber wir müssen politische Neutralität wahren. Wir hätten uns daher gewünscht, dass die Fraktionen auf uns zukommen.“
Charlotte Echterhoff sammelt in St. Augustin schon länger Erfahrungen mit Kinder- und Jugendparlamenten. Sie ist Mitglied im dortigen Spd-vorstand und weiß, worauf es dabei ankommt: „Es bringt nicht viel, wenn die Kinder zwar dem Bürgermeister zwei oder drei Stunden lang Fragen stellen dürfen, aber dann nichts mehr passiert.“Dann verliere man die jungen Leute wieder.
Vielleicht hätten Luftballons unter der Decke doch ihr Gutes gehabt. Als Erinnerung an die Wünsche der Kinder.